"Sachverständigenrat plädiert für soziales Elend"
Mit scharfer Kritik hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac auf das am heutigen Freitag vorgestellte Kombilohn-Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung reagiert. "Die so genannten Wirtschaftsweisen plädieren für soziales Elend", sagte Werner Rätz vom Attac-Koordinierungskeis. "Profite gehen für sie vor Menschen; die Menschen sollen ihrer Ansicht nach für die Wirtschaft da sein statt umgekehrt."
In dem neuesten Gutachten fordern vier der fünf Mitglieder des Sachverständigenrates, das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent zu senken. Von dieser und weiteren Maßnahmen erhofft sich die Mehrheit des Gremiums rund 350.000 neue Stellen für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose. Der fünfte Sachverständige, Peter Bofinger, hat sich von den Vorschlägen seiner Kollegen distanziert und ein Minderheitsgutachten angekündigt.
"Mit dem nun vorgelegten Mehrheits-Gutachten haben die gebetsmühlenartig geforderten Schikanen gegen Arbeitslose eine neue Qualität erreicht", sagte Werner Rätz. Bereits in seiner jetzigen Form liege der Regelsatz für das Arbeitslosengeld II (Regelsatz von 345 Euro im Monat plus 317 Euro für Miete und Heizung) deutlich unter der von der Europäischen Union für Deutschland definierten Armutsgrenze von 930 Euro netto monatlich. Nach einer Kürzung um 30 Prozent würde der Regelsatz des ALG II auf 241 Euro monatlich sinken. Werner Rätz: "Dieses Gutachten tritt offen für eine Verletzung der sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte ein. Offenbar sollen sie für Arbeitslose in Deutschland nicht gelten."
Auch vom ökonomischen Standpunkt aus seien die Vorschläge absurd: Weitere Kürzungen der Sozialleistungen hätten lediglich einen Rückgang der Binnennachfrage zur Folge. Bereits heute liege die Lohnentwicklung in Deutschland am unteren Ende der OECD-Staaten. Die Überschüsse der deutschen Handelsbilanz würden weltweit Arbeitsplätze zerstören. Werner Rätz: "Damit trägt Deutschland maßgeblich zu einem erhöhten Druck auf die globalen Arbeitsmärkte bei - auf Kosten der Menschen in aller Welt." Selbst der internationale Währungsfonds IWF habe die deutsche Regierung mittlerweile aufgefordert, den Konsum zu stärken.
Bereits seit 20 Jahren fordert der Sachverständigenrat in seinen Gutachten immer wieder eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Lohnsenkungen, den Abbau von Sozialleistungen sowie Steuergeschenke an die Unternehmer. Begründet wird dies stets mit angeblich positiven Effekten auf den Arbeitsmarkt. Der Globalisierungskritiker: "Und seit 20 Jahren kommt nichts dabei heraus, obwohl alle Regierungen den Empfehlungen folgen: Die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen, die Konjunktur hat sich verschlechtert, und das Wirtschaftswachstum geht zurück."
Attac wird gemeinsam mit Gewerkschaften und anderen Gruppen gegen den geplanten Sozialabbau mobilisieren. "Der Regierung steht ein heißer Herbst bevor", kündigte Attac-Pressesprecherin Frauke Distelrath an. Unter anderem sind für den 21. Oktober mehrere Großdemonstrationen geplant, zu denen Attac mit aufrufen wird.
Für Rückfragen:
- Werner Rätz, Attac-Koordinierungskreis, 0163-2423 541
- Frauke Distelrath, Attac-Pressesprecherin, 069-900 281 42