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Wie kommen die Suffizienz und die Effizienz in die Welt

Die zukünftige Knappheit der Rohstoffe und der von uns Menschen verursachte Klimawandel erfordern eine grundlegende Veränderung unserer Produktions- und Konsumweise. Die Frage ist jedoch: Wie erreichen wir diesen Wandel unseres Konsumverhaltens und unserer Wirtschaftsweise?

Mit Appellen werden wir das Ziel nicht erreichen. Reiner Klingholz schreibt in seinem Buch „Sklaven des Wachstums“ auf Seite 90: Es ist geradezu absurd, die Welt über Appelle verbessern zu wollen. In diesem Aufsatz wird eine Methode vorgestellt, die dazu führt, dass alle Verbraucher suffizient konsumieren und alle Unternehmen Ressourcen-effizient produzieren (müssen).

Anforderungen für eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise

In vielen Beiträgen, Schriften und Büchern wird die Notwendigkeit für eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung betont, es wird der Einstieg in eine Post-Wachstums-Ökonomie gefordert, in der die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs um den Faktor 5 – 10 erreicht wird und aus den Veröffentlichungen des UNO-Klimarates (IPCC) vom Jahr 2007 ist bekannt, dass bis zum Jahr 2050 der weltweite Ausstoß aller klimaschädlichen Gase pro Jahr auf die äquivalente Menge von 2 t CO2 pro Person reduziert werden muss, damit der Temperaturanstieg unter 2 °C bleibt. In Deutschland stoßen wir z.Z. 12 t CO2/Person aus. Allein bei der Kunststoffproduktion, bei der Abfallbeseitigung und in der Forst- und Landwirtschaft werden klimaschädliche Gase (hauptsächlich Methan und Lachgas) ausgestoßen, die dem Äquivalent von mehr als 2 t CO2 entsprechen. Daraus wird ersichtlich, dass wir vor einer ganz gewaltigen Herausforderung stehen. Es fehlt jedoch an Vorschlägen, wie dieser Wandel erreicht werden kann. Mit diesem Beitrag möchte ich diese Lücke schließen.

Die bekannten Vorschläge

Damit die erforderlichen Reduktionsziele beim Ressourcenverbrauch und beim Ausstoß klima-schädlicher Gase erreicht werden, gibt es bis jetzt 2 grundlegend verschiedene Vorschläge:

  1. Den Green New Deal, oder auch Green Growth genannt und
  2. Die Suffizienz-Methode

Die Befürworter/innen des Green New Deal erwarten, dass mit einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien und mit der Effizienzsteigerung der Rohstoff- und Energienutzung die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaftsweise erreicht werden kann. Es wird sogar daran geglaubt, dass dann die Wirtschaft noch weiter wachsen könne; deshalb auch die Bezeichnung Green Growth.

Die Befürworter/innen der Suffizienz sind der Überzeugung, dass mit dem Green New Deal die Zukunftsfähigkeit der Ökonomie nicht erreichbar ist, insbesondere dann nicht, wenn die Wirtschaft weiter wächst. Sie wollen durch eine genügsame (suffiziente) Konsumweise und durch weniger industrielle Produktion erreichen, dass weniger Rohstoffe und Energie verbraucht werden.

Wie viele andere bin auch ich überzeugt, dass beides zwingend erforderlich ist. Nur durch geringeren und anderen Konsum werden wir das Ziel nicht erreichen können. Wir benötigen zusätzlich auf allen Gebieten signifikante Verbesserungen bei der Verarbeitung und Nutzung der Rohstoffe, bei der Energieerzeugung und bei der Energieverwendung und wir benötigen Anbaumethoden in der Land-wirtschaft, die mit weniger Energie und weniger Kunstdünger auskommen und durch Humusbildung Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden. Zusätzlich müssen wir mit weniger materiellem Konsum unser Leben gestalten.

Um den CO2-Ausstoß zu drosseln, wurde in der EU die Methode des CO2 Cap and Trade eingeführt, an dem sich alle Energiekonzerne und andere Betriebe mit hohem Energieverbrauch beteiligen müssen. Dieses System erfasst etwa 45 % des CO2-Ausstoßes, es war bis jetzt aber so gut wie ganz erfolglos, da die Menge der CO2-Zertifikate nicht im erforderlichen Umfang reduziert wurde. Auch die in Deutschland heftig diskutierte Energiewende konnte in den letzten 3 Jahren einen Anstieg des CO2-Ausstoßes nicht verhindern.
Für die Reduzierung der übrigen 55 % des CO2-Ausstoßes wurden in Deutschland bis jetzt nur einige wenige Vorschriften erlassen. Mit den bis jetzt beschlossenen Maßnahmen kann laut einer Studie, die von der letzten Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, bis zum Jahr 2020 eine Reduzierung von 29,6 % gegenüber dem Verbrauch von 1990 erreicht werden. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase wird dann 9,84 t CO2/Person betragen. Das bedeutet, dass wir in den folgenden 30 Jahren den Ausstoß klimaschädlicher Gase noch 2 mal um 50 % senken müssen, also alle 15 Jahre um 50 %, während wir in den 30 Jahren von 1990 bis 2020 nur eine Reduzierung um 30 % geschafft haben werden. Es ist deshalb völlig klar, dass das Klimaschutzziel mit der bisherigen Politik nicht erreicht werden kann.

Die Suche nach neuen Lösungen

Wir werden die Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase auf 2 t äquivalent CO2/Person nur dann erreichen können, wenn

  1. der Ausstoß aller klimaschädlichen Gase effektiv limitiert werden kann, und
  2. wenn bei jedem Produkt und bei jeder Dienstleistung sichtbar ist, wieviel klimaschädliche Gase bei der Bereitstellung entstanden sind, so dass alle Produzenten und Konsumenten erkennen, wie sie den CO2-Ausstoß am besten drosseln können.

Außerdem ist es unabdingbar, dass Kriterien der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigt werden.

Bei allen bis jetzt in der Öffentlichkeit diskutierten Methoden, werden diese Ziele nicht erreicht. Selbst bei dem von David Fleming entwickelten TEQ-System (tradable emission quotas), auch unter der Bezeichnung CO2-Card bekannt, wird nur beim Treibstoff, bei der Heizenergie und beim Strom die CO2-Menge sichtbar und wird entsprechend vom CO2-Konto abgebucht, bei allen anderen Produkten ist das nicht der Fall.

Das nachfolgend dargestellte System schließt diese Lücke. Es ist eine konsequente Weiterentwicklung des TEQ-Systems und beruht auf einem Vorschlag von Prof. Aubauer aus Wien, der die Ausgabe von Umweltzertifikaten für den Verbrauch aller natürlichen Ressourcen an alle KonsumentInnen vorsah. Diese Methode wäre wegen der Vielzahl der natürlichen Ressourcen zu komplex. Im hier vorgestellten System, das ich 2007/8 ausgearbeitet habe, wird nur der Ausstoß klimaschädlicher Gase berücksichtigt, also außer CO2 auch Methan und Lachgas, und es werden für alle Produkte und Dienstleistungen die entstandene Menge an klimaschädlichen Gasen sichtbar.
Wenn das 2 t-Ziel überhaupt erreichbar ist, dann am ehesten mit diesem System.

Funktionsweise und Einführungsphasen des Systemvorschlags

Bei diesem Systemvorschlag müssen für die Entnahme oder für die Einfuhr von Energierohstoffen und bei Produktionen, bei denen ebenfalls klimaschädliche Gase entstehen, die von einer öffentlich-rechtlichen Agentur festgelegte Menge an „Umweltzertifikaten“ (UZ) an die Agentur abgegeben werden. Diese UZ können von den Unternehmen nicht gekauft werden, sie müssen beim Verkauf der Zwischen- oder der Fertigprodukte in der erforderlichen Menge separat ausgewiesen und vom Abnehmer beglichen werden. Letztendlich müssen für alle klimaschädlichen Gase, die bei der Herstellung eines Produktes oder der Bereitstellung einer Dienstleistung ausgestoßen werden, von den KonsumentInnen die entsprechende Menge an UZ entrichtet werden. Dazu erhalten alle privaten Haushalte pro Person die gleiche Anzahl UZ kostenlos von der Agentur zugeteilt, ihre Menge wird von Jahr zu Jahr reduziert. Öffentliche Haushalte erhalten für ihre Konsumausgaben ebenfalls UZ zugeteilt.

Mit der Einführung des neuen Systems haben alle Produkte und Dienstleistungen 2 Preise: den Euro-preis für die Deckung der Herstellkosten und den „Zertifikate-Preis“ für die bei der Bereitstellung entstandenen klimaschädlichen Gase. Die Zertifikate werden so zu einer zweiten Währung neben dem Euro.

Die Einführung dieses Systems bedarf einer Übergangszeit, um die Aufwendungen zu reduzieren und um Konjunktursprünge und Anpassungsverluste zu vermeiden. Es wird vorgeschlagen, das System in 3 Phasen über einen Zeitraum von etwa 4 – 6 Jahren einzuführen. Die einzige Ausnahme ist die Landwirtschaft, für sie wird eine längere Einführungszeit erforderlich sein.

In der Vorbereitungsphase, die etwa 1 – 2 Jahr dauern wird, legt die Agentur fest, wie viel UZ die Unternehmen für eine Tonne oder einen Kubikmeter der einzelnen Energierohstoffe zu entrichten haben und sie erfasst die Produkte, bei deren Bereitstellung ebenfalls Treibhausgase entstehen, wie z.B. bei der Herstellung von Kunststoffen. Die Unternehmen können dann im Laufe dieser Vorbereitungsphase ermitteln, wie viel UZ auf die einzelnen Erzeugnisse entfallen. Die nachfolgenden Fertigungsstufen erfahren so, welchen UZ-Preis sie weiterberechnen müssen, der kalkulatorische Aufwand ist dadurch gering.
Gleichzeitig können die Banken die erforderlichen Veränderungen bei den Überweisungsformularen und den EC- und Kreditkarten vornehmen.

Für die darauf folgende Übungs- und Anpassungsphase sollten etwa 3 – 4 Jahre angesetzt werden. Zu Beginn dieser Phase muss die Agentur die Bewertung der Importprodukte vornehmen, die Agentur übt die Erstattung des UZ-Preises beim Export, die Unternehmen verbessern die UZ-Preiskalkulation, die Banken und die Unternehmen üben die UZ-Verrechnung und die Kunden lernen mit dem System umzugehen.
In dieser Zeit gibt es noch keine limitierte Ausgabe von UZ, aber die Produzenten und Verbraucher sehen, wofür sie wie viel UZ benötigen und können ganz gezielte Investitionen zur Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase vornehmen.
In dieser Zeit kann auch der Verteilungsschlüssel verifiziert werden und es wird ermittelt, wie viel UZ die Unternehmen beim Start zur Verfügung haben müssen, damit es am Anfang keine Liquiditätsengpässe an UZ gibt.

Nach den beiden Vorbereitungsphasen wird das System in seiner endgültigen Weise eingeführt.
Die UZ werden von der Agentur in regelmäßigen, vorgegebenen Abständen auf das persönliche UZ-Konto aller Bürger/innen und den Konten der öffentlichen Haushalte überwiesen, die von den Banken parallel zu den Euro-Konten geführt werden.
Wer für seinen Konsum weniger UZ benötigt als er zugeteilt bekommt, kann diese an Konsumenten mit sehr hohem UZ-Bedarf verkaufen. Der Verkaufswert der UZ in Euro ergibt sich über Angebot und Nachfrage. Am Handel können nur private Haushalte teilnehmen, er wird über die Banken und die Agentur abgewickelt. Eventuell wird von der Agentur täglich oder wöchentlich der Tauschwert festgelegt.

Dem einzigen Nachteil stehen viele Vorteile gegenüber

Dem einzigen Nachteil der doppelten Preiskalkulation stehen sehr viele und sehr große Vorteile gegenüber. Diese sind:

  1. Der größte Vorteil liegt darin, dass mit diesem System die Effizienzsteigerung und die Suffizienz ohne Vorschriften erreicht werden. Alle Konsumenten und alle Produzenten werden mit ihrer ganzen Kreativität ihren Beitrag zur Lösung des Klimaproblems leisten können und auch müssen, und Fehlentwicklungen wird es wegen der vollständigen Transparenz nicht mehr geben.
  2. Die indirekte Wirkung auf die Verbrauchsreduzierung aller anderen Ressourcen, einschließlich des Landschaftsverbrauchs, denn die Umwandlung von Rohstoffen und der Bau von Straßen und Häusern ist immer mit hohem Energieverbrauch verbunden und erfordern viele UZ, deshalb wird die Renovierung von Immobilien dem Abriss und Neubau vorgezogen werden. Auch die Instandhaltung und Reparatur von Geräten wird zur gängigen Praxis werden. Die Verkehrsbelastung und die damit verbundene Verschmutzung mit Feinstaub, sowie die Lärm-belästigung wird abnehmen, ebenso der Flugverkehr mit seinen klimaschädlichen Folgen.
  3. Der ökologische Landbau wird sich gegenüber der industrialisierten Landwirtschaft durchsetzen, da er weniger Energie verbraucht, keine Pestizide und Kunstdünger benötigt und Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Humus bindet.
  4. Ein großer Vorteil dieses Systems liegt darin, dass für die Bezahlung von Arbeitskräften keine UZ benötigt werden, wohl aber für Investitionen entsprechend dem dabei entstandenen Ausstoß klimaschädlicher Gase. Dies wird den Abbau der Arbeitslosigkeit weiter beschleunigen.
  5. Die Sicherstellung der sozialen Gerechtigkeit: Der Preis für die Energie steigt mit diesem System nicht an. Geringverdiener werden daher nicht zusätzlich belastet, im Gegenteil: Menschen mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen, können gar nicht ihre gesamten UZ verwenden, da ihnen die Euros fehlen. Sie können einen Teil ihrer UZ verkaufen und erhalten so ein zusätzliches Einkommen. Es hat für sie die Wirkung eines bescheidenen bedingungslosen Grundeinkommens.

Mit diesem System entsteht eine Selbstkontrolle über die Nachhaltigkeit der Innovation und es ist damit zu rechnen, dass ein ganz neues Konkurrenzdenken entsteht. Da die UZ von Jahr zu Jahr knapper werden, entsteht ein Wettbewerb um den niedrigsten Ausstoß klimaschädlicher Gase und damit auch um immer weniger Ressourcenverbrauch. Damit wird der menschliche Ehrgeiz für besondere Leistungen von der wachstumstreibenden Gewinnsteigerung zur Erzielung der Zukunftsfähigkeit genutzt.

Stimmt es, dass mit diesem System die Natur verkauft wird?

Die Ausgabe der Umweltzertifikate sei eine Inwertsetzung und damit ein Verkauf der Natur und sei deshalb abzulehnen – so wird gelegentlich argumentiert. Das ist aber falsch.
Die Natur wird mit diesem System nicht verkauft, sondern die Belastung der Atmosphäre mit klima-schädlichen Gasen wird mit diesem System schrittweise eingeschränkt. Ohne ein solches einschränkendes System wird die Atmosphäre grenzenlos überlastet. Außerdem erhalten mit diesem System nur die Unterprivilegierten und die Umweltbewussten ein zusätzliches Einkommen!

Zukünftige Anforderungen an die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung

Es ist zu erwarten, dass im Laufe der Zeit die Effizienz-Steigerung an ihre Grenzen stößt und die weitere Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase und des Ressourcenverbrauchs stärker mit Suffizienz erreicht wird, was mit der Reduzierung der Wirtschaftsleistung verbunden sein wird. Die dann zwingend erforderlichen Veränderungen in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung können in diesem Beitrag nicht behandelt werden, sie können in meinem Buch „Der Weg zur zukunftsfähigen Gesellschaft“ ab Kapitel 5 nachgelesen werden.


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