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Erklärung des Koordinierungskreises: Zur Rolle von Attac im Bundestagswahlkampf 2005

Attac ist ein außerparlamentarisches Netzwerk - und das aus gutem Grund. Zum einen wird die Dominanz des Neoliberalismus auf Dauer nur zu brechen sein, wenn verschiedene emanzipatorische Strömungen und Gruppen in unserer Gesellschaft ihre Sichtweisen solidarisch zusammentragen und ihre Gemeinsamkeiten entwickeln. Eine kooperative Zusammenarbeit lässt sich aber mit der Konkurrenzlogik von Parteipolitik nur schwer vereinbaren. Zum anderen zeigt die Erfahrung, dass sich gesellschaftlicher Wandel nur über eine Veränderung der herrschenden Diskurse erreichen lässt. Parlamentarische Politik allein kann dies ohne Unterstützung einer breiten sozialen Bewegung nicht leisten.

 

Dies bedeutet nicht, dass es gleichgültig ist, wie die Parteienlandschaft aussieht, wie die parlamentarische Opposition agiert und wer die Regierung stellt. Parteien und Parlament haben einen großen Einfluss auf das Meinungsklima und die gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse. Die neoliberale Allparteienkoalition im Bundestag war einer der Hauptgründe dafür, dass die Agenda 2010 bisher rücksichtslos durchgezogen werden konnte. Wenn im Parlament emanzipatorische Positionen artikuliert werden, dann nützt dies auch sozialen Bewegungen.

Das Verhältnis von Attac zur parlamentarischen Politik

Es stellt sich die Frage, wie Attac sich zu einzelnen Personen, Parteien und Fraktionen in den Parlamenten verhält. Insbesondere zu der Frage, ob und was bei der kommenden Bundestagswahl gewählt werden soll, gibt es bei Attac unterschiedliche Auffassungen. Keine dieser Auffassungen gibt für sich alleine betrachtet die Attac-Position insgesamt wieder. Vielmehr sind sie im Ganzen zu lesen, da sie im Netzwerk gleichberechtigt nebeneinander stehen:

 

Wir brauchen eine starke parlamentarische Kraft

Um den Einfluss von Parteien und Parlamenten zu nutzen, brauchen wir auch eine starke parlamentarische Kraft, die die Interessen der globalisierungskritischen Bewegung und anderer sozialer Bewegungen vertritt. Wir fordern daher all jene auf, die sich für eine emanzipatorische Politik im Bundestag engagieren, verantwortlich gegenüber den Gesamtinteressen emanzipatorischer Politik zu handeln.

 

AnsprechpartnerInnen in Parteien können hilfreich sein

Um den Druck in Richtung des notwendigen Politikwechsels zu erhöhen, können uns zwar parlamentarische AnsprechpartnerInnen, nicht aber die besondere Nähe zu einzelnen Parteien hilfreich sein. Wir begrüßen es daher, wenn in verschiedenen Parteien und Fraktionen Menschen unseren Positionen nahe stehen.

Die Arbeit in Parteien schwächt die Bewegung

Da aufgrund der Kräfteverhältnisse im öffentlichen Diskurs derzeit die Chancen für eine wirklich emanzipatorische Politik in den Parlamenten minimal sind, halten wir die Arbeit in Parteien und Parlamenten zumindest derzeit für eine schädliche Schwächung der Bewegung. Unter anderem weckt sie möglicherweise Hoffnungen auf eine rasche Änderung der Verhältnisse, die nicht zu erwarten ist.

 

Attac wird daher weder eine Wahlempfehlung abgeben noch die Kandidatur von Einzelpersonen unterstützen. Wenn Personen, die Attac-Mitglieder sind, für Wahlen zum Bundestag kandidieren, so müssen sie jeden Eindruck vermeiden, dies im Auftrag von Attac zu tun. Erwecken sie hingegen diesen Eindruck, so wird Attac diesem Eindruck öffentlich entgegentreten müssen.

 

Attac im Wahlkampf 2005

Attac als außerparlamentarisches Netzwerk sieht seine Aufgabe im Wahlkampf darin, durch Aktionen, Expertisen und Bildungsarbeit auf den öffentlichen Diskurs Einfluss zu nehmen. Wir müssen die richtigen, die entscheidenden Fragen stellen. Diese unterscheiden sich sich grundlegend von dem, was die VertreterInnen neoliberaler Politik als entscheidend ausgeben. Es muss verhindert werden, dass die öffentliche Auseinandersetzung an den wahren Problemen der Welt vorbei geführt wird und ihre tatsächlichen Ursachen nicht thematisiert werden. Nur so können wir erfolgreich Druck auf Politik und Wirtschaft ausüben.

 

Aus diesem Grund rufen wir alle Attac-Gruppen dazu auf, in den Wahlkampf durch Aktionen und Bildungsarbeit einzugreifen und bohrende Fragen nach sozialen Rechten, Demokratie, Ökologie und globaler Gerechtigkeit, nach Tobin- und Solidarischer Einfachsteuer, Hartz IV und WTO-Verhandlungen zu stellen. Wir wollen den PolitikerInnen deutlich machen, dass sie auch nach der Wahl mit uns rechnen müssen.

 

Um den Forderungen nach einem dringend notwendigen Politikwechsel Nachdruck zu verleihen, werden wir Initiativen zur Bildung eines Bündnisses für globale Gerechtigkeit und gegen Neoliberalismus unterstützen. Schon im Wahlkampf muss den KandidatInnen Druck gemacht werden, der sich nach der Wahl mit Richtung auf die neue Regierung fortsetzen wird. Das Sozialforum in Erfurt wäre ein geeigneter Ort, über solche Aktivitäten zu diskutieren und im Anschluss mit anderen sozialen Bewegungen, Organisationen und Netzwerken konkrete Aktionen vorzubereiten.