Koalitionsvertrag

Rohstoffe, Wasserstoff und Handel im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung
Eine Polemik von Michael Schramm 21.04.2025
Schon die Politik der Ampel-Regierung und die ersten Aktionen der neuen EU-Kommission zeigte eine klare Priorisierung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Klimafolgen, Umweltfragen und soziale Gerechtigkeit finden immer weniger Beachtung. Diese Tendenz setzt sich im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung ungebremst fort.
In der rohstofffressenden Automobilindustrie wird weiterhin auf „Technologieoffenheit“ gesetzt. Offen für mehr Rohstoffverbrauch oder für mehr Fossilismus?
Diese Industrie, die komplett unambitioniert an die Reduktion der Abgaswerte herangeht, wird bei diesem Vorgehen unterstützt, indem Strafzahlungen für das Nichteinhalten der europäischen Flottengrenzwerte „abgewehrt“ werden sollen. Gesetzliche Quoten für E-Fahrzeuge werden ausdrücklich abgelehnt. Der Markt wird’s schon richten.
Auf die strukturellen Probleme der Autoindustrie reagiert die neue Regierung mit der Prüfung, wie vorhandene Werke umgerüstet und ertüchtigt werden können für „die Bedarfe der Verteidigungsindustrie“. Also Panzer statt Kleinwagen.
Bei den Rohstoffen findet sich immerhin das Lippenbekenntnis, „den Primärrohstoffverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren“. Was immer das konkret bedeuten mag – viel wird’s nicht sein.
Es soll mehr auf heimische und europäische Rohstoffe gesetzt werden. Hierfür will die Regierung „die rechtlichen Genehmigungen erleichtern, pragmatisch unter Wahrung der Umwelt- und Sozialstandards.“ Was mag eine pragmatische Wahrung von Standards sein? Das Wörtchen „pragmatisch“ lässt nichts Gutes erahnen…
Und es findet sich gleich wieder bei der Kreislaufwirtschaftsstrategie, die man von der Vorgängerregierung geerbt hat – auch sie will man „pragmatisch umsetzen“. Vermutlich also wohl jene Teile umsetzen, die die Industrie pragmatisch sowieso auf dem Zettel hat zur Steigerung ihrer Profite.
Im Bereich Handel und Außenwirtschaft will man eine „regelbasierte Handelspolitik“ betreiben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – wenn da nicht wieder die Einschränkung „pragmatisch“ wäre. Also wie gehabt – wir schreiben die Regeln fest, die uns nützen. Ganz pragmatisch. Und das in Freihandelsabkommen, die entweder ratifiziert werden sollen wie die mit Chile, Mexiko, Mercosur. Oder neu abgeschlossen mit Indien, Australien, den ASEAN-Staaten und den USA. Dazu eine Vertiefung der Handelsbeziehungen zu Afrika, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Investitionsschutzabkommen… - viel hilft viel. Und möglichst verhandelt durch die EU, im Rahmen der „international geltenden Standards“ und „des WTO-Systems“. Neoliberaler business as usual.
Richtig finster wird es beim Thema Wasserstoff. Den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft will man beschleunigen und – „pragmatisch ausgestalten“. Da ist es ja wieder…
Übersetzt bedeutet dieser Pragmatismus, dass es ganz egal ist, wie der Wasserstoff erzeugt wird. Ob mit Kohle, Gas, Atomkraft in Frankreich oder erneuerbaren Energien – die Emissionen sind der Regierung schnuppe. Was allerdings nicht offen gesagt wird – die hübsche Verbrämung lautet: „im Hochlauf müssen wir alle Farben nutzen“.
Und es kommt noch schlimmer: umgehend soll ein Gesetzespaket für „die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS)“ beschlossen werden - „insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke“. Die Einbeziehung der Gaskraftwerke bedeutet nichts anderes, als dass diese Industrie es geschafft hat, ihr Geschäftsmodell auf lange Sicht zu sichern. Die Kraftwerke können weiterlaufen, denn ihre Emissionen werden ja abgeschieden und gespeichert (was auch nicht der vollen Wahrheit entspricht – siehe unseren Artikel https://www.attac.de/kampagnen/rohstoffenergiehunger-stoppen/startseite/rohstoffe-kreislaufwirtschaft/cms-ccs-ccu). Und je mehr dort in den Kraftwerken emittiert wird, desto ausgelasteter und rentabler ist das neue Geschäftsmodell CCS der Gasindustrie. Wenn das nicht win-win ist...
Und noch einmal begegnen wir den Rohstoffen. Bei der Entwicklungszusammenarbeit. Diese wird definiert als „zugleich werte- und interessengeleitet.“
Natürlich finden sich pflichtgemäß noch hehre Werte wie der Kampf gegen Armut, Hunger und Ungleichheit. Aber wichtiger sind doch die Interessen, die die neue Regierung mit der Entwicklungszusammenarbeit hat: Man setzt auf „wirtschaftliche Zusammenarbeit und Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen, Fluchtursachenbekämpfung sowie die Zusammenarbeit im Energiesektor.“ Dazu richtet man „eine gemeinsame Anlaufstelle der Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit für die deutsche Wirtschaft“ ein.
Denn schließlich ist „Entwicklungszusammenarbeit […] neben Visa-Vergabe sowie Wirtschafts- und Handelsbeziehungen ein zentraler Hebel in der Migrationssteuerung.“
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