Attac: Bundesregierung sagt die Unwahrheit
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat der Bundesregierung vorgeworfen, in ihrer derzeitigen "Aufklärungskampagne" unzutreffende Aussagen zu verbreiten, indem sie behaupte, Hartz IV führe nicht zu Armut. Das Bundespresseamt hatte unter der Überschrift "Fakt ist..." erklärt, "Kein Hilfebedürftiger wird verarmen" (Pressemitteilung Nr. 421); der Bundesaußenminister ließ sich im Tagesspiegel mit der Aussage zitieren, "Hartz IV führt nicht zur Armut" (26.8.04). "Wenn die Regierung behauptet, Hartz IV führe nicht zur Armut, sagt sie schlicht die Unwahrheit", sagte Peter Wahl vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
Für Armut gebe es in der Europäischen Union seit 2001 eine einheitliche Definition, die für die Mitgliedsländer und damit auch für die Bundesregierung verbindlich ist, sagte Wahl. Armut wird dabei nicht zum physischen Existenzminimum in Relation gesetzt, sondern zum sozialen und kulturellen Gesamtzusammenhang einer Gesellschaft. Ausgangspunkt dieser Armutsdefinition, die auch vom Statistischen Bundesamt verwendet wird, ist das so genannte Nettoäquivalenzeinkommen, ein unter Bedarfsgesichtspunkten modifiziertes Pro-Kopf-Einkommen. Wer weniger als 60 Prozent dieses Einkommens zur Verfügung hat, fällt unter die Armutsgrenze.
Diese Armutsgrenze liegt für die alten Bundesländer bei 730,20 Euro, für die neuen bei 604,80 Euro. Empfänger von Arbeitslosengeld II liegen nach zwei Jahren, wenn das Übergangsgeld entfällt, deutlich unter diesen Werten, und zwar bei 662 Euro im Westen (345 Euro Regelleistung plus durchschnittlich 317 Euro Miet- und Heizkosten) bzw. 579 Euro im Osten (331 Euro Regelleistung plus 248 Euro Miet- und Heizkosten). Wenn nicht nur der "Haushaltsvorstand", sondern auch der Partner bzw. die Partnerin unter Hartz IV fällt, reduzieren sich die Regelleistung und die Wohnkostenerstattung so, dass beide bereits im ersten Jahr als ALG II-Empfänger unter die offizielle Armutsgrenze fallen. (Link zu detaillierten Berechnungen unten).
Wahl: "Egal, was die Regierungspropaganda behauptet: Hartz IV führt tatsächlich Hunderttausende von Langzeitarbeitslosen in die Armut. Bei Paaren findet der Absturz sofort statt, bei Alleinstehenden nach zwei Jahren."
Für Rückfragen:
- Peter Wahl, Tel. (0160) 823 4377
Weitere Informationen:
- Ein ausführliches Papier von Peter Wahl zu diesem Thema mit weiteren Berechnungen und Quellen findet sich im Internet unter www.attac.de/aktuell/pewa_hartziv_lang.pdf