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Grüner Wasserstoff – Kolonialismus 2.0?

Attac protestiert vor Berliner Firmensitz von Enertrag gegen Energiekolonialismus

 

Attac hat am heutigen Freitag vor der Berliner Niederlassung des deutschen Energiekonzerns Enertrag mit einer Bildaktion protestiert. Aktivist*innen in Morphsuits stellten internationale Unternehmen dar, die symbolisch grünen Wasserstoff aus Namibia in die EU und nach Deutschland abtransportieren. Ein Euro-Gefäß symbolisierte dabei den enormen Profit, der so in der EU landet. Das Netzwerk für globale Gerechtigkeit kritisiert mit der Aktion den enormen Ressourcenhunger Deutschlands und Europas nach dem begehrten Rohstoff Wasserstoff, der die grüne Energiewende in den reichen Ländern des Nordens vorantreiben soll.

Das geplante Megaprojekt "Hyphen" in Südnamibia soll grünen Wasserstoff erzeugen. Enertrag zählt zu den Hauptanteilseignern des Projekts. Zu den geplanten Hauptabnehmern von Ammoniak aus "Hyphen" gehörte bis vor Kurzem der deutsche Energieriese RWE. Dieser zog sich nach zunehmender Kritik von indigenen Aktivist*innen aus Namibia vollständig aus dem Projekt zurück und teilte dies in einem Brief an die Nama Traditional Leaders Association (NTLA) mit.

"Wir begrüßen den Rückzug von RWE, denn das ‚Hyphen‘-Projekt soll auf angestammtem Land der Nama ohne Berücksichtigung indigener Rechte durchgesetzt werden. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Wahrung indigener Rechte und Souveränität", sagt Paul Thomas von der NTLA. "Wir fordern Enertrag auf, ebenfalls nicht weiter indigene Rechte zu missachten und unsere Forderung nach einer umfassenden Bewertung der Auswirkungen des Projekts auf Umwelt, Gesellschaft, Kultur und Menschenrechte zu erfüllen." Enertrag hält aktuell jedoch weiterhin an "Hyphen" fest und verweigert zudem direkte Gespräche mit namibischen Aktivist*innen, die derzeit im Rahmen der von Attac organisierten Speakers Tour "Grüner Wasserstoff aus Namibia – ein neues Kapitel deutscher Kolonialgeschichte?" in Deutschland zu Gast sind. Attac unterstützt die Forderung der namibischen Aktivist*innen nach einem Rückzug von Enertrag mit dem Protest vor der Berliner Niederlassung.

Für Attac zeigt sich am Beispiel von grünem Wasserstoff, dass die Energiewende in Europa neokoloniale Züge annehmen kann. Namibia hat ein riesiges Potenzial für die Produktion regenerativer Energie, doch kommt diese nicht bei den Menschen vor Ort an. "Es muss befürchtet werden, dass Namibia weiterhin dreckigen Strom aus Südafrika importiert und die im Land erzeugte saubere Energie aus Wasserstoff ausschließlich der grünen Energiewende in Europa dient", kritisiert Törk Hansen von der Attac-Projektgruppe H2-Namibia.

Trotz großer Bedenken soll im Rahmen des "Hyphen"-Projekts Energie in einem namibischen Nationalpark gewonnen werden. Dadurch sind sowohl die besondere Biodiversität des Parks als auch marine Ökosysteme durch die salzigen Abwässer der erforderlichen Elektrolyse gefährdet. Auch angesichts der deutschen Kolonialgeschichte und des Völkermords an den Ovaherero und Nama ist das Projekt besonders problematisch. "Hyphen" wird in einem Gebiet realisiert, das vor dem Genozid durch die deutsche Kolonialmacht der Lebensraum der Nama war. Vor diesem Hintergrund ist es besonders skandalös, dass es in der gesamten Projektlaufzeit keine echten Konsultationen mit lokalen Institutionen und Vertretungen der Nama gab. Zudem soll der Hafen von Lüderitz für den Export ausgebaut werden. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf Shark Island haben und bedroht den dortigen Gedenkort an das erste deutsche Konzentrationslager in Namibia. Attac unterstützt die Forderungen aus der namibischen Zivilgesellschaft nach einem Stopp des Projekts und der Durchführung einer umfassenden Risikobewertung.

"Die Energiewende in den reichen Ländern des Nordens darf nicht auf Kosten von Menschen und Umwelt in den ärmeren Ländern des Südens gehen", sagt Hansen. Attac hält den Einsatz grünen Wasserstoffs zwar grundsätzlich für sinnvoll, doch er wird auch in Zukunft knapp sein. Deshalb fordert Attac, seinen Einsatz auf absolut notwendige und nicht elektrifizierbare Bereiche zu beschränken.

Bilder der Aktion zeitnah hier: http://attac.de/wasserstoff-aktion-berlin

Weitere Informationen: http://attac.de/namibia-wasserstoff 
Für Rückfragen und Interviews: Törk Hansen, Attac-Projektgruppe H2-Namibia, 01784475124