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Ein Jahr Blockade bei Impfstoff-Patenten: Profite explodieren, Menschen sterben

Attac fordert Bundesregierung auf, endlich Patentfreigabe in der WTO zu unterstützen

Vor gut einem Jahr haben Indien und Südafrika in der Welthandelsorganisation (WTO) erstmals den Antrag auf Freigabe von Patenten zur Eindämmung und Behandlung von Covid-19 gestellt. (1) Diese Freigabe („TRIPS-Waiver“) würde es ermöglichen, die Produktion lebenswichtiger Covid19-Impfstoffe sowie von Tests, Medikamenten und Schutzausrüstung rasch auszubauen. (2)

Der Antrag wird mittlerweile von mehr als 100 Staaten inklusive den USA und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt. Zu den letzten Blockierern des TRIPS-Waiver zählen Großbritannien, die Schweiz sowie die EU inklusive Deutschland.

"Es ist höchste Zeit, dass sich die deutsche Regierung auf die richtige Seite der Geschichte stellt und die Freigabe von Patenten unterstützt. Seit dem 2. Oktober 2020 sind durchschnittlich 10.000 Menschen weltweit täglich an Covid-19 gestorben. (3) Diese fürchterliche Zahl könnte bei einer gerechteren globalen Impfstoffproduktion- und verteilung viel geringer sein", sagt Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.

Patentrechte verlängern die Pandemie unnötig

Weltweit gibt es ungenutzte Produktionskapazitäten für Covid-Impfstoffe. Zahlreiche Hersteller könnten produzieren, erhalten aber keine Lizenzen. (4) Die durch die Patentrechte gedeckten Monopole der Konzerne führen zu einer künstlichen Verknappung und überteuerten Preisen. Daher haben zu wenige Menschen weltweit Zugang zu Covid-Impfungen. So sind nur etwa drei Prozent der afrikanischen Bevölkerung vollständig geimpft. Dadurch entstehen immer wieder gefährliche Mutationen des Virus. Patentrechte verlängern die Pandemie unnötig.

Milliardengewinne dank öffentlicher Forschung

Die Patentrechte kosten nicht nur Menschenleben. Sie sichern auch die Rekordprofite der Pharmakonzerne. Eine Analyse kommt zum Schluss, dass Pfizer/BionTech und Moderna bisher über 90 Prozent ihrer Impfstoffe an reiche Länder verkauft und dafür das bis zu 24-fache der potenziellen Produktionskosten verlangt haben. BionTech meldet allein im 2. Quartal 2021 einen Rekordgewinn von 2,8 Milliarden Euro. In Summe brachte das erste Halbjahr 2021 Biontech schon knapp vier Milliarden Euro Profit. Dabei wurde die Entwicklung des Biontech-Impfstoffes zu fast 100 Prozent öffentlich finanziert. Doch Biontech will die EU-Preise für den Impfstoff noch einmal um 25 Prozent erhöhen - von 15,50 auf 19,50 Euro. Und das bei Herstellungskosten von rund einem Euro je Dosis.

Roland Süß: „Es ist eine Schande, dass Menschen sterben oder krank bleiben, weil sie nicht ausreichend mit Medikamenten oder Impfungen versorgt werden, während die Profite der Pharmakonzerne explodieren.“

Attac engagiert sich im Bündnis #makethemsign, einem Zusammenschluss aus zivilgesellschaftlichen Akteuren und politischen Initiativen, für den sogenannten Waiver. Die Kampagne #makethemsign fordert die Aufhebung des Schutzes von geistigen Eigentumsrechten auf Impfstoffe, Medikamente und andere medizinische Güter zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie.

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(1) Konkret haben Südafrika und Indien einen Antrag mit dem Titel „Verzicht auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19“ vorgelegt. Mit diesem Antrag, dem sogenannten „TRIPS-Waiver“, sollen verschiedene Arten geistiger Eigentumsrechte (Patente und Geschäftsgeheimnisse auf Gesundheitsgüter und -technologien mit Covid-Bezug) für mindestens drei Jahre ausgesetzt werden. Die Entscheidung, die geistigen Eigentumsrechte im eigenen Land auszusetzen oder nicht, würde den WTO-Mitgliedern überlassen bleiben. Der TRIPS-Waiver würde die Grundlage dafür schaffen, indem er die sonst üblichen Sanktionen aussetzt.

(2) Ausführliche Argumente und Begründungen wie der TRIPS-Waiver wesentliche Hindernisse auf dem Weg zur Pandemiebekämpfung aus dem Weg räumen würde, finden Sie in diesem Briefing.

(3) Offiziell belief sich die Zahl der Todesfälle im letzten Jahr auf 3,69 Millionen, obwohl Expert*innen von einer weitaus höheren Zahl ausgehen.

(4) Länder wie Indien und China produzieren seit Jahrzehnten einen Großteil unserer Medikamente und exportieren sie. Auch Impfstoffe werden in Ländern des Globalen Südens hergestellt. Das Serum Institut in Indien ist der größte Impfstoffhersteller weltweit. Das Developing Countries Vaccine Manufacturers Network (DCVMN) hat 41 Mitglieder in 14 Ländern und produziert zahlreiche Impfstoffe. Auch die komplexere mRNA-Technologie kann in Ländern des Globalen Südens produziert werden, wie das indische Pharmaunternehmen Gennova zeigt. Im August 2021 begann es klinische Tests zu einem gemeinsam mit dem US-Unternehmen IDT Biotech entwickelten mRNA-Impfstoff. Außerdem haben 19 Impfstoffproduzenten in über 12 Ländern aus Asien, Lateinamerika und Afrika ihr Interesse bekundet, mRNA Impfungen herzustellen. Zudem haben bereits mehrere Unternehmen angeboten, die bereits zugelassenen Covid-Impfstoffe zu produzieren. Darunter war zum Beispiel die Firma Incepta in Bangladesch, die angab, bis zu 800 Millionen Impfdosen im Jahr produzieren zu können. Diese Unternehmen bekamen jedoch keine freiwilligen Lizenzen von den Pharmamultis. Solche "freiwilligen Lizenzen" sind also keine Lösung, da die Firmen sie nur hergeben, wenn sie sich ausreichend Profite erwarten.

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Für Rückfragen und Interviews:

  •     Roland Süß, Attac-Koordinierungskreis, Tel.  0175 2725 893

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