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Zum Selbstbestimmungsgesetz

Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am 23. August 2023 den "Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften" beschlossen, um Namens- und Geschlechtseintragsänderungen für trans* & inter* Personen zu vereinfachen. Das neue Gesetz löst das alte Transsexuellengesetz ab, das hohe Hürden und entwürdigende Anforderungen zur Änderung des Geschlechtseintrags vorgibt. Deshalb ist es längst überfällig, doch das aktuelle Gesetz hat noch immer Änderungsbedarf. Einerseits ist es ein Fortschritt, dass Personen ihren Personenstand einfach beim Standesamt ändern lassen, ohne dafür teure Gutachten und lange Wartezeiten vorweisen zu müssen (Artikel 1, § 2). Andererseits kommen in vielen Bereichen das Misstrauen, Stereotype und Vorurteile gegen Transgender-Personen durch, wie nicht nur von Transgender-Organisationen kritisiert wird. Das betrifft z.B.
•    die Anmeldung beim Standesamt (§ 4) zwischen 3 und 6 Monaten vor der Erklärung,
•    die Sperrfrist (§ 5 (1)) von 1 Jahr,
•    der extra Verweis auf die Vertragsfreiheit und das Hausrecht (§ 6 (2)),
•    die Zuordnung von Trans*-Frauen zum männlichen Geschlecht im Spannungs- und Verteidigungsfall (§ 9)
•    und die Übermittlung umfangreicher persönlicher Daten an die Strafverfolgungsbehörden (§ 13 (5)).
Letzteres stellt trans* und nichtbinäre Personen unter Generalverdacht. All diese Punkte unterstellen, dass Personen, die eine solche Erklärung abgeben, dies missbräuchlich oder unüberlegt tun. Unabhängig davon, dass bei § 9 zwei Monate vor Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls dies meist noch nicht absehbar ist und der bürokratische Aufwand durch die Anmeldung beim Standesamt vergrößert wird: Für viele andere Regelungen wird nicht unterstellt, dass Handlungen missbräuchlich oder unüberlegt erfolgen. So haben z.B. bestimmte Vertrags- und Kaufvorgänge eine wesentlich größere Auswirkung, z.B. für die Verschuldung oder bei den Verträgen zur PKW-Maut, ohne dass das Widerrufsrecht 3 Monate beträgt. Warum gilt dies bei der Änderungen zum Geschlechtseintrag bzw. ähnlich bei anderen benachteiligten Gruppen (z.B. schwangere Frauen nach § 218a (1) 1 Strafgesetzbuch)? Warum gilt dies nicht bei Personen in Machtpositionen?
Davon abgesehen: Schon bei der nach der Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz und bei der Bekämpfung des Rassismus in den USA wurde festgestellt: Formal die gleichen Rechte zu bekommen, ist zwar schwierig, aber noch viel schwieriger ist die Beseitigung sozialer Ungleichheit. Das bedeutet in diesem Fall: Selbst wenn alle Personen den gleichen Geschlechtseintrag hätten, bedeutet das nicht, dass die Einkommen und die Sorgearbeit gleichverteilt wären. Es gibt also noch viel zu tun.

 

Mehr Infos:: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175740.transrechte-mehr-selbstbestimmung-weniger-schikane.html, https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/Sonstiges/20230823_stellungnahme_ubad_sbgg.html?nn=305458  und zwei JW-Artikel:  www.jungewelt.de/artikel/print.php und www.jungewelt.de/artikel/print.php.