Koalition verabschiedet sich von solidarischem Gesundheitssystem
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat mir scharfer Kritik auf die Einigung der Großen Koalition im Streit um die Gesundheitsreform reagiert. "Das ist der Anfang vom Ende der solidarischen Krankenversicherung", sagte Werner Rätz, Sozialexperte und Mitglied im Attac-Koordinierungskreis. Der angebliche Kompromiss gehe einseitig zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen die zusätzlichen Lasten allein aufgehalst würden. Mit dem nur aufgeschobenen, aber nicht aufgegebenen Gesundheitsfonds konnten die Arbeitgeber faktisch ein Einfrieren ihrer Beiträge erreichen. "Bezahlt wird künftig nicht mehr, was medizinisch notwendig ist, sondern was die Arbeitgeber bereit sind mitzubezahlen", folgerte Rätz. Die deutschen Unternehmen verbessern damit ihm zufolge erneut ihre Situation im globalen Standortwettbewerb und erhöhen den Druck auf andere Länder, im Sozialabbau nachzuziehen.
Die beschlossenen Zusatzbeiträge seien der Einstieg in die Kopfpauschale. "Damit ist die Büchse der Pandora geöffnet. Bei der Ein-Prozent-Regelung wird es nicht bleiben", prophezeite Rätz. Der Beschluss von CDU und SPD sieht vor, dass die Krankenkassen von den Versicherten zusätzliche Beiträge verlangen können. Die Obergrenze liegt bei einem Prozent des beitragspflichtigen Einkommens. Bis zu acht Euro sollen allerdings ohne Einkommensprüfung erhoben werden. "Auch darin zeigt sich der wahre Charakter der Gesundreform: Die Schwächeren werden von vornherein systematisch belastet", so der Attac-Sozialexperte.
Profiteure der geplanten Reform sind Rätz zufolge neben den Unternehmen die privaten Krankenkassen, die unangetastet bleiben. Weder ist es gelungen, den Kreis der Beitragszahler für die gesetzliche Krankenversicherung zu verbreitern, noch die Einkommen aller Versicherten in voller Höhe einzubeziehen. Die CDU hat zudem durchgesetzt, dass bei einem Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung keine Altersrückstellungen mitgenommen werden können. "Der Weg in eine weitere Privatisierung der Krankenversicherung wird fortgesetzt", kritisierte Rätz. Das gehe zu Lasten aller, die auf Solidarität angewiesen sind, also der Alten, Kranken und Familien.
"Es gibt in dem ganzen faulen Kompromiss keinen einzigen Schritt in Richtung einer solidarischen Gesundheitsversicherung. Im Gegenteil: Das ist der Einstieg in die Kopfpauschale", sagte Rätz. Die SPD habe für den Erhalt der Großen Koalition den letzten Rest an sozialen Errungenschaften im Gesundheitswesen geopfert.
"Jetzt ist es an den Versicherten, selbst ihren Protest zu artikulieren und für ein solidarisches Gesundheitssystem auf die Straße zu gehen", sagte Werner Rätz. Der DGB ruft für den 21. Oktober zu großen Demonstrationen gegen den Sozialabbau in mehreren Städten auf. Attac beteiligt sich an den Protesten.
Attac fordert eine solidarische Gesundheitsversicherung für alle Menschen. Die Hälfte der Kosten sollen die Unternehmen tragen. Attac tritt dafür ein, die Privatkassen abzuschaffen. In einem ersten Schritt soll die Versicherungspflicht- sowie die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung heraufgesetzt werden.
Für Rückfragen:
- Werner Rätz, Tel. 0163- 2423 541