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Attac, LobbyControl und Mehr Demokratie: Mehr Transparenz, Mitbestimmung und Kontrolle nötig!

Initiativen ziehen Halbzeit-Bilanz: Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt

In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben die drei Organisationen Attac, LobbyControl und Mehr Demokratie am 27. Oktober eine ernüchternde Halbzeit-Bilanz der schwarz-gelben Regierungskoalition vorgelegt und sich dabei auch auf die neue Prostestbewegung gegen die Macht der Banken und für mehr Demokratie bezogen.

Zu Recht spielt der Ruf nach "echter Demokratie" bei den Protesten der Occupy-Bewegung auch in Deutschland eine wichtige Rolle. Union und FDP haben etliche Möglichkeiten zu Demokratiereformen ungenutzt verstreichen lassen. Was die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte, die Souveränität der Politik gegenüber Lobbyeinflüssen und die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger angeht, hat Schwarz-Gelb nichts bewegt.

"Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise eher als Erfüllungsgehilfe der Banken und anderer Finanzakteure denn als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger gehandelt", stellte Mike Nagler von Attac fest. Anstatt sich in Europa für eine strenge Regulierung der Finanzmärkte einzusetzen und die Banken endlich in die Schranken zu weisen, lässt sich die Bundesregierung von den Profiteuren der Krise vor den Karren spannen, setzt erneut auf milliardenschwere Bankenrettungspakete zu Lasten kommender Generationen und legalisiert Steuerflucht auf Kosten der Allgemeinheit. Das Primat der Politik über die Finanzwirtschaft muss hergestellt werden. Das kann aber nur gelingen, wenn auch die Politik wieder unter demokratische Kontrolle gebracht wird. Wir können uns unkontrollierte Banken, die mit eigentlich öffentlichem Geld weiter auf den Finanz- und Rohstoffmärkten spekulieren, nicht mehr leisten. "Die Bürgerinnen und Bürger gehen vollkommen zu Recht auf die Straße, denn diese Regierung repräsentiert nicht ihre Interessen und betreibt Entdemokratisierung", so Nagler.

Timo Lange von LobbyControl kritisierte verpasste Reformchancen in den Bereichen Lobby-Transparenz, Offenlegung von Abgeordneten-Nebeneinkünften und Parteienfinanzierung: "Schwarz-Gelb hat nichts unternommen, um die Demokratie durch mehr Transparenz im Bereich Lobbyismus zu stärken. Ein verpflichtendes Register für alle Lobbyisten wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und damit größerer Legitimität politischer Entscheidungen", so Lange. "Die Regierungskoalition hat mehrere Anträge der Opposition dazu rundheraus abgelehnt, ohne überzeugende Argumente vorbringen zu können." Auch in
anderen Bereichen hat die Koalition darin versagt, die engen Verflechtungen zwischen Politik und finanzstarken Lobbygruppen
aufzubrechen. So wurde eine angekündigte Reform der Offenlegungspflichten für Abgeordneten-Nebeneinkünfte nicht umgesetzt
und mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung verhindert. "Die Staatengruppe gegen Korruption hat vor zwei Jahren deutlichen Reformbedarf im Bereich der Parteienfinanzierung, etwa beim Sponsoring, festgestellt. Schwarz-Gelb hat diese Vorschläge in der Schublade verschwinden lassen", kritisierte Lange. "Auf diese Weise wird es der Regierung nicht gelingen, dem Ruf nach mehr Unabhängigkeit der Politik nachzukommen."

"Seit 2009 herrscht auf Bundesebene eine direktdemokratische Flaute", stellte Mehr Demokratie-Vorstandssprecher Michael Efler fest. Zum wiederholten Mal scheiterte 2010 ein Gesetzentwurf zur Einführung bundesweiter Volksabstimmungen, weil CDU und FDP die notwendige Zweidrittelmehrheit verhinderten. "Die schwarz-gelbe Koalition hat nicht einmal den im Koalitionsvertrag versprochenen Ausbau des Massenpetitionsrechts umgesetzt – das hätte zumindest ein bisschen frischen Wind gebracht", so Efler. Im Bereich des Wahlrechts kritisierte Mehr Demokratie vor allem die von CDU/CSU und FDP durchgesetzte
Neufassung des Bundeswahlgesetzes. "Das Bundeswahlrecht ist nach wie vor verfassungswidrig und kann den Wählerwillen in absurder Weise verzerren", erklärte Efler. "Schwarz-Gelb hat das Urteil des Verfassungsgerichts von 2008 ebenso missachtet wie die Interessen der Bevölkerung." Mehr Demokratie organisiert deshalb gemeinsam mit Wahlrecht.de eine von Bürgern getragene Verfassungsbeschwerde gegen das aktuelle Wahlgesetz.

Mehr Demokratie, Lobby Control und Attac riefen die Bundesregierung auf, die verbleibende Regierungszeit zu nutzen, um ernsthafte Demokratiereformen auf den Weg zu bringen. Das Gefühl einer Krise ist allgegenwärtig – ob nun im Bereich der Finanzmärkte, fehlender Mitsprachemöglichkeiten oder mangelnder Transparenz. "Es gibt viele Lösungsansätze zur Bewältigung der Krise – sie müssen bloß den Sprung von der Straße in die Parlamente schaffen" – so das gemeinsame Fazit der Organisationen.