Ausgerechnet die Brüsseler Ober-Lobbyistin (u.a. für Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) fordert mehr Transparenz von NGOs
Attac Deutschland hat die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin wegen ihrer Tätigkeit als Lobbyistin und gleichzeitiger Kritik an NGOs als scheinheilig kritisiert. "Während sie anderen Wasser predigt, trinkt sie selbst Champagner", sagte Attac-Sprecher Malte Kreutzfeldt. So lädt Koch-Mehrin am morgigen Mittwoch, 30. November 2005, zu einer Veranstaltung der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) unter dem Motto "Was ist sozial?" in Brüssel ein. Als offizielle Unterstützerin der von den Metall-Arbeitgebern finanzierten Lobby-Gruppe INSM hält sie dabei eine Rede mit dem Titel "Sozial ist, was den Reformstau sichtbar macht!" (vergl. Einladung).
Die INSM ist in der letzten Zeit immer stärker in die Kritik geraten: So stellt sich die Lobby-Organisation, die jährlich mit 9 Millionen Euro von den Metall-Arbeitgebern finanziert wird, in Anzeigen gern als "überparteiliche Reformbewegung von Bürgern, Unternehmen und Verbänden" dar, vermischt in Medien-Kooperationen regelmäßig die Grenzen von Journalismus und PR und übt Druck auf kritische Journalisten aus (vergl. Artikel im Freitag). Für besonderes Aufsehen sorgte die illegale Schleichwerbung, mit der die INSM neoliberale Thesen in der ARD-Serie "Marienhof" platzierte (vergl. epd-Meldung und ausfürliche Anlayse von LobbyControl).
Mit Lobbyismus kennt sich Silvana Koch-Mehrin auch ansonsten gut aus: Vor ihrer Wahl ins Europaparlament arbeitete sie als hauptberufliche Lobbyistin, zunächst für ihre eigene Firma "Conseillé & Partners", später als Partnerin der Agentur "Policy Action Ltd.". Beim Nominierungsparteitag der FDP weigerte sie sich, eine Erklärung zu unterzeichnen, dass sie als Abgeordnete auf Lobby-Aufträge aus der Wirtschaft verzichten wird.
Im Oktober dieses Jahres hat ausgerechnet Koch-Mehrin nun in einem offenen Brief eine scharfe Attacke gegen kritische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gefahren und von ihnen "mehr finanzielle Transparenz" gefordert. Unter anderem erwähnte sie dabei das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Berliner NGO Weed und forderte, dass Organisationen, die die EU-Politik kritisieren, keine Gelder von der EU erhalten sollten (was Attac Deutschland im übrigen auch nicht tut). "Mit ihrer Zensur-Drohung gegen kritische Organisationen zeigt Koch-Mehrin ein zweifelhaftes Demokratieverständnis", sagte Kreutzfeldt. "Und wenn ausgerechnet die Ober-Lobbyistin Koch-Mehrin jetzt Transparenz fordert, will sie offenbar nur von ihren eigenen Aktivitäten ablenken. Schließlich hat sie keine Skrupel, sich für die INSM einzusetzen, die mit intransparenten und illegalen Mitteln arbeitet."