Lithium in der Mobilitätswende
Akku voll - Umwelt kaputt
Die Gewinnung von Lithium verursacht in den Abbauländern – vornehmlich in Chile oder Argentinien - eine enorme Zerstörung des fragilen ökologischen Gleichgewichts. Zudem ist sie geprägt von Ignoranz gegenüber der einheimischen Bevölkerung und von Missachtung von Arbeitsrechten. Dennoch hat ein wahrer Lithiumrausch die Geschäfts- und Politikwelt erfasst. Auf der Suche nach dem „Gold für Akkus der ungebremsten Mobilität“ werden fast täglich neue Lagerstätten gemeldet. Denn Lithium soll in großem Maße zur Herstellung von Batterien für E-Autos genutzt werden, einem der Leitprodukte des „grünen“ Kapitalismus. Eine klimagerechte Mobilitätswende muss die individuelle Nutzung von E-Autos jedoch begrenzen, um den kostbaren erneuerbaren Strom in lebenswichtigeren Bereichen wie der Wärmeversorgung einzusetzen. Große, schwere E-SUVs gehören wegen ihren tonnenschweren Lithium-Ionen-Akkus abgeschafft. Die Alternative sind Bahn & Bus und in begrenztem Maße kleinere E-Autos, für die schon Natrium-Ionen-Akkus auf dem Markt sind.
Vor der Unterzeichnung des EU-Chile-Handelsabkommens im Februar 2024 hat Attac mit der Kampagne Lithium-Raub der EU in Chile stoppen! auf die verheerenden Folgen des Lithiumabbaus speziell in Chile aufmerksam gemacht.
Lithium auf der IAA 2025
Unter dem Motto "Kleiner, weniger, langsamer!" wird sich Attac auch dieses Jahr wieder mit Aktionen und Veranstaltungen am Protest gegen die Internationale Automobilausstellung vom 9.-14.September in München beteiligen.
Als Kampagne "Rohstoffenergiehunger stoppen!" wollen wir mit 2 Veranstaltungen im Mobiwendecamp in München Vertreten sein:
Lithium: Raubbau für unbegrenzte Mobilität
Lithium wird in großen Mengen für Batterien der aufstrebenden E-Mobilität gebraucht. Die Gewinnung von Lithium verursacht in den Abbauländern jedoch enorme Naturzerstörung.
Als Kampagne "Rohstoffenergiehunger stoppen!" haben wir Aktivist*innen aus Serbien, Portugal und dem Erzgebirge eingeladen, die von ihren Kämpfen gegen die Zerstörung ihres Lebensraumes berichten.
Zeit für Verbote? – Zur notwendigen Regulierung im Straßenverkehr
Appelle zur Reduzierung von CO2 und Schadstoffen im Verkehrsbereich laufen ins Leere. Die Autoindustrie baut aus Profigründen weiter große und schwere Autos, die Politik reagiert nicht. Ist die Zeit für Verbote gekommen? Müssen Größe, Leistung und Geschwindigkeit von Autos gesetzlich begrenzt werden? Darüber diskutieren wir.


Interview mit Jovana aus Belgrad Lithium aus Serbien - Raubbau für unbegrenzte Mobilität
Auf die Gegenaktiväten zur Internationalen Automobilausstellung IAA im September in München hatte Attac die Klimaaktivistin Jovana S. aus Belgrad eingeladen, um im Mobiwendecamp und auf der Demonstration zu sprechen.
Jovana, du hast die lange Reise aus Serbien auf dich genommen. Was führt dich her?
Jovana: Ich komme vom Netzwerk „Mars sa Drina“. Wir führen im Jadartal im Westen Serbiens zusammen mit den ansässigen Bauern einen Kampf gegen den geplanten Abbau von Lithium. Das Jadartal ist eine fruchtbare landwirtschaftliche Gegend mit ca. 20.000 Einwohnern in 22 Dörfern. Dort will der Bergbaukonzern Rio Tinto auf mehr als 2000 Hektar Land in großem Stil Lithium abbauen, dass für Batterien für den Ausbau von Elektromobilität gebraucht wird.
Was befürchtet ihr?
Jovana: Die geplante Mine wird verheerende Auswirkungen auf den gesamten Lebensraum haben. Viele Bauernhöfe müssen aufgegeben werden, Menschen müssen ihre Heimat verlassen. Die gewaltigen Mengen Abwasser verunreinigen die Böden und verseuchen das Wasser. Nach Probebohrungen wurden wesentlich erhöhte Bor-, Lithium- und Arsenwerte im Flusslauf unterhalb der geplanten Abbaustätte festgestellt. In diesem Bereich befindet sich auch einer der größten Wasserspeicher Serbiens. Ein größeres Leck könnte die Wasserversorgung von 2,5 Millionen Menschen gefährden.
Wie haben sich die Proteste entwickelt?
Jovana: Rio Tinto hat schon 2020, lange vor Veröffentlichung der eigentlich notwendigen Studie über die Risiken des Lithiumabbaus im Jadartal, mit dem aggressiven Aufkauf von Häusern im Tal begonnen. Ab Ende 2021 gab es dann Massenproteste gegen das Projekt. Anfang 2022 waren landesweit 200 000 Menschen auf der Straße, der größte Umweltprotest in Serbien überhaupt. Über 500 000 Menschen haben Petitionen unterschrieben. Die Regierung sah sich daraufhin 2022 gezwungen, die Abbauerlaubnis zu widerrufen. Im Juli 2024 erklärte das oberste Gericht Serbiens den Widerruf für rechtswidrig. Also wieder grünes Licht für das Projekt. Eine Gesetzesinitiative zum Verbot von Lithiumabbau wurde vom serbischen Parlament im Oktober 2024 abgelehnt. Aber die Proteste gehen weiter. Wir sind sicher, dass wir gewinnen werden.
Was hat Deutschland damit zu tun?
Jovana:
Die EU hat großes Interesse an der Sicherung von kritischen Rohstoffen, siehe den Critical Raw Material Act von 2023. Dazu gehört auch Lithium. Gleich nach dem Gerichtsspruch reiste der damalige Bundeskanzler Scholz im Juli 2024 nach Belgrad und unterzeichnete mit Präsident Aleksandar Vucic und dem stellvertretenden EU-Kommissionspräsidenten Maros Sefcovic ein Abkommen über strategische Partnerschaft zu „nachhaltigen Rohstoffen, Batteriewertschöpfungsketten und Elektrofahrzeugen“. Dabei anwesend waren auch Vertreter von Rio Tinto, Mercedes Benz, Stellantis.
Zu dem Abkommen gab es eine Anfrage der Linksfraktion im deutschen Bundestag. In der Antwort des Wirtschaftsministeriums – damals noch unter Minister Habeck - heißt es: „Die Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften in Serbien obliegt der serbischen Regierung ….. Die Bundesregierung wird bei der Sicherstellung der genannten Standards unterstützen – sofern von der serbischen Regierung darum gebeten“. Was hälst du davon?
Jovana: Das ist ein Freibrief für Umweltzerstörung. Die serbische Regierung wird sich niemals bei der Einhaltung von Standards in die Karten gucken lassen. Das weiß die deutsche Regierung auch. Die Massenproteste gegen die Korruption im serbischen Staatsapparat sind auch bis Berlin durchgedrungen. Insofern ist die Sorge um ökologische Standards nichts als Heuchelei. Die EU und Deutschland wollen Lithium um jeden Preis.
Was können wir zu euer Unterstützung tun?
Unsere Proteste werden von der Regierung massiv kriminalisiert. Deshalb hilft uns jede Öffentlichkeit und ich bin froh, hier mit euch sprechen zu können. Verbreitet unsere Forderungen, macht die Menschen mit unserem Protest bekannt, wo ihr nur könnt.
Eine letzte Frage. Seid ihr gegen Dekarbonisierung, gegen den Umstieg auf Elektromobilität?
Jovana: Nein, überhaupt nicht. Wir sehen auch, dass es ein Aus für Verbrennermotoren geben muss. Aber es darf kein 1:1 Austausch hin zu Elektroautos geben. Eine ökologisch tragfähige und sozial gerechte Mobilitätswende muss die Zahl der Autos insgesamt verringern und die Autos müssen kleiner und leichter werden. Dann können da auch umweltschonende Natrium-Batterien eingebaut werden und es müssen nicht weiter Lebensräume für die Gewinnung von Lithium zerstört werden.
Das Interview führte Achim Heier, Koordinator der Attac-Bildungsaktivitäten bei der IAA 2025.
Steckbrief Lithium
Aufgrund seiner elektrochemischen und physikalischen Eigenschaften ist Lithium ein idealer Kandidat, um Akkumulatoren mit hoher Energiedichte (ca. 260 Wh/kg) herzustellen.
Lithium kommt zwar relativ häufig auf der Erde vor, allerdings meist nur in geringen Konzentrationen. Seine Gewinnung ist daher aufwändig. Es gibt zwei Prozessrouten zur Gewinnung:
Aus Festgesteinsvorkommen werden aktuell 60 % des weltweiten Lithiumangebots gewonnen, fast ausschließlich in Australien. Das gewonnene Lithiummineral wird zur Weiterverarbeitung zu den Batterievorprodukten Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid nach Asien verschifft. Da die exportierten australischen Lithiumminerale nur eine Konzentration von 6 % Li2O und mehr als 90 % an „taubem Gestein“ aufweisen, werden beim Transport nach China hohe Mengen an Treibhausgasen freigesetzt. Der CO2-Äquivalenzwert ist daher bei der Gewinnung aus Festgestein um den Faktor 7 höher als bei der Gewinnung aus Sole.
Der überwiegende Rest wird aus Solevorkommen in Chile und Argentinien im südamerikanischen „Lithium-Dreieck“ gewonnen und dort zu Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid raffiniert. Diese gehen ebenfalls in die batterieproduzierenden Länder China, Südkorea und Japan.
In Europa liegen lohnenswerte Festgesteinsvorkommen in z.B. in Serbien oder im Erzgebirge. Im serbischen Jadartal ist die Erschließung wegen heftiger Proteste der lokalen Bevölkerung umkämpft. Die Gewinnung aus kontinentalen Tiefengewässern in Verbindung mit geothermischer Wärmegewinnung ist noch in Erprobung (z.B. Oberrheingraben).
Die Gewinnung von Lithium ist hoch umweltbelastend. In beiden Prozessrouten sind enorme Mengen an Wasser nötig. Da viele Chemikalien zum Extrahieren des Lithiums eingesetzt werden, wird zurückbleibendes Wasser durch Chemikalien und nicht brauchbare Schwermetalle verschmutzt. Darüber hinaus wird der Wassermangel rund um die Salare in Chile und Argentinien dadurch verschärft.
70% der weltweiten Lithiumgewinnung ist bei 5 Konzernen konzentriert. Die Gewinnung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Lag das Wachstum der Förderung vorher bei 6% jährlich, so stieg es seit 2015 auf durchschnittlich 20%. Mit der Ausweitung von E-Mobilität ist mit noch größeren Steigerungsraten zu rechnen. Die weltweiten Reserven in den erschlossenen Minen und Salaren (nicht zu verwechseln mit den Ressourcen, also Lagerstätten, die zwar „gefunden“, aber noch nicht erschlossen sind) könnten in wenigen Jahren erschöpft sein und weitere Erschließungen nötig machen. So reichen z.B. die z.Zt. größten Reserven in Chile gerade einmal knapp 3 Jahre, um eine Umstellung der aktuellen weltweiten PKW-Produktion auf Lithium-Mobilität zu gewährleisten. Der Bedarf an Lithium zur Umstellung des aktuellen weltweiten PKW-Bestandes auf Lithium-Mobilität würde die weltweiten Reserven um das Dreifache überschreiten.
Alternativen
Erzgewinnung, Raffinierung, Transport und Batterieherstellung tragen zu einem erheblichen CO2-Fußabdruck von Lithium-Ionen-Akkus bei.
Die chinesische Firma JAC (eine VW-Partnerfirma ) hat 2024 Elektro-Autos mit Natrium-Ionen-Akku auf den Markt gebracht. Der weltweit größte Batteriehersteller, die chinesische CATL hat ein hybrides Batteriepaket entwickelt, bei dem Natrium-Ionen- und Lithium-Ionen-Akkus in ein einziges Batteriesystem integriert werden.
Natrium ist um ein Vielfaches umweltschonender. Natriumbatterien haben jedoch eine um 60% geringere Energiedichte (ca. 160Wh/kg), die bei gleichem Gewicht zu einer geringeren speicherbaren Energiemenge führt: Statt 160km mit Lithium komme ich mit Natrium nur 100km weit. Reduziere ich mit Natrium die Geschwindigkeit um 25% (z.B. von 160km/h auf 120km/h), komme ich gleich weit.
Insbesondere in Anwendungen, bei denen die im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus geringere Energiedichte keine Rolle spielt, wie beim Speichern von Strom aus Wind und Photovoltaik, sind die Vorteile unübersehbar. Das sollte aber nicht dazu verleiten, zu meinen, mit dieser alternativen Technologie seien alle Probleme gelöst– auch Akkus auf Natriumbasis müssen geladen werden und die Fahrzeuge müssen gebaut werden. Das verbraucht Rohstoffe, Ressourcen und Energie in hohem Maße.

