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Wie Private Equity es sich im deutschen Wirtschaftsmodell einrichtet

Private Equity ist eine Art Speerspitze des Finanzmarktkapitalismus. Hier werden Unternehmen am Markt gekauft und die Stakeholder eines Unternehmens sind direkt mit den Gewinnansprüchen der Investoren konfrontiert.

Bereits in den 1980er Jahren, als sich das Geschäftsmodell der Firmenübernahmen in den USA entwickelte („corporate raider“), erwartete man Auswirkungen auf den gesamten Unternehmenssektor. So erhoffte sich die Kapitalseite von diesen aktivistischen Investoren eine verbesserte Kontrollmacht, eine höhere Transparenz und einen leichteren Zugriff auf Gewinne und Vermögen der Unternehmen. Dagegen wurde aus arbeitnehmerorientierter Sicht darauf hingewiesen, dass sich mit diesen Eingriffen funktionierende Verflechtungen im Unternehmenssektor auflösen, die Unternehmensstrategien auf einen kurzen bis mittelfristigen Horizont justiert werden und der Verschuldungsgrad der Unternehmen steigt[1]. Mit der Ko-Finanzierung der Übernahmen durch Kredite, die dann auf die übernommenen Unternehmen überwälzt werden, etabliert sich eine asymetrische Verteilung des Risikos: Während die Finanzinvestoren die Verzinsung ihres Eigenkapitals durch die Kreditaufnahme verbessern (Leverage-Effekt), belastet diese die Unternehmen, erhöht ihr Insolvenzrisiko und senkt somit die Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmer. Trotz einer breiten öffentlichen und akademischen Debatte über den Finanzmarktkapitalismus in Deutschland[2] liegen über dieses spezielle und bedeutsame Segment wenige Erkenntnisse vor. Dies liegt auch an dem diskreten Geschäft: Im Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) ist nur ein Teil der aktiven Finanzinvestoren Mitglied und die einschlägigen Merger&Akquisition-Datenbanken oder die Marktberichte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erfassen das Übernahmegeschehen nur partiell bzw. haben einen selektiven Blick. Insbesondere über den deutschen Buyout-Markt kann man sich bloß anhand von Fallstudien ein Bild machen[3].

Seit einigen Jahren haben sich allerdings Informationsdienstleister auf Private Equity spezialisiert, deren Daten in der Forschung genutzt werden können. Anhand dieser Datenzugänge wird hier ein empirischer Überblick über die Tätigkeit von Private Equity-Gesellschaften in Deutschland gegeben. Im Vordergrund stehen dabei das Ausmaß der Übernahmen, die Private Equity-Akteure und die Frage, in wie weit sich diese Kapitalanlageklasse im deutschen Wirtschaftsmodell etabliert hat.

Ein Geschäftsmodell kommt nach Deutschland

Unter Private Equity wird hier das Geschäftsmodell des Kaufens und Verkaufens von Unternehmen verstanden[4]. Das Kapital stammt überwiegend von institutionellen Anlegern, z.B. von Pensionsfonds, Investmentgesellschaften und Vermögensverwaltern, die in geschlossene, auf meist zehn Jahre Laufzeit angelegte Fonds einzahlen. Zusätzlich werden häufig Kredite zur Finanzierung von Unternehmenskäufen aufgenommen, die nach dem Erwerb auf die übernommenen Unternehmen überwälzt werden. Ihren Profit erzielen die Private Equity-Gesellschaften sowohl durch Einnahmen während der Haltedauer des Unternehmens als auch durch den Wiederverkauf. Beim Erwerb strebt der Finanzinvestor meist nach einer Mehrheit am Eigentum des Unternehmens, um seine operativen und strategischen Ziele leichter durchsetzen zu können. Private Equity-Gesellschaften kaufen daher selten Unternehmensanteile an einem regulierten Kapitalmarkt wie z.B. einer Börse. Wenn sie sich hier doch engagieren, dann zielen sie meist auf eine vollständige Übernahme, gefolgt von einem De-Listing des Unternehmens. Private Equity-Gesellschaften sehen ihre Kernkompetenz in ihrem Wissen über den Kaufprozess von Unternehmen und über die Restrukturierung von Unternehmen. Dies grenzt sie von Hedgefonds ab, die ein viel breiteres Aktivitätsspektrum haben und Unternehmenskäufe nur im Falle einer zufälligen günstigen Gelegenheit vornehmen. In diesem Artikel stehen die Käufe der am Markt etablierten Unternehmen (Buyouts) im Fokus, während Wagniskapitalfinanzierungen (Venture Capital) für Gründer bzw. junge Unternehmen nicht einbezogen werden.

In Deutschland wurde Private Equity in großem Maßstab erst nach dem Jahr 2000 eingeführt, als die US-amerikanischen Finanzinvestoren weltweit neue Übernahmeziele suchten. Einen starken Impuls stellte die Anfang 2002 in Kraft getretene Steuerfreiheit für Gewinne aus dem Verkauf von Kapitalgesellschaften dar, was zahlreiche Konzerne motivierte, sich von weniger ertragreichen Firmenteilen zu trennen. Dies führte zu einer ansteigenden Welle an Firmenübernahmen durch Private Equity, die in den Rekordjahren 2007/08 gipfelten[5]. Dieser erste Buyout-Boom in Deutschland wurde jedoch durch die Finanzmarktkrise ab September 2008 jäh gestoppt. Da die Banken weltweit in Schwierigkeiten gerieten, wurden auch die Kredite für die Finanzinvestoren zurückgefahren und Wiederverkäufe („Exits“) von Unternehmen abgesagt. Private Equity-Gesellschaften mussten sich in den folgenden zwei Jahren stark um die Sanierung ihrer Unternehmen kümmern. Mit dem Wiederanspringen der Konjunktur in Deutschland zu Jahresbeginn 2010 stabilisierte sich jedoch bald auch das Private Equity-Geschäft wieder.

Kontinuierliche Firmenübernahmen

Seit dem Beginn des aktuellen Konjunkturzyklus liegt die Zahl der Firmenübernahmen in Deutschland bei ca. 200 Übernahmen pro Jahr[6]. Dabei waren jeweils mehr als 100.000 Beschäftigte in den betroffenen Unternehmen angestellt, wobei die Zahlen in den Jahren 2013 und 2014 rückläufig waren und das Volumen im Jahr 2016 bei 106.000 Beschäftigten lag. Im Durchschnitt waren damit 500 Beschäftigte in einem übernommenen Unternehmen tätig.

Die Finanzinvestoren sind in einer breiten Palette von Branchen aktiv. Die meisten Übernahmen fanden von 2012 bis 2016 in den innovations- und exportstarken Industriebranchen Deutschlands statt, d.h.in den Branchen Chemie/Kunststoff, Elektrotechnik/Elektronik, Fahrzeugbau und Maschinen-/Anlagenbau. Im Jahr 2016 vereinigte dieser Sektor zwei Fünftel der Übernahmen auf sich, gefolgt von dem Sektor Dienstleistungen (Handel, Logistik, Finanzdienste und sonstige Dienstleistungen), und dem Sektor Informations- und Kommunikationstechnik und Medien (beide 16 %).

Nach der Beschäftigtenzahl lag der industrielle Kernsektor (29 %) im Jahr 2016 knapp hinter dem Dienstleistungssektor und den sonstigen Branchen (beide 30 %). In den vorhergehenden Jahren wechselten sich der industrielle Kernsektor und der Dienstleistungssektor auf dieser Führungsposition ab.

Das finanzielle Volumen dieser Transaktionen umfasste in den vergangenen Jahren relativ konstant eine Spanne von 19 bis 24 Mrd. Euro. Zwar belief sich das Transaktionsvolumen nur auf 0,6 bis 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, aber gemessen am gesamten Transaktionsmarkt in Deutschland erreichte Private Equity einen Anteil von gut 35 Prozent an allen Transaktionen und von 67 Prozent am Wert der Transaktionen[7]. Bei den Veränderungen von Eigentumsverhältnissen hat diese Anlage somit erheblichen Einfluss. Jede mittelgroße und große Firma, die auf dem Markt für Unternehmenskontrolle angeboten wird, wird gegenwärtig wohl ein Angebot von Finanzinvestoren erhalten.

Die institutionelle Implementierung

Seit dem Markteintritt zahlreicher US-amerikanischer und britischer Private Equity-Gesellschaften ab etwa dem Jahr 2000 bestimmten diese den Markt in Deutschland. Die strukturelle Dominanz anglo-amerikanischer Akteure im globalen Finanzsystem[8] existiert auch in diesem Segment. Da das Buyout-Geschäft lokale Marktkenntnis erfordert, gründeten zahlreiche Gesellschaften bis zur Finanzkrise 2008/2009 Niederlassungen in Deutschland. Vor dem Jahr 2000 gab es nur wenige in Deutschland ansässige Private Equity-Gesellschaften. Diese waren zumeist, wie die Deutsche Beteiligungs AG als frühere Tochter der Deutschen Bank, von Banken und Versicherungen gegründet und später verselbständigt worden. In den Bonanza-Jahren der rot-grünen Regierungszeit wurden Folgegründungen an diesen Finanzplätzen angeregt und ein spezialisiertes Umfeld aus Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsberatern entstand. Private Equity konnte sich so auch institutionell im bankbasierten Finanzsystem Deutschlands einrichten.

Tatsächlich haben inzwischen die in Deutschland gegründeten Finanzinvestoren ein erhebliches Gewicht erlangt. Waren die angelsächsischen Private Equity-Gesellschaften bis zum Jahr 2013 vor allem nach der Beschäftigtenzahl und dem finanziellen Volumen bei den Übernahmen führend, so verantworteten die deutschen Private Equity-Gesellschaften in den Jahren 2014 bis 2016 nicht nur mehr als die Hälfte aller Übernahmen, sondern auch mit rund 30% den größten Teil des Beschäftigtenvolumens. Beim Transaktionsvolumen lagen die deutschen Private Equity-Gesellschaften gleichauf mit den US-Gesellschaften (23 Prozent) und vor den britischen Gesellschaften (19 Prozent).

Es können damit zwei vorherrschende Segmente der in Deutschland tätigen Private Equity-Gesellschaften unterschieden werden. Zum einen sind dies die international aufgestellten, auf zwei bis drei Kontinenten operierenden und auf mittlere bis große Übernahme orientierten Finanzinvestoren. Diese haben zumeist ein Fondsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro, betreiben ihr Fundraising vor allem in den USA und in Großbritannien und haben dort auch ihren rechtlichen Unternehmenssitz. Zum anderen sind dies die in Deutschland beheimateten Private Equity-Gesellschaften, die ihr Geschäft fast vollständig in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) betreiben. Sie sind auf mittelständische Firmen orientiert, wobei aktive Gesellschaften auch immer wieder einmal Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten übernehmen. Diese Investoren haben selbst meist weniger als zehn Beschäftigte und verfügen überwiegend über ein Fondsvolumen von weniger als 300 Mio. Euro. In den letzten Jahren wächst dieses Fondsvolumen an; so waren im Jahr 2016 bereits sechs Private Equity-Gesellschaften aus Deutschland mit einem Fondsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro ausgestattet.

Ähnliche Prozesse einer Implementierung des Private Equity-Modells in die nationalen Finanzsysteme vollziehen sich auch in den europäischen Nachbarländern. Die dortigen Gesellschaften sind stark auf ihren jeweiligen nationalen bzw. regionalen Markt (z.B. Benelux oder Skandinavien) orientiert. Einige große Investoren - vor allem in Frankreich, den Niederlanden und Schweden - erreichen ebenfalls Fondsvolumina von mehr als einer Milliarde Euro und stemmen zusätzlich einzelne, z.T. sehr große Buyouts u.a. auf dem deutschen Markt.

Fazit: Ein Brückenkopf des kapitalmarktbasierten Finanzsystems

Finanzinvestoren waren in Deutschland nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 nur eine kurze Zeit in der Defensive. Bei einem gegenwärtigen Volumen von 200 Übernahmen und von 100.000 davon betroffenen Beschäftigten pro Jahr hat Private Equity einen bestimmenden Einfluss auf dem Markt für Unternehmenskontrolle erlangt. Die asymetrische Risikoverteilung des Geschäftsmodells und ihre Belastungen für die Arbeitnehmer breiten sich in immer weiteren Bereichen der Ökonomie aus. Zudem sind diese Übernahmen für das System der industriellen Qualitätsproduktion in Deutschland relevant, da sich ein Drittel dieser Übernahmen in den vergangenen Jahren im industriellen Kernsektor vollzogen hat.

Typische Elemente des Geschäftsmodells wie die Struktur und die Konditionen der Fonds sind hierzulande inzwischen fest verankert. Dabei hat die Anwesenheit der großen anglo-amerikanischen Buyout-Gesellschaften in Deutschland zu einer dichten Unterstützungs-Landschaft und zu diversen deutschen Nachahmern, die das Segment der kleineren und mittleren Unternehmen bearbeiten, geführt.

Die stabile Entwicklung von Private Equity scheint ein weiteres Element der „Hybridisierung“ des deutschen Wirtschaftsmodells zu sein. Hier hat sich ein weiterer „Brückenkopf“ des kapitalmarktbasierten Finanzsystems mit festen Verbindungen zu den globalen Kapitalmärkten etabliert.

 

[1] Jörg Huffschmid/Margrit Köppen/Wolfgang Rhode (Hg.), Finanzinvestoren: Retter oder Raubritter? Neue Herausforderungen durch die internationalen Kapitalmärkte, Hamburg 2007. Reinhard Schmidt/Gerald Spindler: Finanzinvestoren aus ökonomischer und juristischer Persepektive. Baden-Baden 2008.

[2] Michael Faust/Jürgen Kädtler/Harald Wolf (Hg.), Finanzmarktkapitalismus? Der Einfluss von Finanzialisierung auf Arbeit, Wachstum und Innovation, Frankfurt a.M. und New York 2017.

[3] Jakob Haves/Sigurt Vitols/Peter Wilke, Financialization and Ownership Change: Challenges for the German Model of Labour Relations, in: Howard Gospel/Andrew Pendleton/Sigurt Vitols (Hg.): Financialization, New Investment Funds, and Labour. An International Comparison, Oxford 2014, S. 148-175.

[4] Vgl. Douglas Cumming (Hg.), The Oxford Handbook of Private Equity, Oxford 2012.

[5] Paul Jowett/Francoise Jowett, Private Equity. The German Experience, Houndsmills 2011.

[6] Vgl. zum Folgenden: Christoph Scheuplein/Florian Teetz, Private Equity-Aktivitäten in Deutschland 2014/2015. Eine Analyse von Buyouts, Exits und Private Equity-Gesellschaften, Düsseldorf 2017. Christoph Scheuplein, Private Equity Monitor 2017, Düsseldorf 2018. [Im Erscheinen]

[7] EY, Private Equity, Der Transaktionsmarkt in Deutschland. 2. Halbjahr 2016, www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-prasentation-pe-deal-survey-dez-2016/$FILE/ey-prasentation-pe-deal-survey-dez-2016.pdf

[8] Jan Fichtner, Perpetual Decline or Persistent Dominance? Uncovering Anglo-America's True Structural Power in Global Finance, in: “Review of International Studies”, 1/2017, S. 3-28.

 


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