Diskussionsveranstaltung der Herforder Zukunftswerkstatt:"Machtlose Kommunalpolitik?"

Unter dieser Überschrift referierte am Donnerstag, dem 17. November 2011, Bernd Reitmeier vor gut zwei Dutzend Zuhörern im Haus unter den Linden in Herford. Bernd Reitmeier ist fraktionsloses Mitglied im Rat der Stadt Herford und weiß um die Folgen von Globalisierung und Krisen vor Ort - so lautete der Untertitel des Abends.

Herforder Zukunftswerkstatt - ein Kooperationsprojekt von Attac und Arbeit und Leben HF

Nach einer ausführlichen Begrüßung durch Dieter Begemann, leitete der Referent seine Beobachtungen und Überlegungen mit Worten aus dem Grundgesetz ein: "Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." ( GG Artikel 28, Abs. 2) Von diesem Grundsatz aus gilt es weiterzudenken. Bevor er auf Herforder Verhältnisse einging, warf Reitmeier zunächst einen Blick auf den Verlauf der Steuereinnahmen der Kommunen in Westdeutschland seit 1985. Dem Betrag nach sind die jährlichen Einnahmen zwar relativ gleich hoch geblieben, als Anteil am BIP allerdings geringer geworden. Ganz allgemein bekannt ist, dass die Kommunen unterfinanziert sind. Dieses Problem läßt sich nicht ohne die Bundes- und Länderpolitik lösen.

In Bezug auf die Stadt Herford sprach der Referent von zwei Steuerungskreisläufen, vielleicht könnte man auch reden von zwei Verantwortungsbereichen. Den einen nannte er die den Bürgern bekannte Stadtverwaltung mit ihren vier Dezernaten. Er hob hervor, dass besonders innerhalb des Dezernats für Bildung, Jugen und Soziales jährlich große Ausgaben entstehen, rund 70 Millionen Euro. Für diesen Bereich ist der gewählte Rat demokratisch verantwortlich.

Der andere Steuerungskreis sind die ausgegliederten Bereiche, die nach privatrechtlichen Prinzipien arbeitenden GMBHs der Stadt Herford. Das sind z. B. die die HVV GMBH, die Abwasser GMBH, die SWK GMBH oder die WWS GMBH. In diesem Bereichen geht es also um die Kläranlagen, die Aufgabenbereiche des ehemaligen Bauhofs der Stadt, sehr viele Wohnungen, die Gas- Wasser und Stromversorgung der Bürger, aber auch um das Museum MARTa, die Stadtbibliothek, die Musikschule und vieles mehr.

Wenn diese Bereiche als GMBHs ausgegliedert sind, dann sind zwar Kommunalpolitiker in den entscheidenden Gremien, aber es geht bei geschäftlichen Entscheidungen nicht direkt um das Gemeinwohl, sondern zunächst um betriebswirtschaftlichen Erfolg. Entscheidungen fallen hinter geschlossenen Türen. Es herrscht Verpflichtung zu Verschwiegenheit. Wenn so viele "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (siehe Grundgesetz!) nun dem Wesen nach von betriebswirschaftlichen Gesichtspunkten her geregelt werden, sieht Reitmeier ein Problem für die demokratische Kontrolle und die Anliegen der Bürger.

Der Refent wünscht sich mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger. Am besten fände er Bürgerhaushalte, in denen wieder alle Verantwortungsbereiche zusammengeschaut und zusammengehalten werden. Er ist sich dessen bewußt, dass Bürgerhaushalte nur an wenigen Stellen gelingen. Weltbekanntes Beispiel ist Porto Allegre in Brasilien.

Da in unserm Land die Kommunen unterfinanziert sind, kämen Bürgerhaushalte gewiß schnell in Schwierigkeiten. Das wäre dann allerdings ein Anlaß dafür, dass eine wirklich große Anzahl von Bürgern sich aus direkter Betroffenheit in politische Auseinandersetzungen einmischt und auf Landes- und Bundesebene für eine bessere Regelung der Finanzierung von Kommunen einsetzen würden. Reitmeier stellte denn auch abschließend die Vision in den Raum, mittels mehr demokratischer Teilhabe den Weg einer solidarischen Ökonomie zu beschreiten. (LB)