Deal im EU-US-Zollstreit: TTIP durch die Hintertüre

Der Deal vom vergangenen Sonntag zwischen der EU und den USA soll die Eskalation im Handelskrieg zwischen den beiden Machtblöcken vorläufig beenden. Statt der angedrohten 30 Prozent werden nur 15 Prozent Zölle für EU-Waren erhoben, während zuvor niedrige Zölle im einstelligen Bereich galten. Im Gegenzug werden keine Zölle auf US-Waren in der EU erhoben. Zusätzlich sollen Milliardeninvestitionen in die USA getätigt werden, allen voran durch den Kauf fossiler Energie und Rüstungsgüter.
„Der Handelskrieg ist damit vielleicht vorläufig beendet, dafür werden die Zugeständnisse der EU sowohl die Klimakrise als auch soziale Konflikte eskalieren lassen“, kritisiert Roland Süß, Welthandelsexperte bei Attac. Schon seit Jahren finden an der Öffentlichkeit vorbei sogenannte technische Gespräche zwischen der EU und den USA zu zwei Themenblöcken statt, zu Zöllen und sogenannten „Handelshemmnissen“. Nach dem Scheitern der TTIP-Verhandlungen handelte es sich dabei nicht um offizielle Verhandlungen mit einem offiziellen Mandat, sondern um als technische Gespräche verklausulierte Beratungen – eine öffentliche Debatte dazu war nicht erwünscht.
Im Zollstreit haben US-Präsident Trump und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sich auf einen Deal verständigt, der völlig falsche wirtschaftliche Signale sendet. Das Rahmenabkommen reiht sich in das rückwärtsgewandte und uneinige Vorgehen der EU der letzten Monate ein. Weder in der Handelspolitik, noch in der Friedens- oder Wirtschaftspolitik schafft es die EU, koordiniert, sozial und ökologisch vorzugehen und konstruktive Pläne auf den Tisch zu legen. „Von der Leyens Vorgehen ist ein Angriff auf die politischen Entscheidungsstrukturen in der Europäischen Union. Die Behauptung, es gäbe dazu in der aktuellen Situation keine Alternative, soll den Deal zum Diktat erheben“, sagt Süß.
Durch die Zugeständnisse der EU erlangen die USA nun einen beispiellosen Marktzugang zur Europäischen Union. „Der Deal mit den USA ist ganz klar ein Versuch des Weißen Hauses, das gescheiterte TTIP-Abkommen durch die Hintertür durchzusetzen“, sagt Süß. „Die US-Regierung bezeichnet das neue Abkommen als historische Strukturreform, um in Europa konkurrieren und gewinnen zu können. In Europa hingegen wird dieses Abkommen soziale und ökologische Krisen anheizen.“ Wie bei TTIP sollen nichttarifäre Handelshemmnisse beseitigt werden, die vor allem den Handel mit Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten betreffen, einschließlich der Anforderungen von Hygienevorschriften. Ebenso sollen „ungerechtfertigte” digitale Handelsbarrieren sowie Zölle und Steuern abgebaut werden.
„Es wird also höchste Zeit, dass wir wieder genauer hinschauen, was sich da hinter dem Rücken der Öffentlichkeit anbahnt. Es wird außerdem höchste Zeit, dass wir uns einmischen“, sagt Süß. Attac fordert die EU auf, ihre Handelspolitik komplett zu überdenken, toxische Abkommen wie EU-Mercosur zu stoppen und zugleich Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine soziale und ökologische Transformation in der EU ermöglichen.