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Klimageld

Wozu wir es brauchen, wie es funktioniert und warum es ein zentraler Hebel für die Klimapolitik ist.

Attac plant eine Kampagne zur Durchsetzung des Klimageldes. Warum stellen wir ausgerechnet das Klimageld in den Mittelpunkt unserer Klimapolitik für 2024? 

 

Dass die Klimapolitik eine zentrale Herausforderung für die jetzige Generation ist, muss ich an dieser Stelle nicht betonen. Vermutlich auch nicht, dass diese teuer wird. Es gibt Rechnungen verschiedener Institute. Sie kalkulieren die Gesamtkosten für die Transformation auf etwa 2 bis 2½ Billionen Euro. Nach den Abschätzungen des Fraunhofer IWES Instituts rechnet sich das sogar. Die Wissenschaftler kalkulieren es als eine Investition mit einer Rendite von 4 bis 7 Prozent. Aber selbst wenn das stimmt: Bei einer Investition muss man erst mal Geld vorlegen und bekommt dann später etwas heraus. Einige Wirtschaftszweige profitieren relativ schnell, andere müssen auf Jahre unterstützt werden. Insbesondere das Heizen und die Ernährung werden in dieser Zeit teurer werden. 

Die Hebel der Transformation – Treibhausgaspreis 

Im Wesentlichen hat der Staat drei Instrumente, um die Transformation zu steuern: 

  • Ordnungsrecht: Das Ordnungsrecht wird, auch wenn einige gerne auf Freiwilligkeit setzen, eine wichtige Rolle spielen: Beispiele dafür sind die Flächenausweisung für Windenergie und Photovoltaik, das Abschalten der Kohlekraftwerken oder das Aus für fossile Heizungen.
  • Staatliche Investitionen und Investitionsförderung: Beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs, beim Aufbau und Umbau von Wärmenetzen oder beim Bau von neuen Gleichstromtrassen muss aber der Staat entweder selbst investieren oder wie beim Umbau der Stahlindustrie auch Investitionen unterstützen.
  • Bepreisung von Treibhausgasemissionen: Schließlich muss auch sichergestellt werden, dass in Zukunft klimaneutrale Produkte günstiger sind als klimaschädliche. Das ist auch richtig so, denn Letztere verursachen ja erhebliche Folgekosten. Deswegen muss es einen Preis für die Treibhausgasemissionen geben. Mittlerweile wurde ein THG-Preis für alle Produkte bis auf die Landwirtschaft eingeführt. Für die großen Anlagen wie Kraftwerke, Stahl-, Grundstoffchemie- und Zementwerke erfolgt die Bepreisung durch das Emissionshandelssystem (ETS) der EU. Die restlichen Emissionen werden in Deutschland durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) bepreist. Noch decken diese Preise die Folgekosten nicht ab – deshalb werden sie in den kommenden Jahren Schritt für Schritt angehoben.

Die soziale Kompensation

Die große Herausforderung besteht nun darin, die Transformation sowohl effizient wie auch gerecht zu gestalten, um die Akzeptanz für die Klimapolitik zu sichern, denn 

  • die physische Belastung der Menschen durch die Klimaveränderung ist ungleich. Trockenheit, Stürme und Niederschläge treffen arme Menschen mit voller Wucht, während die Reichen die nötigen Ressourcen haben, um sich dagegen zu schützen;
  • auch die finanzielle Belastung der Menschen durch die Klimaschutzpolitik ist ungleich und belastet ärmere Menschen überproportional. Dies betrifft insbesondere die Kosten für Lebensmittel, Haussanierung und Wohnen – anfangs auch die Energiepreise. Wohlhabende werden dagegen die ersten sein, die sich E-Autos und Wärmepumpen leisten können.

Aus diese diesen Gründen muss eine gerechte Klimapolitik für einen sozialen Ausgleich für die Mehrbelastungen sorgen. Dieser kann auf verschiedene Art erfolgen durch:

  • Steuererleichterungen: diese sind jedoch nicht gerecht, da dann die höheren Einkommen am meisten davon profitieren.
  • Senkung der Energiepreise: Dies wurde mit der Streichung der EEG-Zulage bereits realisiert – wurde aber durch die Gaskrise in Folge des Ukraine-Krieges mehr als kompensiert. Dagegen spricht auch, dass eine Senkung der Strompreise den Anreiz zum Energiesparen verringert. Und schließlich profitieren davon Vielverbraucher mit Sauna und Swimmingpool am meisten.
  • Klimageld pro Kopf: Bereits eine Teilauszahlung der Einnahmen aus dem Emissionshandel (dem Treibhausgaspreis) als ein Klimabonus würde dazu führen, dass die unteren Einkommen – insbesondere die Familien mit Kindern – deutlich entlastet werden. Ein Klimageld ist auch im Koalitionsvertrag vorgesehen – aber bislang immer noch nicht in die Finanzplanung der Bundesregierung aufgenommen worden.
  • Ausgleich nur für Geringverdiener*innen: Denkbar ist auch eine gezielte Unterstützung von Geringverdiener*innen und besonders Betroffenen. Dies würde aber möglicherweise die Akzeptanz der Maßnahmen durch die Mittelschicht reduzieren.

Die Akzeptanz der Klimapolitik sichern

Wenn die Menschen mit geringen Einkommen das Gefühl haben, dass sie durch die Klimapolitik belastet werden – dann besteht die Gefahr, dass sie den Eindruck bekommen, dass Klimaschutz etwas ist, was sich nur die Reichen leisten können. In diesem Fall würde die bereits wachsende Spaltung der Gesellschaft weiter vertieft und die Klimaschutzpolitik wird scheitern.

Wir schlagen deshalb in Übereinstimmung mit den meisten Fachleuten vor, dass alle Bürger*innen – auch Kinder – ein Klimageld in gleicher Höhe bekommen. Dessen Höhe sollte so bemessen werden, dass die Einnahmen des Staates aus dem Emissionshandel komplett an die Bürger*innen zurückgegeben werden. Dies sollte dann auch die Mehrwertsteuer beinhalten, wenn diese auf das Klimageld erhoben wird – wie das ja bisher auch bei der Umlage des EEG (Erneuerbare Energiengesetz) der Fall war. Da höhere Einkommensgruppen im Schnitt deutlich höhere Emissionen verursachen, werden diese nicht voll kompensiert. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der höheren Einkommen akzeptabel und wird nach den Umfragen auch akzeptiert. Allerdings sollen alle Bürger*innen das gleiche Klimageld bekommen. Sonst ist zu befürchten, dass eine Neid- und Antimigrant*innen-Debatte gegenüber der Unterschicht entstehen kann, die die Klimapolitik noch mehr beschädtigt. 

Wichtig ist auch die Auszahlungsmethode. Schon bei der Einführung der relative geringen Ökosteuer, wurde das nicht berücksichtigt. Damals sollte die Ökosteuer die Rentenbeiträge reduzieren. Da zu dieser Zeit aber die Rentenbeiträge sonst gestiegen wären, da die Arbeitslosigkeit um die Jahrtausendwende anstieg, nahm das niemand wahr. Ähnlich wäre es jetzt, wenn das Klimageld in irgendeiner Art und Weise verrechnet würde. Deswegen sollte das Klimageld jede*r Bürger*in direkt und unter dem Namen „Klimageld“ auf ihr Konto überwiesen werden. Technisch soll das machbar sein. Es wurde sogar bereits der Auftrag an das Finanzministerium erteilt, um dies möglich zu machen.

Die Forderung nach dem Klimageld ist keine zusätzliche Ausgabe. Im Gegenteil: Das Klimageld steht bereits im Koalitionsvertrag. Dass es immer noch nicht in die Haushaltsplanung eingestellt wurde, ist eine bewusste Provokation des Finanzministers. Da es aber im Bundestag offensichtlich keine Mehrheit für eine Klimaschutzpolitik gibt, die dem Abkommen von Paris entspricht, bedarf es dringend den Druck von außen aus der Zivilgesellschaft. Hier sind Attac und die gesamte Klimaschutzbewegung gefordert.

Die Bemessung und Finanzierung des Klimageldes

Bei der Berechnung des Treibhausgas-Preises gehen wir davon aus, dass Emissionen in den kommenden Jahren kontinuierlich sinken, der Treibhausgas-Preis dagegen kontinuierlich angehoben wird. Dann würde der Treibhausgas-Preis in 20 Jahren auf etwa 250 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent anwachsen, um die volle Wirkung zu entfalten. Heute liegt er bei ca. 85 Euro pro Tonne im europäischen Emissionshandel für Großemittenten (Stahlwerke, Kraftwerke, Grundstoffchemieanlagen und Zementwerke) sowie bei 30 Euro pro Tonne für den nationalen Handel – das betrifft alle anderen Emissionen außer der Landwirtschaft. Wir rechnen daher für alle Emissionen im Jahre 2025 mit einem Durchschnitt von 40 Euro pro Tonne.

Die durchschnittlichen Emissionen pro Person dürften 2025 bei 7,2 Tonnen pro Jahr liegen. Da das ärmere Drittel deutlich weniger Emissionen verursacht, schätzen wir ihre Emissionen auf 4,5 Tonnen im Jahr. Das würde bedeuten, dass jede Bürger*in ein Klimageld von 290 Euro im Jahr bekommt. Eine Familie mit 4 Kindern, die in einer 80 qm Wohnung in einem gedämmten Miethaus wohnt, kein Auto hat, nicht fliegt und sich fleischarm ernährt, gehört dann zu den Gewinnern, da die Familie pro Kopf nur 2,5 Tonnen CO2-Äquivalente emittiert und daher ihre Belastung durch Treibhausgaspreise nur bei 100 Euro im Jahr liegt. Die Familie gewinnt also insgesamt 1140 Euro im Jahr. Menschen dagegen, die sehr viel emittieren (Paar ohne Kinder in großem Einfamilienhaus, Standard 1970, 2 Autos, mehrere Flüge im Jahr usw.) kommen auf 15 Tonnen pro Person. Sie zahlen also 600 Euro CO2-Preis - also ein Minus von 310 €/Person. Wer genau in der Mitte liegt bei 7,2 Tonnen pro Person, zahlt genau 290 Euro und bekommt 290 Euro.

Die gesamten Kosten für das Klimageld liegen dann bei 24 Mrd. Euro. Nach einer aktuellen Studie des MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) in Potsdam werden die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung im Jahre 2025 bei knapp 24 Mrd. € liegen. Sie müssten also komplett für das Klimageld eingesetzt werden. Dies entspricht auch der Forderung des letzten Bundeskongresses der Gewerkschaft Ver.di.
Die sonstige Klimapolitik müsste dann aus den weiteren Einnahmen des Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung finanziert werden. Im Handbuch Klimaschutz wurden die jährlichen zusätzlichen Kosten für die Transformation auf 100 Mrd. €/a geschätzt, davon sollen 20 Mrd. €/t durch die öffentliche Hand aufgewandt werden. In den ersten Jahren dürften es aber noch deutlich mehr sein. Diese Gelder müssen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch einen neuen Klimafonds bereitgestellt werden. Alternativ können sie auch aus dem laufenden Haushalt finanziert werden. Dazu müsste ein Teil der Steuerlöcher gestopft werden, die das Netzwerk Steuergerechtigkeit auf 75 bis 100 Mrd. Euro berechnet hat. Dazu kommen ggf. Investitionen der Länder und Kommunen, die nicht kompensiert werden.

Zur Argumentation

Ein Klimageld, das als eine faire Kompensation für die Belastungen durch die Klimapolitik empfunden wird, wird entscheidend dafür sein, dass es gelingt, eine Akzeptanz für eine konsequente Klimapolitik herzustellen. Es gab und gibt in der Klimabewegung eine Diskussion darüber, ob der Staat die erforderlichen Mittel nicht lieber vollständig für eine Beschleunigung der Treibhausgasreduktionen einsetzen sollte und ob dann noch Geld für die soziale Abfederung da ist, oder ob letztere nicht kontraproduktiv für eine konsequente Politik sei. Das teilen wir nicht. Aber gerade deswegen muss für das Klimageld mit einer doppelten Argumentation geworben werden:

Erstens: Das Klimageld ist gerade in Krisenzeiten ein wichtiger Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Während die wohlhabenden Schichten einen eigenen Beitrag für die Klimapolitik leisten können und dies auch wegen ihrer höheren Emissionen angemessen ist, dürfen die ärmeren Schichten nicht zusätzlich belastet werden.

Zweitens: Ohne das Klimageld wird die Klimapolitik scheitern. Deshalb ist das Klimageld keine Sozialpolitik, sondern ein notwendiger Beitrag für eine radikale Klimapolitik. Nur wenn die Menschen das Gefühl haben, dass es gerecht zugeht, werden sie die Klimapolitik mittragen.


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