"Bundesregierung Totengräber der WTO"
Attac begrüßt, dass Entwicklungsländer sich auch gestern nicht von Deutschland und der EU bei der Welthandelsorganisation über den Tisch ziehen ließen. Ursprünglich sollte am Montag die mit dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz im September in Cancún zum Stillstand gekommene Handelsrunde wiederbelebt werden.
WTO-Chef Supachai und der Vorsitzende des Allgemeinen Rats Pérez del Castillo mussten aber einräumen, dass man noch nicht so weit sei. Es fehle den 148 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation an der Bereitschaft, die notwendigen Kompromisse zur Fortsetzung der sogenannten "Doha Runde" einzugehen. "Bundesregierung und EU-Kommission haben nichts aus dem Scheitern von Cancún gelernt", kritisiert Thomas Fritz, Koordinator der WTO-Kampagne von Attac Deutschland. Das erst vor wenigen Tagen vom EU-Ministerrat angenommene Strategiepapier zur Wiederbelebung der Doha-Runde hat nichts in Sachen Abbau der Agrarsubventionen zu bieten, hält im Gegenzug aber weiterhin an den von Entwicklungsländern bekämpften "Singapur-Themen" fest. Dahinter verbirgt sich ein Wunschzettel des BDI und anderer Lobbyverbände, die WTO-Abkommen zum Investitionsrecht, zur Zerschlagung öffentlicher Monopole und zur weltweiten Ausschreibung von Staatsaufträgen fordern. Mit dem Strategiepapier modifiziert die EU lediglich ihren Ansatz, in dem sie über die Singapur-Themen zunächst mit einer kleineren Koalition williger Staaten verhandeln will. Vor allem die kompromisslose Haltung Deutsch- lands in dieser Frage war Auslöser des Abbruchs der Konferenz von Cancún. "Rhetorisch verteidigen Bundesregierung und EU den Multilateralismus der WTO, faktisch sind sie seine effektivsten Totengräber", resümiert Thomas Fritz. Zwar liefert der mögliche Niedergang der WTO keinen Grund zur Trauer, problematisch ist aber, dass es an jeglicher überzeugender Initiative für ein gerechtes Welthandelssystem mangelt.
Die wenigen gutgemeinten Ansätze - zum Beispiel der rot-grüne Bundestagsantrag zur Cancún-Konferenz vom Juli dieses Jahres - zerschellen derzeit an der neoliberalen Trutzburg des Clementschen Wirtschaftsministeriums. So ignoriert Clements Behörde beharrlich die Forderung der Abgeordneten, auf die Singapur-Themen zu verzichten, solange keine Zugeständnisse an Entwicklungsländer gemacht wurden. "Wir haben es in der Handelspolitik längst mit einer Diktatur der Ministerialbürokratie in Berlin und Brüssel zu tun", so Fritz. "Solange Abgeordnete der undemokratischen Machtausübung des Wirtschaftsministeriums nichts entgegensetzen, wird die derzeitige Atempause bei den Handelsgesprächen ungenutzt verstreichen."
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Thomas Fritz 0160-93231548