Demokratie in den Internationalen Währungsfonds tragen
Die auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Singapur debattierte Verwaltungsreform des Fonds stößt bei dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac und der entwicklungspolitischen Organisation BLUE21 auf Kritik. "Die angestrebten Veränderungen sind zu offensichtlich darauf angelegt, den Forderungen nach einer grundlegenden Demokratisierung des IWF den Wind aus den Segeln zu nehmen und die bisherige Machtverteilung zu zementieren", sagte Philipp Temme, Autor eines BLUE 21-Papiers über die Krise des IWF. Die geplante Quotenerhöhung für die im Fonds besonders unterrepräsentierten Länder China, Südkorea, Mexiko und die Türkei sei mit gemischten Gefühlen zu sehen. Das Vorhaben diene weder einer echten Demokratisierung des IWF noch den Entwicklungsländern.
Anlass für die beabsichtigte Reform ist die Legitimations- und Finanzkrise des IWF. Mit Ländern wie Brasilien und Indonesien kommen ihm die wichtigsten Kunden und damit Einnahmequellen abhanden. Deshalb steht in Singapur eine Umstrukturierung des angeschlagenen Fonds ganz oben auf der Tagesordnung: Der IWF will nun den Schwellenländern entsprechend ihrer gewachsenen ökonomischen Rolle mehr Stimmrechte als bisher einräumen.
Das reicht nach Ansicht von Attac und BLUE21 bei Weitem nicht: Wollte der IWF ernsthaft demokratischer werden, könnten beispielsweise doppelte Mehrheiten eingeführt werden, wie sie bei der Globalen Umweltfazilität (GEF), die von der Weltbank mit verwaltet wird, schon seit 1991 erfolgreich praktiziert werden. Dort können Beschlüsse nur verabschiedet werden, wenn sowohl die Mehrheit der Industrie- als auch der Entwicklungsländer zustimmt. "Damit könnten die Entwicklungsländer wenigstens mitbestimmen über die IWF-Politik, die sie ja am meisten betrifft", erklärte Martin Hoffmann von Attac.
Attac und BLUE21 wenden sich zugleich gegen Versuche des IWF, sich eine neue Rolle als entwicklungspolitischer Berater zu schaffen. "IWF raus aus der Entwicklungspolitik", forderte Hoffmann. "Der Fonds verfügt über keine geeigneten Ansätze und Instrumente. Davon können gerade seine ärmsten Mitglieder in Afrika ein Lied singen." Dass sich jetzt immer mehr Entwicklungsländer vom Fonds unabhängig machen, sei ein Beleg für ihre enorme Unzufriedenheit mit dessen Politik.
Attac und BLUE21 fordern deshalb die in Singapur versammelten Finanzminister und Notenbankchefs auf, den IWF zu seinen ursprünglichen Aufgaben zurückzuführen: kurzfristige Hilfe bei Zahlungsbilanzproblemen und Stabilisierung des währungspolitischen Umfelds. Zugleich muss eine Abkehr von der stur marktliberalen Ausrichtung stattfinden, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Länder nicht entspricht. "Der IWF hat inzwischen selbst erkannt, dass er ein Legitimationsproblem hat. Die Zivilgesellschaft muss jetzt auf einer grundlegenden Neuorientierung statt symbolischer Reförmchen bestehen", sagte Temme.
Mit einer Aktion vor dem Bundeskanzleramt in Berlin haben Attac und BLUE21 am heutigen Freitag ihren Forderungen Nachdruck verliehen: Aktivisten befreiten eine Weltkugel von einem schweren Gewicht namens IWF, so dass sich der Globus zu einem gesunden Rund zurückentwickeln konnte. Die beiden Organisationen möchten damit auch auf die Verantwortung der Bundesregierung während der deutschen G8-Präsidentschaft im kommenden Jahr hinweisen. Die Aktion fand im Rahmen der "Globalen Aktionswoche gegen die internationalen Finanzinstitutionen" statt.
BLUE-Papier über die Krise des IWF im Internet: http://www.blue21.de/PDF/Krise_IWF_Temme_2006.pdf
Für Rückfragen:
- Philipp Temme: 0163 / 851 01 94