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Michael Brie: Auswege aus der Krise des Neoliberalismus

 

Abstract:

"Der Neoliberalismus setzte sich in der Krise des Fordismus und keynesianischen Wohlfahrtstaats gegen eine Reihe von Alternativen als Herrschaftsprojekt von Finanzmarktkapital und Vermögenseigentümern,
den Falken US-amerikanischer Vormacht durch. Es basierte auf einem spezifischen Interessenbündnis mit Teilen der Mittelschichten, integrierte libertäre Lebensentwürfe und kulturelle Praxen, setzte konkrete hegemoniefähige Projekte (Abkehr vom Sozialstaat, Privatisierung,
Deregulierung, uneingeschränkte Vormacht der USA…) durch. eine neue globale Arbeitsteilung wurde hervorgebracht, die einer Reihe von Entwicklungsländern Aufstiegsmöglichkeiten eröffnete, andere abstürzen ließ.
Die Verbindung von Finanzmarkt-Kapitalismus, Vormacht der USA, Unterordnung unter die Oberschichten erzeugen eine vierfache Krise: eine Krise der sozialen Reproduktion, der soziokulturellen Integration, der politischen Legitimation und der inneren wie äußeren Sicherheit. Die Vormacht der USA ist durch den Aufstieg globaler Konkurrenten gefährdet. Eine Ära neuer Kriege hat begonnen.
Vereinfacht können vier Auswege aus der Krise des Neoliberalismus skizziert werden: neokonservative bzw. neosozialdemokratische Gestaltung des Finanzmarkt-Kapitalismus, totalitäre Herrschaft eines entfesselten Kapitalismus oder Übergang zu einer solidarischen Entwicklungsweise. Sie sind alle postneoliberal, da sie die genannten Tendenzen teils modifizieren, teils grundlegend verändern.
Die Krise des Neoliberalismus stellt so eine Chance dar und ist zugleich durch fundamentale neue Gefährdungen bzw. die Zuspitzung alter gekennzeichnet. Sie ist ein Kampffeld mit Widersprüchen zwischen den Kräften aller vier Alternativen und zugleich jeweils partiellen Bündnismöglichkeiten.
Der Erfolg der Suche nach einer emanzipatorisch-solidarischen Alternative hängt von der Fähigkeit ab, einen entzivilisierten Kapitalismus zu verhindern, die autoritär-konservative Gestaltung des Finanzmarkt-Kapitalismus zurückzudrängen und aus den Widersprüchen der sozialliberalen
Gestaltung des Finanzmarkt-Kapitalismus und der Entwicklung eigener alternativer Produktivität und eines solidarischen Bündnisses ausstrahlungsfähige Projekte einer anderen Art postneoliberaler
Entwicklung hervorzubringen.
Die Bedingungen dafür in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland sind bisher sehr beschränkt. Es sind bestenfalls erste Elemente einer solidarischen Alternative entstanden.
Ziel der emanzipatorischen Bewegungen sollten eine solidarische Wirtschaftsordnung, eine neue Lebensweise und partizipative Demokratie sein – regional, europäische und global. Sie würde auf einer pluralen Eigentumsordnung von öffentlichem, gemeinschaftlichem, assoziierten und individuellen Besitzformen basieren."

 

Über den Autor:

Michael Brie ist Philosoph, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Rosa-Luxemburg-Stiftung, ehem. Professor für Sozialphilosophie an der HU Berlin

 

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