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"Krankheit wird zum individuellen Risiko"

Attac kritisiert Regierungserklärung des Kanzlers

Die Reformen im Gesundheitswesen, die Bundeskanzler Gerhard Schröder heute in seiner Regierungserklärung angekündigt hat, leiten nach Ansicht des globalisierungskritischen Netzwerks Attac das Ende des Solidaritätsprinzips ein. "Was als 'Senkung der Lohnnebenkosten' schöngeredet wird, ist nichts anderes als fortgesetzte Umverteilung von unten nach oben", kritisiert Astrid Kraus von der Attac-Arbeitsgruppe "Soziale Sicherungssysteme". Attac setzt sich stattdessen gemeinsam mit Vertretern von Gewerkschaften, Wissenschaftlern und weiteren Organisationen für den Erhalt eines solidarischen Gesundheitssystems ein.

"Das Gerede von mehr Eigenverantwortung und Qualitätswettbewerb ist doch nur eine Umschreibung für Sozialabbau und Entsolidarisierung", sagte Kraus. Das zeige sich deutlich an den Plänen, das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung auszugliedern. Bisher wird Krankengeld, das maximal 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts beträgt, für gesetzlich Versicherte grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gewährt; nur für den Fall der Arbeitsunfähigkeit gibt es Einschränkungen. Der Kanzler hat nun angekündigt, die Vorsorge für Krankengeld solle künftig privat erfolgen. "Die Regierung setzt ihre falsche Privatisierungslogik konsequent fort. Erst hat sie mit der Privatisierung der Rente Alter zum individuellen Risiko gemacht, jetzt ist Krankheit dran", kommentiert Kraus die Regierungspläne.

Attac befürchtet, dass die Hauptleidtragenden dieser Reform sozial schwächere Menschen und chronisch Kranke sind. Als Gewinner stehen Arbeitgeber und Bezieher hoher Einkommen da. Während die Arbeitgeber sich aus ihrer sozialen Verantwortung stehlen und die Kosten für die sozialen Sicherungssysteme einseitig Arbeitnehmern und Patienten aufgebürdet werden, sind Bezieher von Vermögens- und Gewinneinkommen sowie die Bezieher hoher Arbeitseinkommen nicht von den Reformen betroffen. Sie werden mit ihren Einkünften erst gar nicht für die Beitragspflicht in die gesetzlichen Krankenkassen herangezogen.

Für einen fatalen Irrglauben halten die Kritiker auch die in der Rede anklingende Hoffnung, über Privatisierung und Wettbewerb nachhaltigen Kostensenkungen zu erzielen. "Die Kosten für Zahnbehandlung und Unfallversorgung betragen in der GKV 21,4 Milliarden Euro, die von der privaten Versicherungsbranche veranschlagten Beiträge für die Abdeckung der selben Leistungen liegen dagegen bei 33,6 Milliarden Euro – wo bleibt hier die viel gepriesene Effizienz der Privatwirtschaft?“ fragt Arndt Dohmen, Mediziner im Vorstand der IPPNW, Ärzte gegen den Atomkrieg.

Statt Privatisierung und Wettbewerb setzen die Kritiker auf die Reform der Finanzierung. Prof. Dr. Hans-Ulrich Deppe und Dr. Wolfram Burkhardt vom Institut für medizinische Soziologie in Frankfurt stellen dazu fest: "Eine medizinisch sinnvolle Versorgung aller Menschen kann dauerhaft nur durch den Ausbau des solidarischen Gesundheitssystems und die Eindämmung des Wettbewerbs gesichert werden." Die Kritiker setzen sich die Kritiker für die Beibehaltung der paritätischen Finanzierung ein und fordern, langfristig alle Einkunftsarten zur Finanzierung heranzuziehen. Kosten könnten dabei durch die wirksame Regulierung der Monopolstrukturen in der Pharma- und Medizintechnikindustrie gespart werden.

Für Nachfragen: Astrid Kraus, Tel. (0178) 877 2202