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Erbschaftssteuerreform ist Hohn für Millionen arme Menschen

Pressemitteilung des Tax Justice Network

Tax Justice Network, Internationales Netzwerk für Steuergerechtigkeit
Pressemitteilung


Scharf kritisiert das Netzwerk für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network / TJN)) in Deutschland den Erbschaftsteuerkompromiss, auf den sich die Koalitionsfraktionen gestern Abend geeinigt haben. Er verschone wieder einmal die Reichen und Reichsten in unserer Gesellschaft und entlasse sie aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Angesichts des Milliarden-Pakets zur Rettung der Banken offenbare dies die soziale Ignoranz der Regierungsparteien.


"Wenn schon das staatliche 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket unvermeidlich war, um den totalen Absturz in die anrollende Wirtschaftskrise zu vermeiden, hätte doch von verantwortungsvollen Politikern erwartet werden können, dass sie die Chance nutzen, von den Reichsten unserer Gesellschaft einen besonderen Solidarbeitrag abzufordern.  Stattdessen wird die Auflage des Bundesverfassungsgerichts, auch Vermögen im Erbschaftsfall für die Steuer realistisch zu bewerten, durch überaus großzüge Freibeträge und Sonderregelungen umgangen", sagte  Detlev v. Larcher.


Bei einer korrekten Erfassung aller Vermögensarten wäre der Gesamtwert des vererbten Vermögens doppelt so hoch wie bisher. Zusätzlich würden mehr Erbfälle steuerpflichtig werden. Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer würden sich von heute vier auf acht Milliarden Euro erhöhen.
Aber die große Koalition stellt einen großen Teil der Erben von großen Millionen- und Milliardenvermögen von der Erbschaftsteuer weitgehend frei. Eine solche Reform ist nach Ansicht des Netzwerkes für Steuergerechtigkeit  ein Hohn für die Einkommensteuerzahler und erst recht für die Millionen von armen Menschen.

Das Netzwerk fordert stattdessen, große Erbschaften, auch von Betriebsvermögen, wesentlich höher als bisher zu besteuern, auch um einen kleinen Beitrag gegen die fortschreitende Polarisierung der Vermögensverteilung zu leisten. Die bisherigen Freibeträge reichten aus, um eine steuerfreie Vererbung normalen selbstgenutzten Wohneigentums an Ehegatten, Kinder oder Enkel zu ermöglichen.

Auch eine Begünstigung des Betriebsvermögens wird abgelehnt. Um Arbeitsplätze zu sichern sei sie nicht notwendig. Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass die Erbschaftsteuer Betriebsübergänge an die folgende Generation behindere und Arbeitsplätze gekostet hätte. Die geltenden Freibeträge reichten aus, um Kleinbetriebe an enge Verwandte steuerfrei vererben zu können. Zusätzlich sollten die bestehenden Möglichkeiten zur bis zu zehnjährigen Stundung der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen beibehalten und nötigenfalls noch erweitert werden, wenn dies zur Erhaltung des Betriebs nachgewiesen notwendig sei.

Die Frist für die Anrechnung von Schenkungen auf Erbschaften müsse von bisher zehn auf mindestens 15 Jahre erhöht werden. Möglichkeiten der Umgehung der Erbschaftsteuer durch Übertragung von Vermögen auf Stiftungen seien zu beseitigen. Im Tarif müsse die Progression verstärkt werden, so dass die maximalen Steuersätze (30/40/50 Prozent je nach Verwandtschaftsgrad) bereits bei Erbschaften ab zehn Millionen Euro erreicht würden und nicht erst wie bisher bei mehr als 25 Millionen Euro. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer sei damit auf etwa zehn Milliarden Euro zu steigern.

"Unser Netzwerk weist schon seit vielen Jahren auf die immer mehr wachsende ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen hin, die schließlich die Hauptursache der gegenwärtigen Finanzmarktkrise ist, und fordert, diese durch gute Steuergesetze allmählich abzubauen. Die Einnahmen aus den vermögensbezogenen Steuern – dazu zählen insbesondere Grund-, Vermögen-, Erbschaftsteuern  - betragen in Deutschland gerade einmal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist weniger als die Hälfte des OECD-Durchschnitts. Diese Bevorzugung der Reichsten können wir uns nicht leisten", stellte Detlev v. Larcher klar.

Dem Netzwerk für Steuergerechtigkeit in Deutschland gehören an: Gewerkschaften, kirchliche Gruppen, Nichtregierungsorganisationen und Attac.


Für Rückfragen:

  • Detlev von Larcher, Tel. (0160) 9370 8007