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Gemeinnützigkeit: Attac erstreitet Akteneinsicht

Verwaltungsgericht fordert Bundesfinanzministerium zur Freigabe von Dokumenten auf

Foto: Shutter & Melody

Das Bundesfinanzministerium (BFM) muss Attac Dokumente übergeben, in denen es um den Entzug der Gemeinnützigkeit von Attac geht. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin am heutigen Dienstag nach einer vierstündigen mündlichen Verhandlung entschieden. Mit der Informationsfreiheitsklage wollte Attac unter anderem Aufschluss über die Kommunikation zwischen dem Ministerium und dem 2019 in der "Causa Attac" verfahrensführenden Bundesfinanzhof (BFH) erhalten.

Besonders interessant unter den Dokumenten, in die das BMF nun Einblick gewähren muss, sind sogenannte Sprechzettel, die darüber Aufschluss geben, wie Vertreter*innen des BMF die Bundestagsabgeordneten etwa im Haushaltsausschuss über den "Fall Attac" informierten. Das BMF hielt diese bisher mit Verweis auf die Geschäftsordnung des Bundestages zurück. Das Gericht urteilte nun, dass das Recht auf Informationsfreiheit höher wiegt als eine Geschäftsordnung.

"Zwei Aktenordner hat das BMF mit dem ‚Fall Attac‘ gefüllt. Dennoch versucht das Bundesfinanzministerium, seine Rolle in dem Verfahren herunterzuspielen und zu verschleiern, wie intensiv es die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac betrieben hat. Heute haben wir dabei einen wichtigen Erfolg im Ringen um Transparenz erzielt", sagt Maria Wahle, Attac-Vertreterin im Gerichtsverfahren. "Dabei mussten wir den Zugang zu nahezu jedem einzelnen Dokument mühsam vor Gericht erstreiten. Das zeigt, wie wenig dem BMF daran gelegen ist, sein Handeln in einer Frage, die die gesamte kritische Zivilgesellschaft betrifft, offenzulegen."

Nach dem Urteil des BFH Anfang 2019 hatte Attac Akteneinsicht beantragt, die das Ministerium verweigerte. Erst als Reaktion auf die 2020 erhobene Klage gab das BMF im November 2021 einige Schriftstücke heraus. Zentrale Dokumente blieben jedoch unkenntlich. Nun wurde die Freigabe weiterer Dokumente erkämpft.

Aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht herausgeben muss das Ministerium dagegen eine eineinhalb Seiten lange Liste mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ihm zufolge vom Attac-Urteil des BFH ebenfalls negativ betroffen sein könnten. Dem Vorschlag der Vorsitzenden Richterin, zumindest die Anzahl der betroffenen Organisationen zu nennen, verweigerten sich die Vertreter*innen des BMF.

Hintergrund:
2014 hatte das Finanzamt Frankfurt Attac die Gemeinnützigkeit mit der Begründung aberkannt, das Netzwerk sei "zu politisch". Eine erste Klage von Attac dagegen vor dem Finanzgericht Kassel war erfolgreich. Doch in der Revision, die das Finanzamt Frankfurt auf Weisung des Bundesfinanzministeriums beantragen musste, einlegte, hob der Bundesfinanzhof das Urteil auf und steckte dabei den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen äußerst eng. Diesem Urteil folgend mussten die Richter*innen der ersten Instanz die Klage von Attac gegen ihre eigene Überzeugung ablehnen. So kritisierte der Vorsitzende Richter in Kassel, das Urteil des Bundesfinanzhofs sei "mit heißer Nadel gestrickt".

Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen die Gemeinnützigkeit.

Attac hat 2021 Verfassungsbeschwerde gegen die Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit eingelegt. Die Verhandlung darüber steht noch aus.

Als Teil der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" setzt sich Attac zudem für ein modernes Gemeinützigkeitsrecht ein, das demokratisches zivilgesellschaftliches Engagement fördert, statt es zu behindern.