Lissabon-Vertrag: Bundesverfassungsgericht moniert Demokratiedefizite
Die Richter monierten ein Demokratiedefizit der Europäischen Union und stoppten den laufenden Prozess zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrags, bis die Mitspracherechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden. Erst nach entsprechenden Gesetzesänderungen darf der Bundespräsident den Vertrag unterschreiben. Zu begrüßen ist auch, dass sich die Karlsruher Richter nicht das Recht haben nehmen lassen, auch künftig zu prüfen, ob EU-Rechtsakte mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Dennoch haben sie ihre eigene Rolle als Hüter der Verfassung leider nicht ernst genug genommen: Den bereits angerichteten Schaden lässt das Gericht in seinem Urteil außen vor. Schon heute verletzen zahlreiche Entscheidungen auf EU-Ebene in der deutschen Verfassung garantierte Grundrechte. So hat der Europäische Gerichtshof – anders als mehrere deutsche Gerichte – eine Tarifbindung bei öffentlichen Bauaufträgen abgelehnt. Und was nützt es, wenn der Bundesgerichtshof eine Vorratsdatenspeicherung durch Telekommunikationsunternehmen verbietet, wenn die EU diese kurz darauf einführt?
Doch immerhin, mit dem Urteil aus Karlsruhe steht das Fenster der Möglichkeiten wieder ein Stück offen: Sollte es der großen Koalition nicht gelingen, die Gesetzesänderungen noch vor der Bundestagswahl und dem erneuten Referendum in Irland durchzupeitschen, könnte der europaweite Ratifizierungsprozess wieder ins Stocken geraten. Die Konservativen in Großbritannien jedenfalls haben bereits angekündigt, im Falle eines Regierungswechsels auf der Insel die Ratifizierung zu stoppen und ein Referendum abzuhalten.