"Party in den Steueroasen kann weitergehen"
Die Beschlüsse der EU-Finanzminister sind beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac auf scharfe Ablehnung gestoßen. Einerseits verzichtet die EU darauf, endlich wirksam gegen Steuerflucht und Steueroasen vorzugehen und damit die Einnahmen zu erhöhen; andererseits verlangen die EU-Finanzminister von Deutschland weitere Einschnitte im Sozialsystem, um die Ausgaben zu verringern.
Der Beschluss zur Zinsbesteuerung löst das Problem der Steuerflucht in Europa nicht. Es ist zunächst erfreulich, dass sich 12 Länder auf ein Verfahren gegenseitigen Informationsaustausches geeinigt haben. Die langen Übergangsfristen mit niedrigen Steuersätzen für Österreich, Luxemburg und Belgien geben aber weiterhin Anreiz zur Steuerflucht. Nicht einmal nach 2010 ist das Problem der Vermeidung von Erbschafts- und Vermögensssteuern gelöst. Völlig unklar bleibt, wie nun endlich der politische Druck auf die Schweiz und die anderen Oasenländer erhöht werden soll. Da die Finanzminister auf den Informationsaustausch zwischen allen EU-Staaten verzichtet haben, wird es nun um so schwieriger, diesen von Nicht-EU-Staaten zu verlangen. Auch das Problem der Steuerflucht durch transnationale Unternehmen und im Bereich von Investmentfonds innerhalb Europs bleibt ungelöst. "Dieser Beschluss lässt die Party in den Steueroasen weitergehen", kommentierte Sven Giegold von der Attac-Arbeitsgruppe "Stoppt Steuerflucht".
Auf dem Treffen der Finanzminister der Europäischen Union wurden die Weichen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik erneut falsch gestellt. Um dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zu genügen, wird Deutschland aufgefordert, weitere Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme vorzunehmen und den Arbeitsmarkt noch stärker zu liberalisieren. Mit diesen Beschlüssen erhält die Bundesregierung neuen Rückenwind für ihre Politik der Liberalisierung und des Sozialabbaus, die mit Namen wie Hartz, Rürup und Riester verbunden ist, kritisiert Anne Karrass von der Attac-EU-AG: "Mit den Hartz-Plänen verschärft sich die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft. Unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse weiten sich aus. Statt die Grundlage für eine humanes und sozial abgesichertes Arbeiten zu legen, verstärkt ein System des 'Heuerns und Feuerns' die bereits vorhandenen Probleme weiter. Die Einschnitte im Gesundheitssystem benachteiligen Kranke und von finanzieller Armut betroffene Menschen ein weiteres Mal."
Statt weiterer Leistungskürzungen fordert Attac die Sanierung der Einnahmenseite durch eine solidarische und paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens, an der alle Einkommen, auch Kapitalerträge, beteiligt werden müssen. Wir lehnen die bereits wieder in die Diskussion gebrachte Ausweitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge ab. Die Absicherung des Altersrisikos darf nicht den Schwankungen der Kapitalmärkte ausgesetzt werden. Attac setzt dem die Forderung eines solidarischen Rentensystems entgegen, das alle Bevölkerungsgruppen am Produktivitätsfortschritt beteiligt.
Mit seinen Forderungen wehrt sich Attac gegen den derzeit laufenden neoliberalen Großangriff auf die sozialen Sicherungssysteme, der durch die Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorangetrieben wird. Attac setzt sich für eine an Beschäftigung und sozialen und ökologischen Interessen orientierte europäische Politik ein, die durch konsequente Heranziehung großer Vermögen und Unternehmenseinkünften zur solidarischen Absicherung der Risiken Erwerbslosigkeit, Alter und Krankheit beiträgt.