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Kommentar zur Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunen

[6.3.2015] In den letzten Tagen erreichen uns immer wieder verunsicherte Nachfragen aufgrund einer Einschätzung vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags, der sich mit der "Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen" auseinandersetzt. Der Autor Dierck Wahlen formuliert darin, dass sich Gemeindevertretungen ausschließlich mit "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" beschäftigen dürften und andererseits "rechtswidrig" handeln würden.

Offensichtlich zeigt unsere Kampagne Wirkung.
Auf kommunaler Ebene braut sich genügend zusammen, dass die TTIP-Befürworter es für nötig halten, dem Ungehorsam von Unten einen Riegel vorzuschieben. In diesem Fall einen formaljuristischen.

Dabei ist die Befassungskompetenz von Kommunen keineswegs unumstritten. Im herangezogenen sogenannten Rastede-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 1988 werden die "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft", mit denen sich Gemeinden laut kommunalem Selbstverwaltungsrecht befassen dürften, auch als jene gemeinsamen Interessen verstanden, die "das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen". Die Freihandelsabkommen drohen aber eben gerade Gesetzgebungen zu betreffen, die in ihren Konsequenzen stark in Bereiche gemeindlichen Zusammenlebens eingreifen würden. In einem demokratisch organisierten Staatswesen muss eine Befassung daher zulässig sein.

(Ergänzung Stand 10. April 2015)

Am 13.3. hat der Deutsche Landkreistag (Spitzenverband der Landkreise) eine sehr genaue und entschiedene Gegenstellungnahme in einem Brief an Peter Ramsauer (CSU) und den Ausschuss für Wirtschaft und Energie des BT formuliert. Der Landkreistag schreibt wörtlich: "Wir halten die Bewertung (der wissenschaftlichen Dienste des BT) für nicht zutreffend." Er verweist darauf, dass TTIP und Co. in die kommunale Daseinsvorsorge, das öffentliche Beschaffungswesen und andere Bereiche von kommunaler Bedeutung sehr wohl eingreifen würden und sich Kommunen und Landkreise auch vorsorgend und nicht erst nach Abschluss der Verträge damit befassen können.

Schon zuvor stellte das nordrhein-westfälische Innenministerium aus aktuellem Anlass klar, dass sich „eine Befassungskompetenz der Räte und Kreistage in Bezug auf das vorgesehene Freihandelsabkommen TTIP [ergeben kann], wenn in den Anträgen ein spezifischer Bezug zur örtlichen Situation hergestellt wird.“

Ähnlich argumentiert das bayerische Innenministerium auf direkte Anfrage im Landtag: „Bezogen auf internationale Handelsabkommen ist ein solcher Zusammenhang – je nach dem konkreten Inhalt des Beschlusses – möglich. Insoweit wird die im Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (...) vertretene Auffassung (...) nicht geteilt.” Dies wird vom Bayerischen Gemeindetag nachdrücklich unterstützt.

Auch das niedersächsische Innenministerium argumentiert, dass das Recht zur Einschätzung, welche Themen auf Kommunenebene diskutiert werden müssen, bei den Kommunen selbst liege. Dabei würden die Verhandlungsgegenstände der Wirtschaftsabkommen eine größere Zahl von Bezugspunkten aufweisen, "die im Einzelfall eine Befassungskompetenz von Kommunen begründen können."

Hier ein Widerspruch zum Gutachten aus dem Blog "Junge Wissenschaft im öffentlichen Recht".

(Ende Ergänzung)

In vielen anderen Bereichen ist die politische Auseinandersetzung und Willensbildung in Kommunen zu Themen von internationaler oder gar globaler Tragweite nicht nur obligatorisch, sondern auch gewünscht - etwa bei Initiativen zum Klimaschutz. An anderer Stelle formieren sich Städtebündnisse, wie das „Aktionsbündnis Für die Würde unserer Städte“. Die kommunale Ebene spielt hier ganz klar eine politische Rolle - und so sind auch die Stellungnahmen zu verstehen, in denen sich diverse kommunale Spitzenverbände kritisch gegenüber den Verhandlungen äußern (Links siehe rechte Spalte).

Wir halten diese Art wohlverstandener Einmischung nicht für "rechtswidrig", sondern für zwingend notwendig - dagegen aber Wahlens Rechtsauslegung für entsprechend einseitig. Wir rufen dazu auf, sich von solchen behördlichen Einschüchterungsversuchen nicht beirren zu lassen: Gegen den Durchmarsch der Profitinteressen braucht es Aufbegehren - gerade auch in den Kommunen.

Auf rein praktischer Ebene bietet es sich dennoch an, ein oder mehrere örtliche Beispiele für betroffene Strukturen in der Resolution aufzuführen, um so besser argumentieren zu können. Und selbst wenn die Resolution formal ungültig sein sollte, ändert das nichts an ihrer politischen Wirkung. KeinE BürgermeisterIn wird vor Gericht verurteilt werden, weil der Gemeinderat eine Resolution über Freihandelsabkommen beschlossen hat.

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