Auftaktrede auf der Anti-Castor-Demo in HF am 19. November


Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
schön, dass ihr alle gekommen seid! Wir sind heute hier zusammengekommen um gegen Atomkraft zu demonstrieren. Besonders mit einem Augenmerk auf dem anstehenden Castortransport. Am 24.11. wird nun zum 13. mal der Castor von der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague in das 1500 km entfernt liegende Gorleben rollen. Aber das werden wir nicht einfach so hinnehmen. Auch dieser Castor wird Anlass den öffentlichen Diskurs zur kritischen Reflexion über Atomkraft anzustoßen und Anlass, dass sich viele, entschlossene Menschen dem Castor aktiv entgegenstellen, denn inzwischen ist Kritik an Atomkraft keine Außenseitermeinung mehr, die belächelt wird. Nein,es ist der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass Atomkraft untragbare Folgen hat. Doch trotzdem wird über die Köpfe der Menschen von Politikern, Politikerinnen und den vier Großkonzernen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW hinweg entschieden. Ich finde es wichtig im Auge zu behalten, dass dies dadurch ermöglicht wird, dass wir in einem Wirtschaftssystem leben, in dem die Profitinteressen einzelner wichtiger sind, als Ökologie, Menschen- und Tierrechte.
Ich wünsche mir eine Welt , in der alle zu gleichen Teilen ihre Interessen einbringen können, in der keine Minderheiten übergangen werden und in der darauf geachtet wird , dass wir nicht systematisch die Erde zerstören , sondern, dass die Erde ein Planet bleibt, auf dem Leben auch noch für viele kommende Generationen möglich ist. Konkret für Atomkraft heißt das für mich, zum einen sofort abschalten und den großen Stromkonzernen ihre Macht entziehen. Meine Alternative ist der Aufbau einer dezentralen Stromerzeugung aus regenerativen Energien. Stromkonzerne und zentrale Stromnetze müssen durch vielfältige Einzelinitiativen und selbstorganisierte Projekte abgelöst werden. Jede und jeder einzelne ist gefordert, bewusst zu entscheiden, woher der Strom, den er oder sie nutzt, kommen soll. Jede und jeder einzelne kann durch einen nachhaltigeren und bewussteren Umgang mit Energie dazu betragen, dass dieses System der maximalen Bequemlichkeit, des maximalen Wachstums, der maximalen Profite für wenige nicht länger Bestand hat. Und jede und jeder einzelne kann Möglichkeiten entwickeln sich diesem System und seinen Symptomen direkt entgegen zu stellen.
Häufig sind Atomkraftgegnerinnen und -gegner mit dem vermeintlichen Argument konfrontiert, die Atomdebatte sei doch schon gegessen, der Atomausstieg sei ja schon von den Politikerinnen und Politiker beschlossene Sache. Das stimmt so nicht! Und warum der Atomausstieg kein wirklicher Ausstieg ist, darauf möchte ich jetzt drauf eingehen:
1) Der „Austieg ist eine Laufzeitverlängerung Beschlossen wurde, dass acht AKWS ihre Betriebserlaubnis verlieren, der Rest darf jedoch teilweise bis 2022 weiterlaufen, das bedeutet für manche AKWS eine Laufzeitverlängerung um bis zu fünf Jahre gegenüber dem alten Atomkonsens.
2) Durch die sogenannten „Kaltreserven“ bleibt ein alter Reaktor am Netz Dies wird entweder Biblis B oder Phillipsburg 1 sein. Mit „Kaltreserve“ ist ein Standby-modus gemeint, der Stromengpässe ausgleichen soll. Völlig vernachlässigt wird dabei, dass Akws viel weniger flexibel einsetzbar sind als erneuerbare Energiequellen wie zum Beispiel Windkraft. Bedenklich ist auch, dass ein Stand-by-akw fast genauso risikobehaftet ist wie ein akw im vollen Betrieb.
3) Die erneuerbaren Energien werden nicht genug ausgebaut Das Ausbauziel für erneuerbare Energien bis 2020, also 2 Jahre vor dem derzeit angekündigten endgültigem Atomausstieg, begrenzt sich auf 35%. Als Vergleichsgröße: zur Zeit sind die erneuerbaren Energien mit 16,5% an der Bruttostromerzeugung beteiligt. Darüber hinaus soll es keine weiteren Bemühungen geben, dieses Ziel zu erhöhen.
4)Wir brauchen eine dezentrale Energieversorgung. Geplant ist , dass die Atomkraft größtenteils durch ebenfalls zentrale Kohlekraftwerke ersetzt werden soll. Doch das ist der falsche Weg. Das bedeutet ein weiteres ökologisches Desaster und Machtkonzentration auf wenige Unternehmen. Sinnvoller wäre Ökostrom von unten organisiert. In dezentralen Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaften können keine Machtmonopole gebildet werden und die Beteiligten können selbst über ihre Stromproduktion und -nutzung bestimmen.
5)Unsere Gründe gegen Atomkraft bleiben so lange aktuell bis das letzte
AKW abgeschaltet ist! Noch 11 weitere Jahre Atomkraft sind 11 weitere Jahre zu viel!
Das bedeutet 11 weitere Jahre Uranabbau für diese AKWs, der zahlreichen Menschen ihre Gesundheit und ihr Leben kosten wird. Das bedeutet 11 weitere Jahre das Risiko eines Super-GAUs. Allein im nahegelegenen AKW Gronau sind seit 1985, also seit der Inbetriebnahme 226 meldepflichtige Unfälle passsiert, 10 davon im Jahr 2010.
Das bedeutet außerdem 11 weitere Jahre atomaren Müll, mit dem niemensch weiß wohin. Das bedeutet auch 11 weitere Jahre Plutonium, das bei der Wiederaufbereitung anfällt, regelmäßig auf mysteriöse Weise verschwindet und für Atomwaffen genutzt werden kann.
Jede und jeder einzelne hat Möglichkeiten sich dieser menschenverachtenden Ideologie in den Weg zu stellen: angefangen beim Wechsel des Stromanbieters. Atomstrom zu boykottieren ist einfach und konsequent. Es gibt zahlreiche Ökostromanbieter, die nicht unbedingt teurer sein müssen als Atomstrom. Jede und jeder, die gegen Atomstrom ist, sollte zumindest diesen Schritt gehen und Ökostrom beziehen. Wer noch einen Schritt weiter in diese Richtung gehen möchte kann auch lokale und damit dezentrale Erzeuger-Verbraucher-Stromgemeinschaften gründen und damit ökologisch noch konsequenter sein und sich dem Kapitalismus in diesem Bereich entziehen.
Wichtig ist auch den Protest auf die Straße zu tragen, so wie wir es gerade tun und nicht stillschweigend akzeptieren, dass über die Köpfe der Menschen Atomkraft von den Politikerinnen und Politikern und Großkonzernen durchgedrückt wird. Zu dem gibt es auch immer mehr Menschen, die sich nicht damit zufrieden geben ihre Meinung lediglich kundzutun, sondern sich der Atomindutrie aktiv in den Weg stellen.
So wird es auch bei dem diesjährigen Wendlandcastor verschiedene Widerstandsaktionen geben: zum Beispiel die Aktion „Castor schottern“, bei der versucht werden soll, das Gleisbett so massiv zu unterhöhlen, dass der Castor dort nicht mehr über die Schienen
fahren kann. Zudem wird es wieder die Schienenblockade „Widersetzen“ und die Straßenblockade „X-tausendmal quer“ geben. Besonders „X-tausendmal quer“ ist eine Aktion , bei der sich auch viele Menschen beteiligen, die eine niedrigschwellige Widerstandsform suchen, sich aber trotzdem dem Castor aktiv in den Weg stellen wollen. Fernerhin gab es bei den letzten Castoren auch immer Kleingruppen, die selbstorganisiert eigene Blockadeaktionen geplant haben. Mal sehen, was wir dieses Jahr zu erwarten haben. Ich hoffe wir sehen uns alle im Wendland wieder. Fahrt alle zum Castor 2011 und zeigt, dass ihr mit Atomkraft nicht einverstanden seid und beteiligt euch an Aktionen. Nehmt eure Freunde und Freundinnen mit und lasst uns dem Castor unsere Wut und Entschlossenheit entgegensetzen! Bis das letzte AKW abgeschaltet ist!