"Europäisches GATS durch die Hintertür" bedroht Standards im Arbeits-, Umwelt und Verbraucherschutz
Zum Abschluss der Konferenz "Europa von unten" haben Vertreter des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und der Gewerkschaft ver.di den Entwurf für eine EU-Richtlinie zum Dienstleistungsbinnenmarkt scharf kritisiert. Der Vorschlag aus dem Haus des EU-Binnenmarkt- Kommissars Frits Bolkestein sieht die nahezu vollständige Beseitigung staatlicher Vorschriften für Dienstleistungsunternehmen vor. Diese sollen künftig nur noch den Auflagen ihres Herkunftslandes unterliegen, Kontrollen im Tätigkeitsland würden gänzlich unterbunden.
"Dieses Prinzip führt zu einer gefährlichen Abwärtsspirale bei der Unternehmensaufsicht in der Europäischen Union", kritisierte Thomas Fritz, Handelsexperte von Attac. "Künftig könnte sich jedes Unternehmen lästiger inländischer Auflagen entledigen, indem es seinen Sitz verlagert oder einfach eine Briefkasten-Firma im europäischen Ausland gründet. Auch Ortrun Gauper, Referatsleiterin für europäische Wirtschaftspolitik beim ver.di-Bundesvorstand, warnte vor den Auswirkungen: "Örtliche Tarifverträge und nationale Standards beim Arbeits-, Umwelt- oder Verbraucherschutz würden effektiv unterlaufen." Die Behörden des Herkunftslands hätten faktisch weder die Möglichkeit noch ein ernsthaftes Interesse, die Auslandsaktivitäten ihrer Unternehmen zu überprüfen, insbesondere bei der Entsendung von ArbeitnehmerInnen.
Der Brüsseler Richtlinien-Vorschlag betrifft weit über die Hälfte der europäischen Wirtschaftstätigkeit. Er erfasst eine Vielzahl von Dienstleistungsbranchen, darunter das Baugewerbe, Sicherheitsdienste, Personalagenturen, Pflege- und soziale Dienste sowie erstmals auch das Gesundheitswesen. Öffentliche Dienste im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich könnten ebenfalls betroffen sein, sofern sie nicht kostenlos angeboten werden. "Da zahlreiche öffentliche Einrichtungen Gebühren erheben, bekäme die EU-Kommission mit dem Entgeltkriterium den entscheidenden Hebel für die Deregulierung weiter Bereiche der Daseinsvorsorge an die Hand", warnt Thomas Fritz. "Dieses europäische GATS durch die Hintertür muss gestoppt werden."
Bei der Konferenz "Europa von unten", die vom 4. bis 6. Juni in Berlin stattgefunden hat, haben VertreterInnen aus Gewerkschaften, globalisierungskritischer, Friedens- und Umweltbewegung teilgenommen. Ziel war es, durch Austausch, Vernetzung und Neugründung an Arbeitszusammenhängen an einem anderen, sozialen, nachhaltigen und friedlichen Europa zu arbeiten.
Weitere Informationen:
- Kurzinfo der EU-Kommission (pdf)
- Entwurf der Binnenmarktrichtlinie (pdf)
- Informationen zur Konferenz: www.europa-von-unten.org
Für Nachfragen:
- Thomas Fritz, Attac, Tel: 0160-93231548
- Ortrun Gauper, ver.di, 0160-90749896
- Stephan Lindner, Organisator "Europa von unten", Tel: 0179-8659396