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Das Thema der April-Mahnwache war Stromnetze

Die „Mahnwachen“ sind Ausdruck einer lebendigen Anti-Atom-Bewegung in HF, die auch die Energiewende kritisch begleitet. Sie findet jeden ersten Montag im Monat statt, haben ein Leitthema und dazu gibt es ein offenes Mikrofon. Für den Monat April war das Thema Stromnetze.

Das Thema „Stromnetze“ ist aktuell, denn die Konzessionsverträge laufen in vielen Städten und Gemeinden aus. Die Energienetze sind ein wichtiger Bereich der kommunalen Infrastruktur. Sie sind durch die Netzentgelte eine Einnahmequelle und ihre technische Ausrüstung ist bedeutend für die dezentrale Einspeisung des Stroms aus erneuerbaren Energien. Da die Konzessionsverträge über einen langen Zeitraum abgeschlossen werden, geht es um die politische Weichenstellung der Zukunft. Und da zeichnet sich bei Städten und Gemeinden der Region eine Tendenz zur Rekommunalisierung ab. E.ON hat darauf reagiert, wird seine Netzsparte E.ON Westf.-Weser AG „outsourcen“ und bietet den Kommunen den Kauf ihrer Mehrheitsanteile an.

 

Herbert Even, Fraktionsvorsitzender der Partei Bündnis 90/ Die Grünen in HF, trat mit einem Beitrag an das Mikrofon und fasst seine Ausführungen wie folgt zusammen:

 

1. Atomausstieg und Klimaschutz erfordern Schritte zur Energieeinsparung, den Aufbau einer rationellen und regenerativen Energieerzeugung sowie die Weiterentwicklung der Leitungsnetze als "Straßen" der Energiebereitstellung. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, an der sich viele Akteure - u.a. Privatleute Energieversorgungsunternehmen, Genossenschaften, private Unternehmen und Investoren, Kommunen und ihre Stadtwerke - beteiligen können und sollen.

2. Eine wichtige - und künftig noch zu verstärkende - Rolle in dieser Energiewende spielen die Kommunen und ihre örtlichen Stadtwerke. Sie können wichtige Beiträge durch den Aufbau einer stärker dezentral ausgerichteten Energiebereitstellung sowie durch die Übernahme der örtlichen Verteilnetze vor allem in den Sektoren Strom und Gas leisten. Damit tragen sie zugleich auch zu mehr Wettbewerb auf dem Energiesektor sowie zur Finanzierung der kommunalen Haushalte bei.

3. In unserer Region gibt es gegenwärtig eine intensive Diskussion über die Frage, wer künftig die örtlichen Energieverteilnetze (v.a. im SektorStrom) betreiben soll. Hintergrund sind die größtenteils in den Jahren 2013/2014 auslaufenden Konzessionsverträge in den Kreisen Herford, Minden-Lübbecke und Schaumburg (das ehem. EMR-Gebiet). Hier hat es in vielen Kommunen Bestrebungen zur Übertragung des Stromnetzbetriebs an örtliche Stadtwerke gegeben.

4. Unter diesem Druck hat sich die E.ON Energie AG entschlossen, den Kommunen im Netzgebiet der E.ON Westfalen Weser AG (Kreise Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke, Paderborn) die Übernahme der Mehrheitsanteile (ca. 63 %) dieses Regionalunternehmens anzubieten (37 % der Anteile befinden sich im Eigentum der Kommunen; größte Anteilseigner sind die Städte Herford und Paderborn mit jeweils ca. 10 %).

5. Dieses Angebot wird gegenwärtig in den Kommunen der Region diskutiert. Der Stadtrat der Stadt Herford hat sich in seiner kürzlichen Sitzung grundsätzlich positiv zu diesem Angebot geäußert und angeregt, dass sich möglichst viele Kommunen an der "Rekommunalisierung" der E.ON Westfalen Weser AG beteiligen. Von den bisher beteiligten Kommunen wurde bereits eine Verhandlungskommission gebildet, die in Kürze mit Hilfe geeigneter Berater die Verhandlungen mit der E.ON Energie AG aufnehmen wird.

6. Ob die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können, hängt nicht zuletzt auch von einer Einigung über einen angemessenen Preis ab, in den auch die bestehenden Geschäftsrisiken dieses Regionalunternehmens einfließen müssen. Nur so ist die Rekommunalisierung für die beteiligten Kommunen auch wirtschaftlich darstellbar. Energiepolitisches Ziel bleibt in jedem Falle aber die Übernahme der Stromnetze - ob über den Kauf der Anteile der E.ON Westfalen Weser insgesamt oder - alternativ - über die Übertragung kleinerer Netzbereiche auf örtliche Stadtwerke.

7. Die Übernahme der E.ON Westfalen Weser AG als Betreiber desStromnetzes durch die Kommunen soll vor allem die dezentrale und regenerative Energieerzeugung und damit nicht zuletzt entsprechende Aktivitäten örtlicher und regionaler Stadtwerke, Genossenschaften, Unternehmen und Privatleute durch Ausbau/Entwicklung der örtlichen/regionalen Netze unterstützen. Die Energiewende ist somit nicht nur Angelegenheit der Bundesgesetzgebung und international tätiger Großkonzerne; sie wird damit gerade auch von unten, durch eine ökologisch bewußte Zivilgesellschaft getragen und durchgesetzt.

 

In einem zweiten Beitrag verwies Helga Bick, Attac HF, kritisch auf den Zusammenhang von Netzinfrastrukturen und der aktuellen politischen Umsetzung der beschlossenen Energiewende. Sie bezog sich dabei auf die neue Ausgabe der Zeitschrift „Soz“, April 2012:

Die Energiewende besteht keineswegs aus einem konzeptionellen Guss, sondern aus divergierenden Interessen zwischen zentralen Großtechnologien und dezentraler Ausgestaltung.

Gesetzliche Richtlinien und Verordnungen und die Förderpraxis zeigen im Ergebnis eine Einseitigkeit der Politik zugunsten der Interessen der Energiekonzerne. Dazu gehören auch die Signale für die Weiternutzung und den Bau von Kohlekraftwerken.

Die fast fehlende Förderung der energetischen Sanierung der Bausubstanz, die massive Senkung der Einspeisevergütung für die Solarenergie und die Begrenzung des Zubaus der Fotovoltaikanlagen zeigen diese Schieflage. Die Förderung der E-Mobilität in der jetzigen Form verweist zudem die Ausrichtung auf mehr Verbrauch(Siehe dazu die aktuelle Studie für das Wuppertaler „Institut für Klima, Umwelt, Energie“ von dem Autorenkollektiv Hennike, Haupstock, Rasch unter epub.wupperinst.org)

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde ins EEG (Erneuerbaren-Energie-Gesetz) im vorigen Jahr ein Passus eingefügt, der die Großverbraucher, wie die Chemie-, Aluminium-, Beton- und Autoindustrie, von den Netzentgelten befreit – rückwirkend! Das sind Einnahmen, die fehlen, bzw. der Normalverbraucher zahlt die Zeche. Für den Ausbau der Fernnetze, die benötigt werden, um den Strom von der See zu den Alpen zu transportieren erwarten die Energiekonzerne einen entsprechenden Netzausbau. Das heißt eine Netzstruktur, "teuer und ineffizient statt dezentral und preiswert". Mit jeder Behinderung der Einspeisung regionaler Stromproduktion und dem fehlenden Geld für entsprechende Modernisierung der örtlichen Netze und dazu effizienter Speicher- und Steuerungstechnologien ergibt sich für die Energiekonzerne ein Vorteil ihren Strom zu verkaufen und damit auch Preisgestaltungsmacht.

Fraglich ist, ob dieser Strom aus den Off-Shore Parks auf See und Wüstenstrom nach Deutschland über diese verteuerten Netzstrukturen von Nord nach Süd und umgekehrt überhaupt benötigt wird, wenn die dezentralen Potenziale voll entfaltet sind.