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Samstag, 11.00 Uhr

Am Samstag Mittag finden ab 11.00 Uhr fünf Workshops statt, die diestrategische Einordnung des Vormittagspodiums vertiefen sollen. Hier findetihr die Beschreibungen zu den jeweiligen Inhalten:

 

Die Finanzmarktkrise

Seit über einem Jahr werden die globalen Finanzmärkte von einer der schwersten Krisen der letzten Dekaden heimgesucht. Die Krise, die ihren Ausgang im Platzen der Preisblase an den US - amerikanischen Immobilienmärkte und dem Weiterverkauf von Krediten mittels komplizierter Derivate hatte, ist seitdem nicht unter Kontrolle zu bringen. Trotz mehrfacher heftiger Interventionen seitens der Zentralbanken und trotz der immer wieder erfolgten Versicherung, die Krise sei jetzt endlich vorüber, geraten die Finanzmärkte spätestens an jedem Quartalsende durch neue Hiobsbotschaften der Banken unter Druck.

Mittlerweile hat die Krise längst die Realwirtschaft erreicht. Ein großer Teil der Industrieländer befindet sich mittlerweile in einer Rezession oder kurz davor und die Stimmen werden lauter, die auch eine globale Rezession für möglich halten. Auch Deutschland ist davon betroffen: im letzten Quartal ist die deutsche Wirtschaft geschrumpft, die Aussichten für die nächsten Monate sind düster.

Auch die Entwicklungsländer sind von der Krise betroffen. Zum einen leiden sie unter der allgemeinen Verschlechterung der Weltwirtschaft, zum anderen waren sie besonders hart davon betroffen, dass ein Teil des Kapitals, das vor der Krise an den Immobilienmärkten investiert war, während der Krise in die Spekulation mit Nahrungsmitteln geflossen ist und so die Preisturbulenzen der letzten Monate drastisch verschärfte. Die Folge: Hunger und Aufstände in zahlreichen Ländern des globalen Südens.

Anders als bei der Südostasien-Krise, die einer der Gründungsimpulse für Attac war, haben wir es bei der aktuellen Krise nicht ausreichend geschafft, sie als politische Chance zur Durchsetzung unserer Forderung nach einem anderen Finanzsystem zu nutzen. Da sich nun aber die Krise
auch in schlechteren Wirtschaftsdaten hier in Deutschland niederschlägt, wachsen vielleicht auch die Chancen die Krise zu politisieren. In dem Workshop wollen wir darüber diskutieren, wie wir diese Möglichkeiten gemeinsam nutzen können.

Die globale Energiekrise

Noch bevor die olympischen Spiele in Peking begannen, konnte man sich in diesem Jahr täglich auf Rekordsuche begeben: bei den Ölpreisnotierungen an den Börsen rund um die Welt. Hohes Wirtschaftswachstum, mehr weltweiter Transport und Verkehr, Spekulation auf den Rohstoffmärkten bei gleichzeitig stagnierendem Angebot machen deutlich: die Konturen des Endes des Ölzeitalters zeigen sich immer schärfer. Nicht nur hierzulande werden steigende Energiepreise zur sozialen Frage. Im globalen Süden trocknen die Ölpreise die Staatshaushalte aus und werden für die Armen zur Belastung. Gleichzeitig feuert das Festhalten an den fossilen Brennstoffen die Klimakrise an, die Millionen Menschen Ihrer Existenz beraubt. Die Antwort der Regierenden zeigte sich in aller Klarheit beim G8-Gipfel: Ausweitung der Ölförderung, Ausbau der Atomenergie. Währenddessen macht Exxon den größten Quartalsgewinn der Weltgeschichte.

Attac hat mit der Kampagne zur Enteignung der deutschen Stromkonzerne Eon, EnBW, RWE und Vattenfall einen ersten Schritt begonnen, Energie, Ökologie und Soziales zusammenzudenken und mit der Macht- und Eigentumsfrage zu verknüpfen. Auch wenn die Kampagne aus verschiedenen Gründen nicht voll durchstarten konnte, kommen wir am Energie-Thema nicht vorbei. In diesem Workshop wollen wir diskutieren, womit und in welcher Form Attac in Zukunft auf die wachsende Energieknappheit reagieren kann und soll.

Hungerkrise - kein Ende in Sicht

Täglich sterben 24.000 Menschen an Hunger - und das in einer Welt, in der bis heute genug Nahrung für alle produziert wird. Mit der Lebensmittelpreiskrise in diesem Jahr ist die Zahl der Hungernden noch einmal gestiegen, für Millionen wurde die tägliche Nahrung unbezahlbar.

Die neoliberale Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten einen radikalen Umbau des Agrarsektors herbeigezwungen. Während große Agrar- und Lebensmittelkonzerne die Märkte kontrollieren und auf weitere Vorfahrtsregeln drängeln, treiben der neue Run auf Agrosprit, der überhöhte und weltweit zunehmende Fleischverbrauch, der Rohstoffhype auf den Finanzmärkten und mancher Grund mehr die Preise für die Verbraucher in die Höhe.

Nach dem Motto "mehr von der gleichen falschen Medizin" drängen Politiker auf massenhafte Produktionssteigerungen und weitere Marktöffnungen.

Was machen wir? Was kann Attac der Hungerkrise entgegen setzen? Ist der Kampf gegen den Agrosprit einen Hebel, den wir - mit anderen - nutzen können? Was können wir von Deutschland aus tun? Was zusammen mit den anderen Attacs in Europa? Eine erste Aktion in Berlin und dezentral ist am 16.10., dem Welternährungstag geplant, vieles mehr ist möglich. Wer denkt mit?

Globale Soziale Rechte (GSR) als Konzeptvorstellung und ihr strategischer Wert in der politischen Arbeit

Es ist ein Erfolg der globalisierungskritischen Bewegung, stößt unsere Kritik am globalisierten Kapitalismus zunehmend auch im Mainstream auf Gehör.

Dieser Erfolg wirft allerdings die Frage nach alternativen Zukunftsentwürfen
mit neuer Dringlichkeit auf.

Diese Frage nach dem 'Wohin' steht im Zentrum der Debatte um Globale Soziale Rechte. Dabei sind derzeit verschiedene Zugänge möglich:

Für die einen ist 'Globale Soziale Rechte’ eine Art Leitbegriff, unter dem sich, ähnlich wie einst unter dem Begriff 'Demokratischer Sozialismus' verschiedene Strömungen der Bewegung wiederfinden.

Für andere ist es der Oberbegriff einer Debatte, innerhalb derer vor allem die Widersprüche zwischen den verschiedenen Spektren diskutiert und offengelegt werden, um sich anschließend in einem länger dauernden Prozess annähern zu können.

Für wieder andere hat der Begriff Globale Soziale Rechte die Funktion eines vorläufigen Dachs, unter dem sich Akteure zu politischen Auseinandersetzungen mit konkreten Forderungen zusammenfinden, um gemeinsam etwas in Bewegung zu bringen, ohne das angestrebte Endziel bereits genau definiert zu haben.

Einigkeit besteht lediglich in dem Ziel, sich bedingungslose Grundrechte aneignen zu müssen, um eine partizipative, gerechtere und demokratische Gesellschaft zu ermöglichen, in der es dem Individuum durch Entfaltungsrechte ermöglicht wird, sich als selbstbestimmten Teil der Gesellschaft zu erleben.

Dadurch wird jetzigen Akteuren gemeinsames Handeln ermöglicht, ohne faule Kompromisse eingehen zu müssen. Der verbindende Grundsatz dabei lautet, es geht nicht darum darauf zu warten, daß diese Rechte gewährt werden, sondern darum, sie sich anzueignen.

Bisher liegt der Schwerpunkt des Konzeptes GSR in der Diskursanalyse. Auch weiterhin bleibt wichtig, mit Texten und Veranstaltungen zu dem Themenkomplex eine spektrenübergreifende Debatte zu initiieren bzw. weiterzuentwickeln, zu welchem Ziel linke Intervention führen soll.

Doch jeder strategische Diskurs wird erst wirksam, verbinden sich theoretische Grundlegung mit praktischem Eingreifen zu vernetztem Handeln von Theorie und Aktion. Das sich hierfür bietende Themenspektrum GSR umfaßt den Spannungsbogen von Gerechtigkeit und Freiheit in individueller wie gesellschaftlicher Ausgestaltung, damit geht es um Begriffe und deren Umsetzung wie Partizipationmöglichkeiten und demokratische Ausgestaltung auf gesellschaftl. Ebene unter global auf Ausgleich bedachten Bedingungen,
bei möglichst vollständigen Emanzipationsbedingungen des Individuums.

Dabei geht es darum, Möglichkeiten zu schaffen, sich (Menschen)Rechte auf eine Weise anzueignen, daß sie zum bedingungslosen Entfaltungsrecht aller werden, unter Einbeziehung der offensichtlichen Interessenwidersprüche und der daraus erwachsenden Ungerechtigkeiten auf globaler bis hin zur individuellen Ebene.

Es gibt mehrere Gründe, gewinnen GSR derzeit in der linken Öffentlichkeit zunehmend an Gewicht:

1.] Als Thema wird es zum Fokus für Spektren von kapitalismuskritisch bis linksradikal in unterschiedlichsten Organisations- oder Vernetzungsformen. Damit scheint eine Möglichkeit des Bezuges aufeinander, dieser recht unterschiedlichen Spektren, eröffnet zu sein,

2.] sein strategisches Potential wirkt überzeugend, weil es die Widersprüche aller sozialen Kämpfe einschließt und zu ihrer Analyse herausfordert, doch auch auffordert, nicht bei ihr stehenzubleiben, sondern nach der Formulierung von Zielen einer angestrebten Emanzipationspolitik verlangt.

3.] Es fordert ständig dazu auf, den nationalen, begrenzten Blickwinkel zu verlassen, da die Analysen nur stimmig werden, wenn der globale Zusammenhang erfaßt wird. Trotzdem verwirft er, auf eine weltverändernde Handlungsmöglichkeit warten zu müssen, da er nach globalem Denken, aber lokalem Handeln ruft.

4.] GSR fordern den von attac als Konsens beschlossenen bedingungslosen Teilhabe/-nahme Aspekt ein. Das Zentrum liegt in der bedingungslosen, globalen Rechteeinforderung. Werden sie nicht gewährt, müssen sie angeeignet werden.

Alle Themenfelder werden aus globaler Sicht erfaßt, bedenken stets die Notwendigkeit eines gerechten Nord-Süd-Ausgleich:

-] Ernährungssouveränität

-] Gesundheit / Daseinsvorsorge / soziale Infrastruktur

-] Gestaltung gesellschaftlicher Arbeit und Produktion

-] Nachhaltigkeit / ökölogische Gerechtigkeit

-] Migration / Bewegungsfreiheit

-] Abschaffung jeder Repression => Vielfältigkeit der Lebensformen

5.] Globale (soziale) Rechte beziehen sich stark auf den Menschenrechtsgedanken, gehen aber über ihn hinaus, da sie sich nicht an eine staatliche oder überstaatliche Organisation richten, um sich Rechte gewähren zu lassen, sondern zu aktiver Aneignung als legitim erkannter Rechten auffordern.

Da Rechte immer zugleich allen und jedem einzelnen Individuum zustehen, ermöglicht ein handlungsorientierter Diskurs’ dieses Themas das Zusammendenken kollektiver Prozesse bei Förderung individueller Freiheit.

Notwendigkeit der Ausgestaltung einer Strategie sowohl mit globaler Perspektive, als mit konkreten Handlungsmöglichkeiten:

Mit dem Konzept GSR wird an Überlegungen weitergearbeitet, die seit Jahren in attac virulent sind, nun in kapitalismuskritischen – linksradikalen Spektren zunehmende Aufnahme erfahren, immer von engagierten attacies begleitet.

Da langsam aber stetig das strategische Potential dieses Themas Hellhörigkeit erlangt, eine Rats-AG sich mit diesem strategischen Thema beschäftigt, erscheint es an der Zeit, sich genauer auf breiterer attac-Basis mit dem strategischen Potential einer globalen Perspektive auf Grundlage bedingungsloser Rechte auseinanderzusetzen.

Schließlich verlangt dieses gemeinsame Dach einer langfristigeren Perspektive nicht nur nach nachvollziehbaren Vorstellungen, was eine andere Welt ausmachen könnte, sondern vor allem dem Zusammendenken bisher auseinanderfallender Antworten auf all die Krisen und Widersprüche, die nicht nur der neoliberale Kapitalismus produziert: es verlangt nach Alternativen nicht nur der rücksichtslosen Ausbeutung menschlichen Lebens, sondern aller natürlicher Vorkommen, wie fossiler Energien, des Wasservorkommens oder biologischer Diversität, ökonomischer Vorteile wegen, wie eines Zusammendenkens der Widersprüche ökologischer Einschränkungsnotwendigkeiten mit den Forderungen nach Entfaltungsmöglichkeiten aller.

Besonders aus dem Blickwinkel globaler Sichtweisen folgt die Notwendigkeit, Zusammenhänge gegensätzlich wirkender Interessen herzustellen, z.B. der Folgen ökologischer Verwüstungen wie etwa der Klimakatastrophe und zunehmender Migrationsbewegung, während eine gerechtere Verteilung der Ressourcen den meisten Menschen ein ’Recht zu bleiben’ ermöglichen würde.

Die Forderungen bedingungsloser Rechte, die jedem Einzelnen ein Recht auf ein würdevolles und existenzsicherndes Leben ermöglichen, könnte so zu einem übergreifenden Bezugspunkt ausgebaut werden, um zu gemeinsamen Intervention zu finden.

Dabei geht es um etwas grundsätzlich anderes, als zu einem Projektplan für das/die kommende(n) Jahr(e) zu gelangen. Ein Konzept Globaler Sozialer Rechte zu erstellen, verlangt langfristige Analysen und Überlegungen, um die Lähmung der Bevölkerung aufheben zu können, die die Behauptung der Alternativlosigkeit in den Köpfen hinterließ.

An dieser Lähmung, dieser Bewegungstiefflaute, tragen auch Linke eine Mitschuld, weil sie keine Alternativen anzubieten haben.

Ein Konzept, das auf der Forderung bedingungsloser Rechte beruht, hätte eine gänzlich andere Einstellung zu den Forderungen eines menschlichen Miteinanders, als die auf Konkurrenz beruhenden derzeitigen Verhältnisse.
Damit würde der soziale Umgang von ganz anderen Werten getragen sein.

Wo aber der Wert individueller Entfaltung in den Vordergrund rückt, wo es um global gerechte Verteilung gesamtgesellschaftlich erarbeiteten Reichtums geht, wo es um gleiche Chancen bei Vielfalt unterschiedlicher Lebensweisen geht, wo es um Emanzipation aller geht
und größtmögliche demokratische Partizipation aller gesellschaftlichen Lebensbereiche, dort kann es nur um Rahmenbedingungen gehen, die unablässig demokratisch neu auszugestalten sein müssen.

Dieser Rahmen muß allgemeingültig, also universal sein. Rechtsgleichheit muß verhindern, daß Mehrheiten sich eine Definitionshoheit über Recht und Unrecht aneignen können. Trotzdem wird als Problem bestehen bleiben, daß mit einer Kodifizierung von Rechten, mit einer formalen Rechtsgleichheit, noch keine Veränderung von Verhältnissen herbeizuführen ist.

Rechtssetzung hat ein sehr widersprüchliches Gesicht: Einerseits bietet sie eine Struktur zur Überwindung von Ungerechtigkeit, andererseits ist sie ein Herrschaftsinstrument. Das verlangt, wo durch Definitionsmacht Minderheiten unterdrückt werden, müssen sich Rechte angeeignet werden.

Dieser Rahmen bedingungsloser Rechte als Alternative zu den Verwerfungen heutiger Verhältnisse, als ein gestaltbares Fernziel, wäre durch den Angang vereinzelter Symptome langsam aber stetig mit faßbarem, konkreten Inhalt anzufüllen.

Diese Vorgehensweise hätte noch einen weiteren Vorteil: In der konkreten Forderung und Aktion täten sich Zusammenhänge auf, die zuvor kaum Beachtung fanden und nicht bedacht wurden.

Zugleich entsteht ein Gestaltungsraum, der jeden Einzelnen veranlassen könnte, Kreativität zu entfalten, wie Gesellschaft gestaltet werden könnte.
Diese Einbeziehung möglichst Vieler in die langfristige Gestaltung eineranderen Welt, nach dem Motto, alles ist denkbar, könnte ein Potential an Kräften freisetzen, das der Bewegungsform zu neuer Attraktivität, zu neuem Aufbruch und, wäre er durchzuhalten, zu der Chance eines Durchbruches verhelfen könnte.

Das aber verlänge neben der Diskursinitiative nach der Notwendigkeit konkreter Aktionsvorschläge zur Forderung GSR.

Aufgrund des übergreifenden Rahmens wären den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt, die anzugehenden Konflikte wären jedoch in einen analytischen und theoretischen Zusammenhang einzuordnen, der stets von der Frage geleitet ist, wie die Bedingungslosigkeit der Menschenrechte über lokale Aneignung, global und universal umzusetzen sein könnten.

Darüber wären Lösungsmöglichkeiten auf lokale Handlungsebene herunterzubrechen, somit zu konkreten Aktionsmöglichkeiten zu kommen.

Diskussionen in der offenen Rats-AG-GSR, auf den Maitagen und im Rat zu dem Thema GSR zeigten großes Interesse, den praktischen Ansatzpunkt der Initiative-GSR, die von Beginn an von attac-Akteuren mitgestaltet wird, zu unterstützen:

Aktivierende Befragung = Militante Untersuchung zu der Leitfrage 'Was macht uns krank' (was sowohl wörtlich wie auch metaphorisch bzw. gesellschaftlich zu verstehen ist).

Unter dieser, hauptsächlich im übertragenen Sinn zu verstehenden Frage
wären aus unterschiedlichen Zugängen herrschende Lebens- u. Arbeitsverhältnisse zu beleuchten, um die Ursachen und Faktoren herausfinden zu können, die einem besseren, weil Entfaltung eigener Fähigkeiten ermöglichendem Leben, entgegenstehen.

Auch hier ginge es wieder darum, Geamtzusammenhänge zu erschließen und Erfahrung wirksam werden zu lassen, individuell erscheinende Probleme haben häufig gesellschaftliche Ursachen, gegen die anzugehen breite Aktivierung und Mobilisierung notwendig wäre.

Ziel des Projektes wäre, aus mindestens fünf ausgewählten sozialen Themenbereichen jeweils zwei Befragungsgruppen zusammenzustellen, um in den Gruppen gemeinsame Merkmale und Erfahrungen zugrunde legen zu können. (z.B. Arbeitende in der Produktion/ im Gesundheitswesen / im Bildungssektor/ HartzIV-Empfänger / prekär Beschäftigte / Betroffene von Migration / von Asylsuche).

Attac könnte die Umsetzung unterstützen, indem z.B. eine oder mehrere Attac-Ortsgruppe(n), sich einen Themenbereich wählt, dazu eine Gruppe zusammenstellt und in dieser die Befragungsphase moderiert und anschließend auswertet.

Diese Befragung soll dann ein Mosaikstein der Untersuchung zu diesem Thema der Initiative werden. Die Moderatoren der Befragung werden vorher geschult.

Die Befragung soll eher 'Pilotprojektcharakter' haben, vorrangig geht es um Erfahrungen, was die Befragten veranlassen würde, selbst politisch aktiv zu werden.

Zunächst geht es also weniger um eine 'Aktivierung', sondern mehr um Gründe und Argumente, wann und warum jemand aktiv werden würde (= 'was macht mich gesund / für welche Lebensvorstellungen lohnt es sich zu kämpfen'), um darauf für spätere, möglicherweise umfangreichere Projekte aufbauen zu können.

 

Initiative Globale Soziale Rechte – weitere, auch praktische Perspektiven insbesondere zum Befragungsprojekt "Was macht uns krank?"


Stand Oktober 2008

GSR war und ist bislang in erster Linie eine Diskursinitiative. Und es bleibt für uns auch in Zukunft von Bedeutung, mittels Texten (siehe www.globale-soziale-rechte.de) sowie Veranstaltungen eine spektrenübergreifende Debatte zu verbreiten und zu vertiefen. Wie wir in unserem Plattformtext skizziert haben, sind wir überzeugt, dass sich eine „Bewegung der Bewegungen“ nur weiterentwickeln kann, wenn die Auseinandersetzung mit den komplexen Spannungsfeldern und die Möglichkeiten inhaltlicher Verbindungslinien längerfristig, kontinuierlich und immer wieder neu gesucht wird.

Supermarktkampagne

Bereits im August im Rahmen des Hamburger Doppelcamps „für globale Bewegungsfreiheit und ein ganz anderes Klima“ gab es einige spannende Anstöße, den Zusammenhang von Migration und ökologischer Gerechtigkeit in den Blick zu nehmen. Und das nicht nur inhaltlich in Veranstaltungen und Workshops, sondern auch ganz praktisch. Herausragend war dabei ein gelungenes Blockadehappening vor einem Supermarkt, bei der nicht zuletzt mittels Transparenten vom Dach aus „Globale Rechte aneignen“ mit den zwei Forderungen nach „Bio für Alle“ und „Papiere für Alle“ kombiniert und konkretisiert wurde. In den dazu verteilten Flyern, durch Ansagen vom besetzten Dach sowie mittels Theater auf der Straße wurden die inhaltlichen Zusammenhänge an Hand der Gemüseproduktion ausführlicher aufgerollt: was die Preispolitik der Supermarktketten und Discounter mit der Ausbeutung ihrer hiesigen Angestellten aber auch der migrantischen oft illegalisierten LandarbeiterInnen z.B. in Südspanien zu tun hat; wie industrialisiertes Agrobusiness nicht nur zu immer mehr Pestizidbelastungen führt sondern auch die kleinbäuerliche Produktion im globalen Süden zerstört; und wie damit verbundene sozial-ökologische Verwüstungen wiederum zunehmend die Migrationsprozesse beeinflussen.

Eine (auch nach Hamburg noch in den Anfängen steckende) „Supermarkt-Kampagne“ bietet jedenfalls das Potential, entlang einer Wertschöpfungskette aus verschiedenen Perspektiven die Frage globaler sozialer Rechte nicht nur inhaltlich sondern auch ganz praktisch zu stellen.

Den Sprung ins Praktische wagen

Neben dem „Supermarkt-Faden“ konkretisiert sich zunehmend eine zweiter praktischer Ansatzpunkt für das GSR-Projekt:

eine aktivierende Befragung (von einigen auch als militante Untersuchung bezeichnet)

im Feld der Gesundheit. Unter der im wörtlichen, mehr aber im übertragenen Sinn zu verstehenden Leitfrage „Was macht uns krank?“ ließen sich jedenfalls aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Zugängen die Lebens- und Arbeitsverhältnisse ins Visier nehmen, die einem guten Leben entgegenstehen. Die zentrale Herausforderung bestände für uns darin, getrennt bis konkurrent erscheinende Realitäten nicht nur in Beziehung zu setzen, sondern in gegenseitige Kommunikation zu bringen, um nicht zuletzt nach potentiellen Gemeinsamkeiten zu suchen. Dies entspricht damit auf praktischerer Ebene genau dem theoretisch-diskursiven Ansatz und Anliegen der GSR-Initiative, und insofern wird aus der Initiativgruppe dieser Vorschlag für eine praktisch orientierte Auseinandersetzung um Globale Soziale Rechte favorisiert.

Was macht uns krank?

Unsere bisherigen konzeptionellen Überlegungen sehen vor, mit einer Reihe von Pilotprojekten in verschiedenen sozialen Feldern (und verschiedenen Städten) zu beginnen. Als Bereiche kommen in Frage: MigrantInnen/Flüchtlinge (mit Abschiebebedrohung, Verweigerung medizinischer Leistungen bei Asylsuchenden/Geduldeten/Illegalisierten oder auch als LandarbeiterInnen), FabrikarbeiterInnen (Verdichtungsprozesse oder auch Leiharbeit), Supermarktbeschäftigte, Beschäftigte im Gesundheitswesen (Was macht die GesundheitsarbeiterInnen krank?), BildungsarbeiterInnen, Erwerbslose (Hartz IV macht krank!) oder Einkommensarme/prekär Beschäftigte. Wir möchten in letztlich zumindest fünf ausgewählten Feldern jeweils mindestens zwei vergleichbare Befragungsgruppen bilden, deren TeilnehmerInnen eben in den genannten Lebensmerkmalen oder „Belastungsprofilen“ übereinstimmen.

Wesentliche Ausgangbedingung wäre zudem, dass eine lokal-regionale oder auch betriebliche Verankerung und Kontinuität gegeben sind, dass also diese Befragungs- oder Diskussionsgruppen keine abgehobenen Eintagsfliegen sondern in irgendeiner Weise in bestehende oder weiterlaufende Initiativen eingebettet sind. In den kommenden Wochen muss nun einerseits sondiert werden, wo solche Befragungsgruppen konkret gebildet werden können und wollen. Parallel geht es darum, eine Befragungsmethodik zu entwickeln, die versucht, den verschiedenen und ja durchaus anspruchsvollen Erwartungen an das Befragungsprojekt gerecht zu werden.

Stichwort Empowerment:

Die Befragungsrunden sollen interaktiv sein, die Beteiligten zur Mitgestaltung bewegen, ihr häufig individualisiertes Leiden als kollektive Erfahrung spürbar machen und insofern „Wut und Mut“ erzeugen. Mit dem sog. Gesundheitsmapping, dem Arbeiten mit großen Körperbildern, wo die Beteiligten zunächst ihre Schmerzpunkte selbst plazieren und dann darüber ins Gespräch kommen, wurden bei Beschäftigten in Industriebetrieben sehr gute Erfahrungen gemacht. Es ist noch eine offene und weiterzudiskutierende Frage, inwieweit sich diese Methode auch auf die obengenannten Felder übertragen und somit in unsere Befragungsrunden einbauen ließe. Favorisiert ist jedenfalls ein "Motivational Interviewing", das davon ausgeht, dass die Quelle und Motivation für Veränderungen bei den Betroffenen liegt. Die Menschen sollen ermutigt und unterstützt werden, individuelle und gemeinsame Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Nicht zu vergessen natürlich, dass es auch um Empowerment auf der Seiten der BefragerInnen und damit auch auf der von uns InitiatorInnen geht: den im günstigen Fall aus dem Befragungsprozess resultierenden Aufbau arbeitender, um einzelne aus den befragten Zusammenhängen verstärkter lokaler Strukturen und den zu haltenden und auszubauenden Zusammenhang aller Beteiligten.

Stichwort Cross-Over: Die Befragungsrunden selbst müssen von den spezifischen Bedingungen der TeilnehmerInnen ausgehen und sich insofern zunächst auch auf die Auseinandersetzung mit den jeweiligen sozialen Feldern konzentrieren. Die Frage ist, ob und wie sich nicht nur jeweils in kurzen Einleitungen sondern entweder schon in einem geplanten zweiten Teil (s.u.) der Befragungen zu den anderen parallelen Gesprächssrunden in Beziehung gesetzt wird oder -falls das zu früh und überfordernd erscheint - jedenfalls in einem vorher festgelegten Auswertungstreffen. Denn die Leitfrage unserer Untersuchungen ist ja schließlich, wie die spezifischen Problemlagen in die jeweils anderen sozialen Felder zu überbrücken wären. Jedenfalls muss überlegt werden, wann und wie solche Cross-Over-Momente herzustellen sind und damit der übergreifende GSR-Ansatz auch für alle Beteiligten sichtbar wird.

Stichwort Kampagnengerüst: Neben einem gut geplanten übergreifenden Auswertungstreffen könnten im Kontext der Befragungsrunden auch lokale Treffen oder Versammlungen stattfinden, in denen jeweils TeilnehmerInnen aus den verschiedenen Feldern zusammenkommen und im besten Fall zu gemeinsamen Interpretationen gelangen. Ob das in ein gemeinsames Manifest oder in sonstige dann auch auf Öffentlichkeit zielende Aktivitäten münden kann, läßt sich sicherlich nicht voraussagen oder gar durchplanen. Und wie immer hoffen oder setzen wir auf Eigendynamiken, dass also an den Befragungen Beteiligte oder auch andere in diesem Prozess hinzukommende Leute neue Ideen in Gang setzen. Doch ein gewisses Minimum an Bündelung, Auswertung und auch Dokumentation/Veröffentlichung sollte vorab in den kommenden Monaten mitdiskutiert werden.

Vorschlag für einen ersten Zeitplan

- 2. November 08: Tagestreffen in Frankfurt, um das vorliegende Papier und die zentralen Zielsetzungen, die potentiellen Befragungsgruppen und die vorgeschlagenen Methodiken (die ja nicht überall völlig identisch sein müssen!) in einem erweiterten Kreis zu diskutieren.

- Januar/Februar 2008: Wochenendtreffen zur weiteren Konsolidierung und Konkretisierung der Vorbereitungen. Bis dahin müssten die jeweiligen Befragungsgruppen weitgehend feststehen und die entsprechenden InitiatorInnen/ModeratorInnen zum "gemeinsamen Training" zusammenkommen. Dieses würde - so der bisherige Vorschlag - auch eine Selbstbefragung einschließen, mit der die Vorbereitungsgruppe an sich selbst übt und lernt ...

- Ab 1.3.09 könnten dann die jeweiligen Befragungsrunden starten, wobei ein (zumindest) zweiteiliges bzw. zweistufiges Konzept vorgeschlagen wird. In einer ersten Runde sollte es eher um Kennenlernen und Bestandsaufnahme gehen, in einer Folgerunde dann stärker um die Frage möglicher Kollektivierung und Veränderungen. Eventuell könnte auch ein zusätzlicher Fragebogen, der den Beteiligten mitgegeben wird, die erste und zweite Runde verbinden und zueinander besser vermitteln.

- Rund um den 1. Mai/Euromayday wäre dann entsprechend dieses zeitlichen Vorschlages ein übergreifendes Auswertungstreffen zu planen. Dort sollen zumindest alle InitiatorInnen und ModeratorInnen zusammenkommen. Gezielt eingeladen bzw. angeboten werden soll es aber auch allen an den jeweiligen Befragungen Beteiligten! Was oben unter "Cross Over" und "Kampagnengerüst" skizziert wurde, müsste dann in diesem Treffen auf der Grundlage der Befragungserfahrungen und -ergebnisse weiterentwickelt werden, schließlich war das ganze bis dahin ja immer noch "Pilotphase" ...

Abschließend:

Anspruch und Herausforderung an das Befragungsprojekt sind eine doppelte (und alles andere als neu!).

Wie die völlig unterschiedlich betroffenen Menschen gegen die Vereinzelung, Deperssion und Ohnmacht aktivieren und mobilisieren, wie also läßt sich Selbstorganisierung befördern? Die aktivierende Befragung bzw. militante Untersuchung also zunächst als Mittel in dieser Orientierung. Und dann ja nicht nur punktuell und temporär für sich selbst oder ein bestimmtes Partikularinteresse. Sondern darüberhinaus, eben längerfristig und überbrückend, also auch andere soziale Realitäten und Widerständigkeiten wahrnehmend. Insofern soll oder kann unsere Untersuchung, wie auch bisher der gesamte Diskurs, in erster Linie die verschiedenen Konfliktualitäten miteinander in Kommunikation bringen. Dabei geht es nicht um deren Auflösung, sondern im besten Fall könnte es möglich sein, bei Fortbestehen der Widersprüche so etwas wie ein „gemeinsames Drittes“ zu finden. Das würde grundsätzlich gemeinsame Kämpfe ermöglichen, ohne dass die unterschiedlichen bis trennenden Interessen verleugnet werden und das unmöglich machen.

„Was macht uns krank?“ wäre insofern ein neuer Katalysator, diese Fragen an dem gesellschaftlich immer bedeutender werdenden Thema Gesundheit neu aufzuwerfen bzw. anzugehen: in lokalen bzw. spezifischen Zusammenhängen, aber gleichzeitig mit dem Gesamtkonzept der unterschiedlichen Zugänge im Rücken bzw. mit GSR inhaltlich doch gut und breit genug aufgehängt.