Attac kritisiert deutsches Lohn- und Sozialdumping angesichts des VW-Streiks in Belgien
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac erklärt sich mit den streikenden Beschäftigten im belgischen Volkswagen-Werk Forest solidarisch. Nachdem der Volkswagen-Vorstand im Oktober den deutschen Beschäftigten eine deutliche Stundenlohnkürzung abgerungen und anschließend die Produktion in Belgien massiv reduzierte hatte, haben die belgischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Samstag zu einer Massenkundgebung aufgerufen. "Die fallenden Löhne in Deutschland haben aufgrund einer gesetzlichen Lohnbegrenzung schon in den letzten beiden Jahren zu stagnierenden oder sinkenden Reallöhnen in Belgien geführt. Wir haben angesichts der zu erwartenden Schließung des größten privaten Arbeitgebers in Brüssel für die Wut der Betroffenen vollstes Verständnis. Die belgischen ArbeitnehmerInnen sind jedoch in erster Linie Opfer einer völlig verfehlten und verantwortungslosen Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland", erklärte Gerold Schwarz, Sprecher der Europa-AG von Attac.
Seit vielen Jahren drücken Regierung und Unternehmen in Deutschland durch Lohnsenkungen und zunehmenden Sozialabbau die Arbeitsstandards in ganz Europa. Damit erzielen sie über das Niederkonkurrieren der europäischen Wettbewerber einen historisch beispiellosen Handelsüberschuss, erklärte Schwarz weiter. Da die bedeutendsten europäischen Handelspartner an den Euro gebunden sind, können sie sich dadurch nicht mehr durch Währungsabwertungen gegen die deutsche Dumpingstrategie wehren. Der EU-Handel trägt deshalb schon zu zwei Drittel zum deutschen Handelsüberschuss bei. Angesichts der Beschäftigungsverluste und Arbeitsplatzverlagerungen, die hierdurch sowie durch die Auszehrung des deutschen Binnenmarkts in ganz Europa verursacht würden, sei die deutsche Sozial- und Wirtschaftspolitik laut Attac schon lange keine innere Angelegenheit Deutschlands mehr. "Daher rufen wir die Bundesregierung auf, sich für die von anderen Regierungen immer wieder geforderte europäische Sozialharmonisierung einzusetzen. So können etwa über verbindliche Sozialkorridore den leeren Worthülsen vom »Erhalt des europäischen Sozialmodells« endlich Taten folgen. ", forderte Sven Giegold vom Attac-Koordinierungskreis.
Die GlobalisierungskritikerInnen erwarten von der Bundesregierung, die Forderung des Europarates zu erfüllen und das deutsche Streikrecht endlich an europäische Standards anzugleichen. Im Gegenzug fordern sie von den deutschen Gewerkschaften, sich zukünftig verstärkt auf die Herstellung effektiver europäischer Handlungsfähigkeit zu konzentrieren. Wie die jüngsten Auseinandersetzungen bei Volkswagen oder im öffentlichen Dienst sowie bei den Hafenarbeitern belegen, wären die deutschen Gewerkschaft dadurch überhaupt erst wieder in die Lage versetzt, Arbeitnehmerinteressen effektiv zu vertreten. Sie müssten sich nicht weiterhin der dreisten einseitigen Tarifaufkündigung seitens der Arbeitgeber beugen. "Wer die sozialen Rechte der Menschen in Deutschland, in Belgien oder andernorts weiterhin so missachtet wie Regierung und Arbeitgeber in Deutschland, der legt die Lunte an die europäische Einigung. Die Verantwortlichen brauchen sich über zunehmende Europaskepsis nicht zu wundern", mahnte Giegold.
Für Rückfragen:
* Gerold Schwarz, 0179-9899826
* Sven Giegold, 0163-5957590