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Attac will Gemeinnützigkeit vor Verfassungsgericht verteidigen

Urteil des Bundesfinanzhofs löst Dominoeffekt in kritischer

Zivilgesellschaft aus

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist entschlossen, die
Gemeinnützigkeit von selbstlosem politischem Engagement notfalls vor dem
Bundesverfassungsgericht zu verteidigen.

"Bereits drei Wochen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs über die
Gemeinnützigkeit von Attac zeigt sich, wie berechtigt unsere Warnungen
vor einem Dominoeffekt für die gesamte Zivilgesellschaft sind“, sagt
Alfred Eibl vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. „Sollte die
Entscheidung des BFH Bestand haben, droht das Gemeinnützigkeitsrecht zu
einem Instrument zu verkommen, mit dem Regierung und politische Parteien
versuchen, unliebsame Organisationen an die Kandare zu nehmen.“

So hat die Online-Kampagnenorganisation Campact am Montag bekannt
gegeben, keine Spendenbescheinigungen mehr auszustellen, da sie damit
rechnet, ebenfalls den Status der Gemeinnützigkeit entzogen zu bekommen.
Campact befürchtet, ansonsten für entgangene Steuereinnahmen haftbar
gemacht zu werden. Auch unter anderen Vereinen und
Nichtregierungsorganisationen ist die Verunsicherung groß, ob und in
welcher Form sie weiterhin politisch Stellung beziehen können, ohne ihre
Gemeinnützigkeit zu gefährden. Es besteht die Gefahr, dass Vereine ihre
Aktivitäten für selbstlose Ziele vorsorglich einschränken, um nicht ins
Visier der Finanzämter zu geraten.

+ Abgeordnete müssen Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren

Unabhängig von einem möglichen Gang nach Karlsruhe fordert Attac die
Bundestagsabgeordneten daher dringend auf, umgehend Rechtssicherheit zu
schaffen: Die gesetzliche Grundlage des Gemeinnützigkeitsrechts, die
Abgabenordnung, sei deutlich zu erweitern und an die Erfordernisse einer
modernen Demokratie anzupassen. Zudem müsse der Satzungszweck „Förderung
des demokratischen Staatwesens“, den der Bundesfinanzhof in seinem
Urteil massiv eingrenzt, als spezifischer Zweck – vergleichbar dem
Umweltschutz – anerkannt werden.

+ Entscheidung über Rolle von NGOs nicht den Finanzämtern überlassen

Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann: „Eine lebendige und
kritische Bürgerschaft stärkt die Widerstandsfähigkeit der Demokratie.
Welche Rolle Nichtregierungsorganisationen und außerparlamentarisches
politisches Engagement in unserer Gesellschaft spielen sollen, ist eine
politische Frage, deren Beantwortung nicht den Finanzämtern überlassen
werden darf.“

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Webseite "Jetzt erst recht – Gemeinwohl ist politisch" (mit Hintergrund
und Dokumenten): www.attac.de/jetzt-erst-recht

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Für Rückfragen:

* Alfred Eibl, Attac-Koordinierungskreis, Attac-Koordinierungskreis,
Tel. 0160 9078 0266

* Stephanie Handtmann, Geschäftsführerin im Attac-Bundesbüro, Tel. 069
900 281 22, 0176 2419 1706

* Dirk Friedrichs, Vorstand Attac-Trägerverein e.V. /
Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0177 3276 659

* Andreas van Baaijen, Geschäftsführer im Attac-Bundesbüro, Tel. 069 900
281 40, 0176 9981 3292


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Hintergrund

Mit der Behauptung, Attac sei zu politisch, entzog das Finanzamt
Frankfurt dem Netzwerk im April 2014 die Gemeinnützigkeit.
Insbesondere der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine
Vermögensabgabe diene keinem gemeinnützigen Zweck, hieß es zur
Begründung. Im November 2016 gab das Hessische Finanzgericht der
Attac-Klage gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit voll statt. Trotz des
klaren Richterspruchs wies das Bundesfinanzministerium das Finanzamt an,
beim Bundesfinanzhof in München Revision zu beantragen. Im Januar 2018
trat das Ministerium dem Revisionsprozess auch offiziell als
Verfahrensbeteiligter bei.

Im Februar 2019 hat der Bundesfinanzhof das Verfahren zurück an das
Hessische Finanzgericht verwiesen. In dem erneuten Prozess müssen die
Richter in Kassel nun den Vorgaben des BFH folgen, der den Rahmen für
politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger
spannt als sie selbst in ihrem ersten Urteil.

Infolge des Entzugs der Gemeinnützigkeit können Mitglieder und
Unterstützer der Attac-Arbeit ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von
der Steuer absetzen. Stiftungen und andere Institutionen können Projekte
von Attac nicht mehr fördern.

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der Allianz
"Rechtssicherheit für politische Willensbildung" angestoßen, die im Juli
2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz setzt sich für ein modernes
Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung der Abgabenordnung ein. Ihr
angeschlossen haben sich mehr als 80 Vereine und Stiftungen – darunter
neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty
International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und
Campact. (www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de)

Aktuell engagiert sich Attac Deutschland mit der Kampagne
„Menschenrechte vor Profit“ für ein verbindliches Abkommen der Vereinten
Nationen, das Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte
verpflichtet. Unter dem Motto „Steuertricks stoppen“ streitet das
Netzwerk für eine Gesamtkonzernsteuer und gegen die Steuervermeidung von
Konzernen wie Apple, Ikea und Amazon. In den kommenden Monaten wird
Attac zudem Druck für eine sozial-ökologische Wende machen. Im Zentrum
der Kampagne „Einfach umsteigen – klimagerechte Mobilität für alle“
werden vielfältige Aktivitäten für eine Verkehrswende stehen.