Bund relig. SozialistInnen zu Antinazidemos
Widerstand gegen Nazis nach der Tradition: Wehret den Anfängen!
80 Jahre nach der Übertragung der Macht an die NSDAP, an den Diktator Adolf Hitler und der Ausschaltung der Demokratie in Deutschland erinnern wir an die Tradition christlichen Widerstandes gegen den Hitler-Faschismus und fordern alle Christinnen und Christen sowie religiös und humanistisch geprägte Menschen auf, sich die Zeuginnen und Zeugen des frühen Widerstandes gegen die Nazis zum Vorbild zu nehmen und aus den prophetischen Warnungen der Antifaschisten, die damals nicht beherzigt wurden, heute Lehren zu ziehen.
Einige der vergessenen und damals wie heute unbeachteten Warnungen bringen wir aus aktuellem Anlass zur Kenntnis:
" Christentum und Faschismus sind unvereinbar", so lautete der im November 1930 gedruckte Aufruf der religiös-sozialistischen Internationale, also vor der Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933. Der Faschismus wird darin entlarvt als fanatische "Religion völkischer und rassischer Selbstvergottung". Die religiösen Sozialisten erhoben Anklage: Das Kreuz als "Sinnbild der vergebenden und rettenden Liebe Gottes" ist verkehrt in das Zeichen (sc . des Hakenkreuzes) "selbstgerechter und hochmütiger Ausschließlichkeit, ja sogar des Hasses und der Gewalt". Neben der Vergottung des Staates steht die Unterdrückung der Gegner des Faschismus mit "Gewalt und Mord".
Und sie riefen die Verblendeten zur Umkehr auf: „Erwachet, die Ihr Euch durch den nationalistischen und faschistischen Trug und Rausch habt verblenden lassen, werdet des Abgrunds gewahr, vor dem Ihr steht; erwachet zur Wahrheit Christi, kehret von Cäsar und Wotan zu Christus, vom Lektorenbündel zur Dornenkrone des Menschensohnes und vom Hakenkreuz zum wirklichen Kreuze zurück, dem allein der Sieg über die Welt verheißen Ist. Der Bund des Christentums mit dem Nationalismus und Faschismus ist Abfall von der Wahrheit Christi und ist eine größere Gefahr, als jede offene Feindschaft gegen seine Sache.“
Pfarrer Dr. Gotthilf Schenkel, Schriftleiter von „Der Religiöse Sozialist. Sonntagsblatt des arbeitenden Volkes“, fasste 1932 die Antriebsmomente dieses "neuen Heidentums" (Paul Tillich) zusammen: „Die Bewegung ist ein Ventil für alles, was an starken Instinkten empordrängt. ... Hass und Idealismus, Rache und Wut, Zorn und Abenteuerlust, Wunsch nach Uniform und Führer, nach Macht, Glanz und neuer Herrlichkeit. Viel alte Leidenschaft kommt wieder zum Durchbruch. Der Antisemitismus des letzten Jahrhunderts, der Bürgerschreck vor dem Sozialismus aus Bismarcks Zeit, die kulturkämpferische Stimmung gegenüber einer katholischen Bevölkerung ..., die Sucht nach neuem Sündenbock." Pfarrer Erwin Eckert, Sprecher der religiösen Sozialisten, schrieb Weihnachten 1930: „Traurig ist unser Herz, aber wir verzagen nicht. Wir werden vor dem Götzen des Hakenkreuzes die Knie nicht beugen, wir werden ihm nicht dienen. Wir werden Gott, dem Herrn der Welten treu bleiben, Christus, dem Fürsten des Friedens nachfolgen und darum beten, dass der Heilige Geist der Liebe und Güte, der Gerechtigkeit und wahrhaftigen Brüderschaft in unsern Herzen Wohnung mache. So feiern wir Weihnachten und gehen in den Kampf, der uns verordnet ist und sind bereit, eher zu sterben, als daß wir ruhig zusehen, wie der Faschismus „im Namen Gottes“ die Völker der Welt an Leib und Seele vergiftet und verwüstet.“
Die Ermordung der politischen Gegner der Nazis, die Entfesselung des Antisemitismus bis hin zum organisierten Massenmord und der Weg in den rassistisch begründeten Weltkrieg - all das lag im Rahmen dessen, was die Nazis auch vorher verkündet hatten und wofür der Faschismus in Europa stand. "Hitler bedeutet Krieg!", diese Parole der Arbeiterbewegung hat sich nach dem 30. Januar 1933 bitter bewahrheitet, nach außen und nach innen. Die Uneinigkeit ja Feindseligkeit zwischen der den Parteien der Arbeiterbewegung, repräsentiert von SPD und KPD, hat einen rechtzeitigen und erfolgreichen Widerstand geschwächt bzw. verhindert und zur Niederlage beigetragen. Schwer wiegt die Schuld der national-konservativen Kräfte damals, die dem Faschismus den Weg zur Macht bereitet haben. Für uns ist der 30. Januar Anlass, über die Gefahren für demokratische Errungenschaften und Notwendigkeit der Zusammenarbeit bei der Verteidigung des sozialen Rechtsstaats nachzudenken.
Heute fallen die Neonazis – in ihren Grundüberzeugungen sind sie den Altnazis gleichzusetzen – im Allgemeinen durch ihre extreme Feindschaft gegen Fremde auf. Sie zeichnen Feindbilder von Asylbewerbern, Einwanderern aus der Türkei, so genannten Linken und Menschen jüdischen Glaubens. Sie propagieren einen Staat, in dem Menschen am Rande wie Behinderte, Homosexuelle Obdachlose und sozial Schwache keinen Platz haben und dem Hass ausgesetzt sind. Ein großer Teil der Neonazis leugnet oder verschleiert die Verbrechen des Nationalsozialismus, speziell den Mord an sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens und einer halben Million Sinti und Roma sowie die Kriegsverbrechen. Die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) ist verantwortlich für Morde an einer Polizistin und neun Personen mit Migrations - Hintergrund. Ohne Unterstützung anderer rechtsextremer Personen hätte sie nicht von 2000 -2006 ihre Mordtaten begehen können. Wegen seiner verharmlosenden Wirkung wurde „Döner-Morde“ zum Unwort des Jahres 2011 gekürt. Für die Aufklärung war bis 2008 eine der größten polizeilichen Sonderkommissionen eingesetzt worden, ohne dass diese Ergebnisse erzielen konnte. Am 26. Januar 2012 setzte der Deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuss ein, der die rechtsextremen Verbrechen der Zwickauer Terrorzelle und das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden und der beteiligten Landesbehörden für Verfassungschutz bei der Aufklärung und Verhinderung der Verbrechen untersuchen soll. Durch die Vernichtung von Akten ist der Ausschuss in seinen Untersuchungen behindert worden.
Wir fordern Christinnen und Christen in Deutschland auf, sich immer zahlreich an der Demonstration gegen die Neonazis zu beteiligen.
Alle Christinnen und Christen rufen wir auf, den Frieden und die Freude der Weihnachtsbotschaft auch im öffentlichen Leben zu bezeugen durch Arbeit für mehr Gerechtigkeit und Frieden in der Welt.
Der Bundessprecher
Der Schriftleiter
Dr. Reinhard Gaede