"Folgenschwerer Demokratieverlust in der Handelspolitik"
Wenn der Entwurf des Europäischen Konvents für eine "EU-Verfassung" in der vorliegenden Form ratifiziert wird, dürften die Parlamente der Mitgliedsstaaten künftig nicht mehr über internationale Handelsverträge wie etwa das umstrittene Diensleistungsabkommen GATS entscheiden. Darauf hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac nach einer Analyse des Vertragsentwurfs hingewiesen, der in diesem Monat vorgestellt worden war. Attac fordert daher Änderungen am Verfassungsentwurf. "Dieser gravierende Demokratieverlust in der europäischen Handelspolitik muss gestoppt werden", sagte Thomas Fritz, WTO-Experte bei Attac. "Wir brauchen mehr Mitbestimmung und nicht weniger."
Bisher müssen die Mitgliedsstaaten Handelsabkommen ratifizieren, die sensible Bereiche wie den Handel mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, Bildung, Soziales und Gesundheitswesen umfassen. Auf dieser Grundlage hatte der Bundestag im März "schwerwiegende Bedenken" gegen das Dienstleistungsabkommen GATS angemeldet und Änderungen verlangt. Das wäre in Zukunft nicht mehr möglich, denn nach dem Willen des Konvents sollen nationale Parlamente über die Aushandlung und Annahme von Handelsverträgen nicht mehr entscheiden dürfen. Damit entfällt die Mitsprache für sämtliche WTO-Verträge (unter anderem GATT, GATS, TRIPS, Agrarabkommen) und eventuelle Neuverträge zu Investitionen, Wettbewerb und Staatsaufträgen.
Attac befürchtet, dass Unternehmen die Politik künfitg noch stärker beeinflussen könnten. Denn die nationalen Wirtschaftsministerien, die die Handelsverträge ausarbeiten, müssten sich nicht mehr vor Parlament und Öffentlichkeit verantworten. "Nicht nur in Deutschland versteht sich das Wirtschaftsministerium als reiner Dienstleister der Industrie", stellt Thomas Fritz fest. "Die Lobbyisten haben künftig freie Bahn." Ins Hintertreffen geraten hingegen andere zivilgesellschaftliche Gruppen wie soziale Bewegungen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, denen die Möglichkeit genommen wird, ihre Position in den Parlamenten ihres Landes einzubringen. Selbst wenn das Europäische Parlament künftig stärker einbezogen werden sollte - diese Frage ist noch nicht eindeutig geklärt - wäre dies kein adäquater Ersatz.
Für Nachfragen:
- Thomas Fritz, Tel. (0160) 9323 1548
Weitere Informationen:
- ausführliche Analyse des EU-Konvents: www.attac.de/gats/hintergrund/eukonventgats
- GATS allgemein: www.attac.de/gats