Dem fossilen Rückschritt entgegenstellen

Die Dekarbonisierung zur Vermeidung von Kohlendioxidemissionen (CO₂) galt nach dem Pariser Klimaabkommen als das oberste energiepolitische Ziel. Inzwischen wird dieses Ziel jedoch zunehmend von den industrialisierten Großmächten – allen voran den USA – infrage gestellt. Die Lobby der fossilistischen Öl- und Gasindustrie gewinnt gegenüber der Lobby der erneuerbaren Energien wieder die Oberhand. Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen ist der „fossile Rollback“ mit Gas und Öl in vollem Gange.
In Deutschland ist Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche die Vorreiterin dieser Rückschrittspolitik. Nachdem sie im Mai direkt aus ihrer Position als Chefin der Eon-Tochter „Westenergie“ an die Spitze des Wirtschafts- und Energieministeriums gewechselt ist, nannte sie postwendend den Ausbau der erneuerbaren Energien „völlig überzogen“ und kündigte an, diesen ausbremsen zu wollen. Sie möchte Solar- und Windenergie in Zukunft unattraktiver machen und plant unter anderem, die Förderung für neue private Photovoltaikanlagen zu streichen. Außerdem sollen erneuerbare Energien künftig für den Ausbau der Stromnetze zahlen, während Kohle und Gas das Netz weiterhin kostenlos nutzen dürfen. Darüber hinaus kündigte sie eine Subventionierung des Gaspreises sowie den Bau neuer Gaskraftwerke an. Damit torpediert sie ganz bewusst die Umstellung auf Wärmepumpen.
„Dies ist Klientelpolitik erster Güte für die großen Gas-Konzerne. Das Wirtschaftsministerium stellt sich damit sogar gegen den Koalitionsvertrag. Dort haben sich Schwarz-Rot noch zur Stärkung des dezentralen Ausbaus der erneuerbaren Energien bekannt – jetzt werden sie von Reiche aktiv ausgebremst“, sagt Michael Schramm von der Attac-Kampagnengruppe „RohstoffEnergieHunger stoppen!“. „Eins ist klar: Die Energiewende hat mächtige Gegner – allen voran die fossile Industrie, die jedes Jahr Milliarden mit Gas, Öl und Kohle scheffelt.“ Eine Studie des Öko-Instituts zeigt, dass Deutschland im Jahr 2023 mehr als 80 Milliarden Euro allein für fossile Importe ausgegeben hat.
„Wir müssen diesen energiepolitischen Dammbruch verhindern und der Bundesregierung klarmachen, dass wir als kritische Zivilgesellschaft, Klimabewegung und Umwelt- sowie Sozialverbände den geplanten Rückschritt ins fossile Zeitalter nicht zulassen werden“, sagt Achim Heier, ebenfalls von der Attac-Kampagnengruppe „RohstoffEnergieHunger stoppen!“. „Dies ist nötig, um den Menschen auf der ganzen Welt eine Perspektive für ein Leben zu erhalten, das nicht im Klimachaos endet. Eine entschlossene und schnelle Umstellung auf erneuerbare Energieträger ist neben anderen Maßnahmen ein wichtiger Bestandteil.“
Aktuell beträgt der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Gesamtenergiebedarf nur 23 Prozent. Das ist stark ausbaufähig. Zahlen aus dem vergangenen Jahr zeigen jedoch, dass erstmals mehr als 60 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Das ist nicht nur gut für das Klima, sondern rechnet sich auch für die Bürger*innen. Zudem macht es Deutschland weniger abhängig von Energieimporten – sei es aus Katar, Russland oder den Vereinigten Staaten. Anstatt die Energiewende auszubremsen, fordert Attac von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu einer schnellen Dekarbonisierung und zu einer konsequenten Umstellung auf erneuerbare Energien. Nur so kann der nötige soziale und ökologische Umbau der Gesellschaft gelingen.