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Stellungnahme des Attac-Koordinierungskreises zum fortwährenden Krieg in Nahost 6. April 2024

In der Folge des mörderischen Angriffs der Hamas vom 07. Oktober 2023 und des damit begonnenen neuerlichen Gaza-Kriegs hat der Attac-Koordinierungskreis im Herbst des vergangenen Jahres eine Stellungnahme verfasst, die beim Herbstratschlag breite Unterstützung erfahren hat.  An dieser Stellungnahme halten wir weiterhin fest.

Inzwischen ist der Krieg deutlich eskaliert und das Leid von Menschen steigt ins nahezu Unermessliche. Zehntausende palästinensische Zivilist*innen wurden getötet oder haben auf andere Weise ihr Leben verloren – wenn nicht durch das anhaltende israelische Bombardement, dann durch die verschärfte Blockade des Gazastreifens: Heute fehlt es den Menschen dort an fast allen für das Leben notwendigen Mitteln wie Obdach, Nahrung und ärztliche Versorgung. 

Natürlich hat Israel ein Recht auf Selbstverteidigung gegen Terror und Kriegsverbrechen der Hamas, die bis heute zahlreiche Menschen in Geiselhaft hält und immer noch israelisches Staatsgebiet bombardiert. Dies rechtfertigt aber weder Kriegsverbrechen noch Menschenrechtsverletzungen von israelischer Seite.

Unsere Solidarität gehört den Opfern auf beiden Seiten.
Und es gilt, sich gegen jede Ideologie der Ungleichheit zu engagieren!

Weltweit werden jüdische Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich gemacht. Auch in Deutschland werden jüdische Menschen vermehrt auf offener Straße angegriffen, jüdische Schulen, Synagogen und koschere Supermärkte sind einer erhöhten Terrorgefahr ausgesetzt. Seit Wochen häufen sich Berichte über Angriffe auf jüdische Personen (oder Personen, die für jüdisch gehalten werden). Wir stehen an der Seite von Jüdinnen und Juden, die sich vielerorts nicht sicher fühlen können – ihr Leben und ihre Kultur müssen geschützt werden.

Gleichzeitig gibt es einen pauschalen Antisemitismus-Verdacht gegenüber allen Menschen palästinensischer Herkunft. Das ist ebenso falsch wie oftmals rassistisch motiviert. Viele berichten, dass sie keinen öffentlichen Ort mehr für ihre Trauer über den Krieg und den Verlust ihrer Angehörigen in Gaza bekommen und jede öffentliche Kritik an der herrschenden Politik Israels moralisch diskreditiert wird. Angesichts der deutschen Schuld an der Shoah ist es zynisch, in erster Linie von „importiertem“ Antisemitismus zu reden. Damit wird die nach wie vor größte Gefahr für jüdische Menschen in Deutschland – der Rechtsextremismus – verharmlost und er gerät aus dem Blick. Nicht nur das Attentat von Halle hätte uns eines besseren lehren sollen.

Die Bundesregierung wäre auch vor diesem Hintergrund gut beraten, wenn sie ihre Antisemitismus-Definition überprüfen würde. Die von international anerkannten Wissenschaflter*innen erarbeitete Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus stellt klar, dass nicht jegliche Form der Kritik am gegenwärtigen israelischen Staatswesen per se antisemitisch ist. Mit deren Anerkennung würden deutsche Behörden auch nicht weiter in dieselbe Falle wie die BDS-Bewegung tappen: Nämlich Grundrechte wie die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit auszuhebeln.

Spätestens jetzt muss es um Frieden gehen!

Und auch hier ist die deutsche Bundesregierung gefordert:

  • Deutschland darf nicht mehr länger über den in entscheidenden Teilen rechtsextremen Charakter der gegenwärtigen israelischen Regierung schweigen. Aus deren Reihen werden genozidale Absichten in Bezug auf die Zivilbevölkerung Gazas verbreitet, völkerrechtswidrige Siedlungen im palästinensischen Westjordanland geduldet und immer öfter sogar aktiv unterstützt.
  • Keinesfalls darf sie sich an der möglichen neuerlichen Vertreibung von Palästinenser*innen beteiligen, wie sie derzeit mit der Bildung von Flüchtlingslagern in Ägypten angedacht wird – es ist klar, dass Rechtsradikale in der israelischen Regierung eine Rückkehr Geflüchteter niemals zulassen würden. Eine gewaltsame Umsiedlung wäre ein Kriegsverbrechen.
  • Der Iran ist einer der größten Förderer der Hamas und entschiedener Feind Israels. Einerseits ständig die Sicherheit Israels im Munde zu führen und andererseits aus wirtschaftlichen Interessen den Iran zu unterstützen – diese heuchlerische Politik der Bundesregierung muss beendet werden. Attac Deutschland stellt schon lange die Forderung an die Bundesrepublik, sich an die Seite der iranischen Zivilgesellschaft zu stellen, die sich gegen das autokratische Mullah-Regime erhebt.
  • Bei den Verhandlungen über den Austausch von Gefangenen wurden inzwischen erste Erfolge erzielt, bei denen viele Staaten eine wichtige Rolle gespielt haben. Die beteiligten Parteien müssen nun weiter zusammengeführt werden: Es müssen alle Geiseln freigelassen werden und auch die internationalen Bemühungen für einen Waffenstillstand sind zu unterstützen. 
  • Es gilt, die Vereinten Nationen wieder zu stärken und hier einen starken Konsens zwischen den Kräften herbeizuführen, die ein echtes Interesse an Frieden im Nahen Osten haben.

Der Weg zu einem nachhaltigen Frieden wird von den Vereinten Nationen seit Jahrzehnten über die sogenannte „Zweistaatenlösung“ beschrieben, die sowohl den Israelis wie auch den Palästinenser*innen das Recht auf einen eigenen Nationalstaat zuspricht.

Dieses Ziel scheint heute ferner denn je – sei es durch die kriegerische Eskalation mit der weitgehenden Zerstörung des Gazastreifens oder sei es schon viel früher durch die komplette Zersiedelung des Westjordanlands durch völkerrechtswidrige Landnahmen durch israelische Besatzer. Und dennoch bietet womöglich gerade die jetzige Situation eine Chance, diesen Prozess weiterzuführen.

Attac steht fest an der Seite der Menschen, die sich auf beiden Seiten für eine friedliche, gemeinsame und humane Zukunft für Israelis und Palästinenser*innen einsetzen.