"Dienste ohne Grenzen? GATS, Privatisierung und die Folgen für Frauen"
Pressemitteilung vom FrauenNetzAttac
Das FrauenNetzAttac (FNA) organisiert einen internationalen Kongress zu dem Thema: "Dienste ohne Grenzen? GATS, Privatisierungen und die Folgen für Frauen." Er findet statt vom 9. bis 11 Mai in der Fachhochschule Köln, Mainzerstrasse 5.
Dieser Kongress ist Teil der allgemeinen Aufklärungs- und Widerstandskampagne von Attac Deutschland: Stoppt GATS! Auf diesem Kongress werden international bekannte Wissenschaftlerinnen und Autorinnen über die Gefahren des GATS sprechen, vor allem in Bezug auf die Privatisierung von Wasser, Gesundheit, Bildung und sozialen Diensten, unter anderem Vandana Shiva (Indien), Maude Barlow (Kanada), Helena Norberg Hodge (England), Claudia v. Werlhof (Österreich).
Das FrauenNetzAttac teilt die Kritik der internationalen Protestbewegung gegen WTO, GATS und die neoliberale Privatisierungspolitik. Wichtige Punkte dieser allgemeinen Kritik am GATS, dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleitungen, sind:
- GATS unterminiert die Grundlagen unserer Demokratie. Alle Verhandlungen werden bis jetzt hinter verschlossenen Türen geführt. Die Folgen für die einzelnen und die Gemeinwesen sind unbekannt.
- GATS bedroht wesentliche Grundprinzipien unserer Gesellschaft, etwa die grundsätzlich garantierte Gemeindeautonomie, die Gemeinwohlorientierung, das Solidarprinzip und den Sozialstaat. Die öffentliche Daseinsvorsorge wird den Prinzipen der Gewinnmaximierung geopfert. Das heißt, öffentliche Dienste wie Wasserver- und -entsorgung, Krankenhäuser, Schulen, Museen, Kultur werden wie Autos und Kühlschränke auf dem internationalen Markt meistbietend angeboten, verleast oder verkauft. Öffentliche Monopole werden durch private ersetzt (vgl. Bahn AG).
Liberalisierte und privatisierte Dienstleistungen werden oft teurer und sind von schlechterer Qualität (siehe England). Lokale Klein- und Mittelbetriebe werden wegkonkurriert Arbeitsplätze werden abgebaut. Die verbleibenden Arbeitskräfte sind mehr Leistungsdruck, Arbeitshetze, ständiger Angst vor Kündigung und Mobbing ausgesetzt. Die öffentliche und private Verarmung wird ansteigen und die Kluft zwischen den Gewinnern und Verlieren dieser Prozesse wird sich dramatisch erweitern.
Bis zum 31. März 2002 sollten die Mitgliedsländer der WTO die Dienstleistungsbereiche bei der WTO anmelden, die sie in Zukunft im Rahmen des GATS auf dem Weltmarkt anbieten werden. Pascal Lamy, der Außenhandelskommissar der EU, der die GATS- Verhandlungen für die EU-Länder führt, beteuert zwar, dass Wasser, Gesundheit und Bildung nicht zur Verhandlungsmasse der EU gehörten. Tatsächlich besteht in diesen Bereichen bereits eine Konkurrenz zwischen öffentlichen und privaten Anbietern, und GATS wird sie forcieren. Hier soll lediglich eine alarmierte Öffentlichkeit beruhigt werden. Aus diesem Grund werden Wasser, Gesundheit, Bildung und soziale Dienste im Zentrum unseres Kongresses stehen.
Warum ein Kongress für Frauen?
Die Folgen von GATS und Privatisierungspolitik werden zwar alle tragen müssen. Doch Frauen sind von dieser Politik stärker als andere betroffen. Sie stellen die Mehrzahl aller Dienstleistenden in der Welt. Ob als Lehrerinnen oder als Krankenschwestern, als Sozialarbeiterinnen oder Hausangestellte, ob als Bürokräfte, als unbezahlte Hausfrauen oder im informellen Sektor im Süden, im Osten und im Norden.
80 Prozent der Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor in der EU sind weiblichen Geschlechts. Viele arbeiten im öffentlichen Sektor, der nun liberalisiert, privatisiert und globalisiert wird. Dies wird bedeuten, dass geringqualifizierte Frauen zuerst entlassen werden, dass feste Arbeitsplätze in Teilzeit- und Billiglohnjobs verwandelt werden, dass Arbeitsschutzgesetze aufgeweicht werden (beispielsweise wurde die ILO-Konvention zum Schutz von schwangeren Frauen vor Entlassungen auf Druck der Konzerne schon im Juni 2000 "flexibilisiert"). Zudem werden staatliche Leistungen reduziert werden. Im Schul- und Krankenhauswesen wird sich ein Zwei-Klassen-System entwickeln: schlecht ausgestattete öffentliche Einrichtungen und teure, hochwertige private, die sich nur die leisten können, die genügend Geld haben.
Die zunehmende Verarmung vieler Frauen ist vorprogrammiert. Und sie sind es gerade, die auf erschwingliche, öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind. GATS wird die unbezahlte Arbeit von Frauen erhöhen und die soziale Polarisierung vertiefen, im Norden wie im Süden und Osten. Frauen aus Ländern des Südens haben diese Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen schon lange als Folge der Strukturanpassungsprogramme (SAP) von Weltbank und IWF er- fahren müssen.
Frauen sind aber nicht nur die passiven Opfer dieser neoliberalen Politik. Überall, besonders im Süden, haben sie kreative Widerstandsformen entwickelt, in denen schon die Konturen einer anderen Ökonomie und Gesellschaft sichtbar werden. Doch auch in Ländern wie Österreich und Kanada sind sie aktiv in Bewegungen, die GATS-freie Städte fordern.
Was soll mit dem Kongress erreicht werden?
Hauptziel ist die Aufklärung über die sozialen, ökonomischen und politischen Folgen von GATS und Privatisierungspolitik für Frauen. Dabei soll die Möglichkeit bestehen, von den Erfahrungen von Frauen aus verschiedenen Ländern, vor allem aus dem Süden zu lernen.
- Betroffene werden von ihren Erfahrungen berichten.
- Der Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge (Wasser, Gesundheit, Bildung, Soziale Dienste) wird unter die Lupe genommen.
Wir fordern ein sofortiges Verbot der Cross-Border-Leasing- Geschäfte. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss unter der Kontrolle der demokratisch legitimierten Öffentlichen Hand bleiben. Das heißt, Wasser, Bildung, Gesundheit, Energie und soziale Dienste müssen raus aus GATS!
- Die Folgen von WTO/GATS auf der globalen Ebene werden analysiert und kritisiert.
Der Handel mit Dienstleistungen ist etwas anderes als der Handel mit Computern und Handys. Keine Dienstleistung ist möglich ohne Menschen. Darum ist der globale Handel mit Dienstleistungen im Prinzip ein Handel mit Menschen, ein Handel mit ihrem Leben. Wir Frauen werden diesen neuen "Menschenhandel" nicht zulassen! - Widerstandsmöglichkeiten, Alternativen und konkrete Aktionsmöglichkeiten werden geplant. Wir werden uns lokal, national und international weiter vernetzen.
GATS ist kein unabwendbares Schicksal. Es kann gestoppt werden, wie das MAI gestoppt wurde.
Eine andere Welt ist notwendig und möglich.
Wir Frauen werden für sie kämpfen.
Weitere Informationen:
- zum Kongress (Programm, Anfahrt etc.):
- zum GATS.
Verantwortlich: Maria Mies, FrauenNetzAttac, Tel. 0221/135249