Das grosse #CETA-Spektakel in Bielefeld

Gestern fand die erste CETA-Aktion statt, bei der wir für unsere 7+1 Demo — Am 20. September auf nach Brüssel!–Kampagne geworben haben. Anlass war das »CETA Spektakel — Abschied von der Demokratie« am 1. Ferientag in der Bielefelder Fußgängerzone.
Mitbewerber um die Aufmerksamkeit waren nicht nur die unzähligen Modegeschäfte, die Clownin mit Riesenbrille, die Luftballons zu Tieren verknotete, Straßenmusiker und ein Stand von jungen Geflüchteten aus dem arabischen Raum, die für einen neuen Anfang mit Jesus werben wollten, sondern es gab parallel noch eine Nazi- und dazu eine Gegendemo.
Trotzdem hatten wir einen schönen, würdevollen Trauerzug mit unserem großen Sarg, auf dessen schwarzem Tuch in schlichten Großbuchstaben DEMOKRATIE stand. Oben drauf lag ein kleiner, bunter Feldblumenstrauß. Eigentlich war es improvisierter Blumenschmuck, da wir auf unserer Vorbereitungsplenum-Todo-Liste die Grabkränze vergessen hatten. Aber irgendwie symbolisierte dieser kleine Strauß auf anrührende Weise, dass mit der Demokratie auch Vielfalt und Reichtum der Natur, Umweltschutz und so etwas Grundsätzliches wie die Einmaligkeit lebender Organismen auf dem Altar des Neokapitalismusses geopfert wird. Dank CETA, TTIP und TiSA.
Viele Leute — die meisten eigentlich — lehnten unsere Infozettel nicht nur nicht ab, manche nahmen sogar beide, den Flyer zum CETA-Spektakel und den Sa 17.9. Großdemo Köln–Aufruf mit unserem per Hand aufgetragenen 7+1 drei Tage später BRÜSSEL-Stempel in etwas zu hellem Attac-Orange darauf.
In einem Straßencafé, an dem unser Trauerzug vorbeikam, hielt mich eine sehr alte Dame — sicher schon über achtzig — an meinem weiten, schwarzen Ärmel fest. Worum es geht, wollte sie wissen. »Wir wollen auf die Gefahren durch die Freihandelsabkommen CETA und TTIP für Demokratie und Umweltschutz aufmerksam machen«, antwortete ich. Eine ihrer Freundinnen stach sofort heftig mit ihrem Zeigefinger in die Luft: »Das sind schreckliche Dinger, diese Abkommen, dass hat mir mein Enkel erklärt. Ich hab schon unterschrieben!« Ich hätte sie küssen können.
Von soviel Zustimmung ermutigt sagte ich, dass wir zu der großen Demonstration am 17. September in Köln fahren würden. Die vier Freundinnen schauten einander an. Dann fragte eine ganz schüchtern, so wie früher Kinder, wenn sie befürchteten zu vorlaut zu sein: »Können wir da auch mitkommen?« Ich stattete das Quartett großzügig mit Infomaterial aus und traute mich — wenn auch ein wenig ängstlich, dass ich den Bogen vielleicht überspannen würde — zu sagen, dass wir drei Tage später auch noch in Brüssel demonstrieren würden. Denn schließlich ginge es ja um Europa. Stille.
Dann setzte sich die vierte Dame, die noch nichts gesagt hatte, kerzengerade hin, schaute jede ihrer Freundinnen mit zwei steilen Falten über der Nasenwurzel — was ihr etwas raubvogelartiges gab — an und verkündete dann entschlossen: »Brüssel. Dann fahren wir gleich weiter nach Brüssel.« Vierfaches, heftiges Ganzkörper-Kopfnicken. »Bitte melden Sie sich bei uns, Ihr Enkel findet uns bestimmt über unsere Webseite!« konnte ich ihnen im Weiterlaufen schnell noch zurufen, denn der Zug war schon vorbei gezogen und ich sollte eigentlich vorne mitgehen.
Am Ende hat die Demokratie gleich zweimal gewonnen. Die Naziparolen der 35 — größtenteils nicht einmal aus Bielefeld oder Umgebung stammenden — Kundgebungsteilnehmer, die gegenüber den etwa 1000 Gegendemonstranten etwas unterrepräsentiert waren, wurden vom Schauspiel-Ensemble — vom Balkon des Theaters aus — mit der Ode an die Freude »Seid umschlungen, Millionen!« niedergeschmettert. Passend zum Motto der Spielzeit »… diesen Kuss der ganzen Welt!« aus eben dieser Hymne.
Ja, und bei uns kletterte die Demokratie aus ihrem Sarg, verschenkte die bunten Blumen, die wir liebevoll aus Krepp gebastelt und eigens mit französischem Parfum präpariert hatten, an das überraschte Publikum. Jemand hatte eine Flasche französischen Bio-Rotwein mitgebracht und schenkte dieses belebende Getränk in winzigen Becherchen aus, so dass es für alle reichte. Das brachte das Blut noch ein wenig mehr in Wallung.
Quelle: www.stopceta.de/ceta-spectaculum