Erbschaftsteuerprivilegien: 3,4 Milliarden Euro Steuererlass für 45 Großerben

In Deutschland gelten bei der Erbschaftsteuer weitreichende Privilegien für Unternehmensvermögen, von denen vor allem Überreiche massiv profitieren. Die Auswertung der heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer durch das Netzwerk Steuergerechtigkeit, dessen Mitglied Attac ist, zeigt: 45 Großerb*innen erhielten 2024 zusammen ein Vermögen von fast 12 Milliarden Euro, zahlten darauf aber im Schnitt nur rund 1,5 Prozent Steuern. Der Staat verzichtete zu ihren Gunsten auf Einnahmen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro.
Ursache ist die 2016 eingeführte Verschonungsbedarfsprüfung. Sie ermöglicht milliardenschwere Steuererlasse für große Unternehmensvermögen oberhalb von 26 Millionen Euro. Weil die Bearbeitung dieser Fälle Jahre dauert, wird das tatsächliche Ausmaß dieser Steuervergünstigung erst jetzt sichtbar und zeigt einen drastischen Anstieg: 2021 wurden erstmals zehn Erlasse in Höhe von knapp einer halben Milliarde Euro gewährt, 2022 bereits 24 Fälle mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro, 2023 dann 26 Fälle mit 2,3 Milliarden Euro.
Die größte Steuersubvention im Bundeshaushalt
Die Privilegien für überreiche Unternehmenserb*innen führen zu massiven Steuerausfällen: Im Jahr 2024 belief sich der Steuerverzicht – zusammen mit den Begünstigungen für Unternehmensvermögen unterhalb von 26 Millionen Euro – auf insgesamt rund 7 Milliarden Euro. Damit sind die Privilegien für Unternehmenserben die größte Steuersubvention im Bundeshaushalt. Seit der Einführung der weitreichenden Ausnahmen im Jahr 2009 sind der Allgemeinheit dadurch bereits etwa 90 Milliarden Euro entgangen.
„In Zeiten, in denen jede Sozialleistung und jede Ausgabe genau überprüft werden soll, können wir uns die teure und ungerechte Subvention für Unternehmenserb*innen nicht länger leisten”, sagt Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. „Während kleinere Erbschaften oberhalb der Freibeträge spürbar besteuert werden, geht die Steuerschuld der Erben von Multimillionen- und Milliardenvermögen dank zahlreicher Privilegien und Schlupflöcher gegen Null. Das ist ungerecht und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt.”
Ungeachtet der bisher entgangenen Steuermittel in Milliardenhöhe fordert Markus Söder derzeit, die Erbschaftsteuer komplett den Ländern zu überlassen und sie in Bayern zu halbieren. Zudem klagt Bayern in Karlsruhe gegen die bundesweit einheitlichen Freibeträge, die wegen der vergleichsweise hohen Immobilienpreise im Freistaat angeblich ungerecht seien. Julia Jirmann sagt dazu: „Die Erbschaftsteuer soll bundesweit für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen. Innerdeutscher Steuerwettbewerb und eine Steueroase Bayern bewirken genau das Gegenteil. Das schadet nicht nur den ärmeren Bundesländern, sondern auch jenen Kommunen in Bayern, die selbst unterfinanziert sind und dringend Einnahmen für Schulrenovierungen und Schwimmbäder brauchen.”
Marie-Christine Ostermann vom Verband Die Familienunternehmer schlägt aktuell im Spiegel vor, ostdeutsche Unternehmen von der Erbschaftsteuer zu befreien, um Benachteiligungen auszugleichen. Eine solche Befreiung würde jedoch nur dann zu einem Vorteil führen, wenn westdeutsche Unternehmenserben tatsächlich Erbschaftsteuer zahlten – was derzeit nur in Ausnahmefällen geschieht. Julia Jirmann dazu: „Von der Verschonungsbedarfsprüfung und den weiteren Privilegien für Unternehmenserben profitieren derzeit fast ausschließlich Westdeutsche. Eine Befreiung ostdeutscher Unternehmen würde die ungleiche Vermögensverteilung nach der Wende nicht ausgleichen. Notwendig ist vielmehr ein Abbau der Steuerprivilegien im Westen, kombiniert mit dem Länderfinanzausgleich – nur so lassen sich die verfassungsrechtlich garantierten gleichwertigen Lebensverhältnisse sichern.“
Unsere Forderungen
- Große Erbvermögen müssen stärker besteuert werden als kleinere steuerpflichtige Erbschaften. Dafür sind die weitgehenden Steuerbefreiungen für Unternehmensvermögen zu beseitigen.
- Bei Bedarf sollte eine Streckung der Steuerschuld über lange Zeiträume möglich sein. Dann kann die Steuer aus laufenden Erträgen aus der Erbschaft gezahlt werden. Zudem sollte eine Umwandlung der Steuerschuld in öffentliche Unternehmensbeteiligungen möglich sein, um unfreiwillige Unternehmensverkäufe durch die Erben auszuschließen.