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Die Befreiung vom Wachstumszwang mit einer Marktwirtschaft ohne Kapitalismus

Wir stecken in einem Dilemma. Wir ahnen, dass auf unserer begrenzten Erde ein ewiges wirtschaftliches Wachstum nicht möglich ist. Andererseits wird uns erklärt, dass eine Wirtschaft ohne Wachstum in die Krise führt. Wie können wir dieses Dilemma überwinden?

Das wird in diesem Aufsatz erörtert und es werden ganz konkrete Auswege aufgezeigt.

Warum meinen wir, dass die Wirtschaft wachsen müsse?

Angela Merkel sagte bei ihrer Regierungserklärung zu Beginn ihrer 2. Regierungsperiode 2009: „Ohne Wachstum keine Investitionen, ohne Wachstum keine Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Gelder für die Bildung, ohne Wachstum keine Hilfe für die Schwachen. Und umgekehrt: Mit Wachstum Investitionen, Arbeitsplätze, Gelder für die Bildung, Hilfe für die Schwachen und – am wichtigsten – Vertrauen bei den Menschen. Das ist meine Überzeugung.“

Diese Aussage von Frau Merkel ist falsch, denn auch dann, wenn unsere Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr nicht wächst, sondern konstant bleibt, haben wir in diesem Jahr ohne Wachstum die gleiche Menge an Gütern zur Verfügung wie im Vorjahr und wir können gleich viel investieren. Auch die Steuereinnahmen und die Sozialbeiträge bleiben in etwa konstant, so dass wir auch ohne Wachstum gleich viel Geld für Bildung und für Sozialleistungen zur Verfügung haben wie im Vorjahr. Selbst im Jahr 2009, in dem wir in Deutschland die höchste wirtschaftliche Schrumpfung der Nachkriegszeit hatten, nämlich 5,6 %, hatten wir Bruttoinvestitionen in Höhe von 392,8 Mrd. €.

Der wirkliche Grund des Wachstumszwangs ist in unserer kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung begründet.

Das werden wir in den weiteren Ausführungen erkennen.

Zuerst wollen wir aber folgende Frage klären:

Warum ist ewiges wirtschaftliches Wachstum nicht möglich?

Ja, es gibt z.Z. weltweit 800 Millionen Menschen, die im Elend leben und es gibt eine weitere Milliarde Menschen mit Fehlernährung. Für diese Menschen muss die Möglichkeit zur Verbesserung der Lebenssituation geschaffen werden. Das ist sehr wahrscheinlich mit wirtschaftlichem Wachstum verbunden.

Auch für die Menschen bei uns, deren Einkommen für ein Leben in Würde nicht ausreichen, müssen die Einkommen verbessert werden. Aber muss das Einkommen von Menschen wachsen, die mehr als 50 000 € pro Jahr verdienen, oder gar 1 Million € und mehr? Wohl nicht!

Ja, es gibt Branchen in denen Wachstum möglich und sogar wünschenswert ist, wie z.B. bei der Bildung oder bei der Pflege von Menschen. Auch kulturelle Aktivitäten können wachsen. Aber in Branchen mit hohem Verbrauch an natürlichen Ressourcen und hohem Ausstoß an Treibhausgasen (TGH) kann es kein Wachstum mehr geben, denn die Erde ist endlich und wir verbrauchen schon viel zu viel der natürlichen Ressourcen.Besonders gravierend ist die Situation beim Klimaschutz; wir müssen den Ausstoß von THG von heute etwa 900 Mill. t äq. CO2 innerhalb von 20 Jahren auf „netto 0“ reduzieren. Das bedeutet, dass wir nur noch so viel THG ausstoßen dürfen, wie durch Aufforstung oder anderer geeigneter Methoden THG gebunden werden kann. Es ist deshalb unabdingbar, dass wir in diesen Branchen THG-Ausstoß und den Naturverbrauch drastisch reduzieren. Das wird in vielen Fällen nur mit weniger Umsatz möglich sein, also mit wirtschaftlicher Schrumpfung.

Das ist die größte gesellschaftliche und technische Herausforderung, vor der wir möglicherweise je standen. Da ist bestimmt kein „Platz“ mehr für wirtschaftliches Wachstum, denn der dadurch zusätzlich entstehende Ausstoß an Treibhausgasen müsste dann zusätzlich kompensiert werden.

Woher kommt der Wachstumszwang?

Um diese Frage gut verständlich zu erläutern, wird zuerst geklärt, was der Wesenskern des Kapitalismus ist.

Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Die einen setzen ihn gleich mit dem Privatbesitz von Produktionseinrichtungen, für andere ist Kapitalismus und Marktwirtschaft identisch.

Beides ist nicht zutreffend, denn beides gibt es schon seit dem sich die Menschen spezialisiert haben und Handel betreiben, also seit etwa 10 000 Jahren.

Der Kapitalismus, also das kapitalistische Denken, ist aber erst in der Neuzeit entstanden und zwar in der Zeit, in der die katholische Kirche das Zinsverbot erlassen hatte.

Der Wesenskern des Kapitalismus ist die Vorstellung, dass sich das Geldvermögen durch Verleihen und durch Investitionen vermehren muss, dass also Geldvermögen ohne eigene Leistung einen Gewinn abwerfen muss.

Da der größte Teil der Geldvermögen sich im Besitz von wenigen sehr reichen Personen konzentriert, wird das Einkommen aus Kapitalbesitz überwiegend nicht für den Konsum verwendet, sondern es wird wieder reinvestiert und dadurch der Besitz an Geld-Kapital immer weiter erhöht. Man nennt dies die Akkumulation des Geld-Kapitals

Damit dieses sich vermehrende Geld-Kapital eine Anlagemöglichkeit findet, muss die Wirtschaft wachsen. Das ist der Kern des kapitalistischen Wachstumszwangs.

Es haben sich unterschiedliche Methoden der Gewinnerzielung entwickelt, die differenziert zu bewerten sind.

Da gibt es zunächst die Investitionen von Geldvermögen (Geld-Kapital) in einen eigenen Betrieb, oder als Teilhaber eines Betriebes. Wenn diese Betriebe sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden, dann sind solche Investitionen zu begrüßen, denn dadurch werden neue (in Zukunft ökologische) Verfahren entwickelt, zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und Produkte erzeugt, die den Wohlstand verbessern können. Entscheidend ist jedoch, wie viel Unternehmensgewinn aus diesen Aktivitäten beansprucht und an die Kapitalgeber ausgezahlt wird.

Ganz anders sind Gewinne zu bewerten, die z.B. durch „Investitionen“ in den Aktienhandel und die damit verbundene Spekulation entstehen. Bei dieser rein kapitalistischen Methode werden keine Güter erzeugt. Diese sogenannten Investitionen sind daher gesellschaftlich völlig nutzlos.Sie bieten nur dem „Investor“ die Chance, das private Geldvermögen zu mehren, womit er sich einen größeren Anteil an den von der Realökonomie erzeugten Güter und Dienstleistungen aneignen kann. Sein Vorteil geht also zwangsläufig zu Lasten der Menschen, die ihre Arbeitskraft und auch ihr Geldvermögen in den Dienst der Realökonomie stellen.

Die nächste Entwicklungsstufe des kapitalistischen Denkens entstand in den letzten 50 Jahren mit der erneuten Verbreitung der neoklassischen Ideen, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, sich nach dem ersten Weltkrieg verbreiteten, ganz schnell zur Weltwirtschaftskrise von 1929 führten und dann durch den Keynesianismus abgelöst wurden. In den 1970er Jahren wurde die Neoklassik wieder „hoffähig“ gemacht und ist seitdem die dominante Wirtschaftstheorie. Einer der Protagonisten war Milton Friedman, von dem folgendes Zitat bekannt ist: „Die soziale Verantwortung der Wirtschaft ist es, ihre Profite zu vergrößern.“

Das erklärte Ziel ist also nicht, den Wohlstand für alle Menschen zu mehren oder, angesichts der zukünftigen ökologischen Probleme, den Wohlstand wenigstens zu erhalten. Nein, Ziel der herrschenden Volkswirtschaftslehre ist, die Profite (der Kapitalgeber) zu vergrößern, koste es was es wolle. Und ganz traurig ist die Tatsache, dass dies unwidersprochen bleibt und von den Ökonomen, den Großunternehmern und den PolitikerInnen zur Leitidee hochstilisiert wird.

Daraus resultieren die Exzesse, die sich an den internationalen Finanzmärkten abspielen, unterstützt von den PolitikerInnen, die die Steueroasen ermöglichen und die den Banken aus der Patsche helfen, wenn sie sich verspekuliert haben. Das Ziel der Großbanken ist nicht mehr, Unternehmen mit Krediten zu versorgen und dadurch eine zukunftsfähige Entwicklung zu ermöglichen.

Ihr Ziel ist es, möglichst hohe Gewinne zu machen, ohne der Wirtschaft zu dienen. Im Gegenteil, durch ihre Spekulationsaktivitäten verursachen sie immer häufiger Wirtschaftskrisen, wie z.B. im Jahr 2008. Bei dieser Krise mussten die Regierungen sehr viele Banken mit öffentlichen Mitteln vor dem Konkurs retten. Die Banken konnten jahrelang sehr hohe Gewinne einstreichen und ihre Angestellten wurden mit unglaublich hohen Gehältern und Boni belohnt. Selbst während dieser Krise wurden noch Milliarden von Boni ausgeschüttet, obwohl die Banken Verluste machten.

Es ist allerhöchste Zeit, dass wir uns klarmachen, dass diese Banken und Fonds für unsere produktive Ökonomie nicht nur nichts nützen, im Gegenteil, sie sind Schmarotzer, die unsere Ökonomie destabilisieren und ausbeuten.

An dieser Stelle ist es wohl angebracht, ein Zitat von Frédéric Bastiat, 1801-1850, französischer Schriftsteller und Ökonom, wiederzugeben: „Wenn eine gesellschaftliche Gruppe die Plünderung zur Daseinsform erhoben hat, wird sie sich im Laufe der Zeit ein Rechtssystem zulegen, das die Plünderung rechtfertigt, und eine Moral, die sie verherrlicht“.

Damit wir uns von dieser grandiosen Fehlentwicklung und dem daraus resultierenden Wachstumszwang befreien können, müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass Geldvermögen Gewinne abwerfen müssen. Damit verabschieden wir uns von der Grundidee des Kapitalismus.

Wir müssen uns auch von dem Glauben befreien, dass die Investoren für unsere Wirtschaft erforderlich sind!(Dazu mehr im nächsten Abschnitt.)

Diese grundlegende Veränderung ist nicht nur erforderlich, um den Wachstumszwang zu beseitigen, diese Maßnahme ist auch in höchstem Maße gerecht, denn alle erzeugten Güter und Dienstleistungen und alles erwirtschaftete Kapital entsteht durch den Einsatz der beiden Produktionsfaktoren Arbeit und natürliche Ressourcen.

Die „Entlohnung“ des Kapitals geht zwangsläufig zu Lasten der Entlohnung der Arbeitskräfte und sie ist auch eine „Belohnung“ für den Verbrauch der natürlichen Ressourcen und die Belastung der Umwelt, was ein fundamentaler Fehler ist, denn die Ressourcen und die Belastbarkeit der Umwelt sind begrenzt und auf ihre maßvolle Nutzung haben alle Menschen, auch die zukünftig lebenden, das gleiche Anrecht, dann dürfen sie nicht zur Gewinnerwirtschaftung privatisiert werden.

Die konkreten Vorschläge:

Bei der Formulierung der Vorschläge ist folgendes zu berücksichtigen:

a) Sie müssen geeignet sein, den Wachstumszwang der Wirtschaft zu überwinden.

b) Sie sollen unserem Gerechtigkeitsempfinden entsprechen.

c) Sie sollen den Anforderungen der Ökonomie gerecht werden.

Daraus resultieren folgende Vorschläge:

  1. Habenzinsen entsprechen der Inflationsrate, das bedeutet, dass der Realzins bei null liegt. Die Sparer bzw. Sparerin gewinnen zwar nichts hinzu, aber sie verlieren auch bei einer Inflation nichts, was z.Z. der Fall ist.
  2. Kreditzinsen entsprechen der Inflationsrate, plus Bearbeitungskosten und Kosten für die Kreditausfallversicherung. Banken machen dann keine Gewinne mehr, müssen sie auch nicht.
  3. Das Kapital von Direktinvestoren, die nur mit dem eingesetzten Kapital haften, soll mit den gleichen Restriktionen „entlohnt“ werden. Das bedeutet, dass auch sie mit dem investierten Geld keine nennenswerten Gewinne mehr machen. Dadurch kommt es bei ihnen zu keiner weiteren Kapitalakkumulation, was das Ziel ist, um aus der Wachstumsspirale herauszukommen.
  4. Für Eigenkapital, das UnternehmerInnen in ihrem eigenen Betrieb investieren und mit ihrem gesamten Vermögen haften, ist ein etwas höherer Risikoaufschlag angemessen; der Betrag ist in einem gesellschaftlichen Konsensverfahren zu ermitteln.

 

Kapitalerlöse, die diese Werte übersteigen, sind durch eine progressive Besteuerung so zu belasten, dass sie auf den akzeptierten Sollwert reduziert werden.

Mit diesen Vorschlägen können nur Unternehmen der Realwirtschaft weiterhin in begrenztem Umfang Gewinne erwirtschaften. Dies ist auch erforderlich, damit sie in der Lage sind, in die Ökologisierung ihrer Produktion zu investieren.

Da diese Gewinne durch die Kreativität, das Fachkönnen und den Fleiß aller Beschäftigten erwirtschaftet werden, sind sie entsprechend am Gewinn zu beteiligen.

Der Übergang zur zukunftsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung

Wie kann der Übergang von unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu einer Ordnung ohne Wachstumszwang gelingen, ohne dass die Wirtschaft kollabiert?

Klar ist, dass das nicht nur national geschehen kann, es kann aber auch nicht gewartet werden, bis der letzte Politiker vom Schlage eines Donald Trump mitmacht. Die Mindestanforderung ist eine Einigung aller EU-Staaten.

Als erstes muss mit einer Aufklärungskampagne der Bevölkerung die Gefahren verdeutlicht werden, die durch den Klimawandel entstehen und es muss dargestellt werden, wie groß die Anforderungen sind, damit der Klimawandel noch gestoppt werden kann. Gleichzeitig muss aufgezeigt werden, wie wir diese bedrohliche Lage meistern können. Das betrifft sowohl den ökologischen Umbau unserer Wirtschaftsweise, aber auch die ökonomischen Veränderungen, die erforderlich sind.

Im Mittelpunkt der Kampagne für die ökonomischen Veränderungen muss die Erkenntnis stehen, dass alle Güter und Dienstleistungen, die bereitgestellt werden, von Menschen erzeugt werden, unter Zuhilfenahme von natürlichen Ressourcen. Der englische Arzt und Ökonom Sir William Petty sagte deshalb schon im 17. Jahrhundert ganz richtig: „Die Arbeit ist der Vater und die Natur ist die Mutter des Wohlstandes der Menschen.“

Geld-Kapital wird nur vorübergehend für die Tätigung der Investitionen benötigt, bis es durch den Erlös der Produkte wieder zurückerstattet werden kann. Prof. H.C. Binswanger nannte daher das Geld-Kapital nicht einen Produktionsfaktor, sondern einen Promotionsfaktor.

Dieser Promotionsfaktor muss nicht von einem „Investor“ kommen, er kann auch z.B. von der Notenbank zur Verfügung gestellt werden, an die der Kredit dann wieder zurückbezahlt wird.

Es gibt deshalb gar keinen Grund, die „Investoren“ bei Laune zu halten, zu hofieren und mit Steuerreduzierungen anzulocken. Sie werden in Wirklichkeit gar nicht gebraucht! Im Gegenteil, sie sind die Ausbeuter der Realwirtschaft. Wir müssen endlich aufwachen und uns von völlig unbegründeten Vorstellungen und Ängsten befreien.

Was wir aber dringend brauchen, sind Menschen mit Ideen, Kreativität und Unternehmensfreude, die Verfahren, Produkte und Dienstleistungen entwickeln und zur Verfügung stellen, mit denen die Probleme gelöst und der Wohlstand gefördert oder erhalten werden kann.

Wir müssen also unterscheiden zwischen UnternehmerInnen und BesitzerInnen von Geldvermögen.

Damit der Übergang gelingen kann, ist es von großer Bedeutung, dass es den UnternehmerInnen klar wird, dass sie im heutigen kapitalistischen System in Wirklichkeit von den Besitzerrinnen von Geldvermögen, den Investoren, den Rentiers, den Kapitalisten (oder wie immer wir sie bezeichnen wollen) ausgenutzt werden. Diese nutzen das Engagement der UnternehmerInnen, um ohne eigene Leistung ihr Vermögen zu mehren. Es ist deshalb völlig unverständlich, dass sie sich heute eher mit diesen „Schmarotzern“ verbünden, als mit ihren Beschäftigten. UnternehmerInnen dürfen, wenn sie erfolgreich sein wollen, nicht nur ihre Eigeninteressen verfolgen, sondern die Interessen der MitarbeiterInnen, der Kunden und der Lieferanten mitberücksichtigen. Sie sind ihre wirklichen „Verbündeten“, nicht aber die Investoren.

Im nächsten Schritt müssen alle bisherigen Planungen, bei denen von wirtschaftlichem Wachstum ausgegangen wurde, revidiert werden. Das betrifft die Verschuldung und die Investitionsplanungen der Unternehmen sowie der öffentlichen und der privaten Haushalte. Auch die kapitalgedeckte Altersvorsorge muss ganz neu überdacht werden, denn ihre Berechnungsgrundlage ändert sich grundlegend.

Dann muss eine ganze Reihe von Veränderungen erlassen werden, die die Möglichkeit der Ausbeutung der Realwirtschaft und der Spekulation an den Waren- und Aktienbörsen verhindern. So müssen z.B. den Hedge-Fonds die Zulassung wieder entzogen werden, alle Banken dürfen nicht mehr an Rohstoff- und Nahrungsmittelbörsen spekulieren, sie dürfen sich nicht an der Spekulation mit Aktien, Derivaten und Kreditverbriefungen beteiligen, auch nicht im Auftrag der Kunden. Sie müssen ihre Zweckgesellschaften schließen, ebenso ihre Filialen in Steueroasen und sie dürfen keine Geschäfte mit Unternehmen tätigen, die ihren Sitz oder eine Filiale in Steueroasen haben.

Das Aktiengesetz ist so zu verändern, dass für die Ausschüttung von Dividenden und für die Ausübung des Stimmrechts die Aktie mindestens 2 Jahre im Besitz des Aktionärs sein muss. Der Millisekunden-Handel wird verboten. Längerfristig sind die Aktien ganz abzuschaffen und durch persönliche, nicht handelbare Anteilsscheine zu ersetzen.

Steuermindernde Scheingeschäfte der Konzerne mit Tochtergesellschaften in Steueroasen sind zu verbieten.

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer ist selbstverständlich.

Der nächste wichtige Schritt ist der Abbau der riesigen Geldvermögen. Das betrifft vor allem das Geld-Kapital, das in den internationalen Finanzmärkten „investiert“ ist. (Das sind ja keine wirklichen Investitionen.)

Dieser Überhang an Geldvermögen ist vor allem durch die Steuersenkungen der letzten Jahrzehnte entstanden, die spiegelbildlich die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zur Folge hatten. Die konsequente Lösung ist die Einführung einer progressiven Vermögenssteuer, die hauptsächlich die Reduzierung der Vermögen an den Finanzmärkten zum Ziel hat und nicht das Vermögen an Produktionseinrichtungen. Möglicherweise muss dazu in Deutschland das Grundgesetz geändert werden, damit ein solches Gesetz nicht vom Verfassungsgericht „kassiert“ wird.

Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte Zug um Zug abzubauen und es sind Investitionen in die ökologische Zukunftsfähigkeit zu fördern. Natürlich können sie auch zur Überwindung des Pflegenotstands und zur Verbesserung der Bildungschancen und der sozialen Gerechtigkeit verwendet werden.

Damit die neuen Steuergesetze effektiv wirken, müssen steuerrelevante Informationen zwischen den Staaten ausgetauscht werden. Banken, Anlageberater, Anwaltskanzleien und Steuerberater, die ihre Kunden zu Steuerhinterziehungen animieren oder ihnen dabei behilflich sind, verlieren ihre Zulassung.

Banken werden so wieder auf ihre eigentliche Aufgabe zurückgeführt, nämlich:

Den Zahlungsverkehr – auch ins Ausland - zu organisieren, Spargelder einzusammeln und Kredite zu vergeben. Sie werden wieder zu Dienern der Realwirtschaft und der privaten Haushalte.

Ergänzt werden muss diese Transformation des Kapitalismus mit einer neuen Geldpolitik. Dazu gibt es den Vorschlag der Vollgeldreform, bei der nur noch die Zentralbank zusätzlich Geld in Umlauf bringen darf, die Banken dürfen nur noch in der Höhe Kredite vergeben, wie sie Kundeneinlagen haben und die Girokonten der Kunden sind nicht Bestandteil der Bankbilanzen. Das Geld auf den Girokonten ist dann genauso sicheres Geld wie das Bargeld. Es ist vollgültiges Geld, daher der Ausdruck Vollgeld.

Und was geschieht bei Kapitalflucht?

Es ist unwahrscheinlich, dass bei diesem Vorschlag alle „Einfälle“ der Geld-Kapitalbesitzer vorhergesehen werden können.

Nehmen wir aber mal an, dass z.B. England und die USA bei dieser grundlegenden Veränderung nicht mitmachen. Dann könnten die Investoren ihre Kredite bei Unternehmen der EU abziehen und in Pfund oder Dollar anlegen.

Wäre das ein Problem? Nein, gar nicht, dieses „Fluchtkapital“ würde dann von der Europäischen Zentralbank (EZB), bzw. von den Zentralbanken der EU-Länder mit eigenen Währungen, ganz einfach ersetzt.

Es ist nicht auszuschließen, dass es nützlich sein könnte, die Kapitaltransaktionssteuer mit wesentlich höheren Beträgen einzuführen, und nicht nur im Bereich von Zehntelprozenten, wie das bisher angedacht war.

Es werden sehr wahrscheinlich noch weitere Maßnahmen erforderlich sein. Wenn uns und den PolitikerInnen klar geworden ist, dass die Geldvermögenbesitzer für unsere Wirtschaft gar nicht gebraucht werden, dann werden wir auch den Mut haben, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Und wie ist das mit der Arbeitslosigkeit bei Null-Wachstum?

Ist es nicht so, dass die Produktivität der Arbeit stetig zunimmt und auch deshalb die Wirtschaft wachsen muss, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden?

Ja, in der Vergangenheit war das so, dass die Arbeitsproduktivität anstieg, allerdings mit fallender Tendenz. Vor 20 Jahren stieg die Produktivität der Arbeit in Deutschland noch um 2 % pro Jahr, inzwischen ist sie auf 1 % gesunken, und in der EU gab es in den Jahren 2011 bis 2015 (jüngere Zahlen liegen nicht vor) gar keine Produktivitätssteigerung.

Dieser Trend wird sich vor allem dann fortsetzen, wenn wir konsequent den ökologischen Umbau der Wirtschaft vorantreiben. Automatisierung ist meistens mit zusätzlichem Energie- und Rohstoffeinsatz verbunden, z.B. für den Bau und den Betrieb von Robotern. Das wird in Zukunft nicht mehr in dem Umfang möglich sein. Oder: Die industrielle Landwirtschaft ist nicht zukunftsfähig, da sie viel zu viel Treibhausgase ausstößt. Sie muss komplett auf eine ökologische Wirtschaftsweise umgestellt werden, die wesentlich arbeitsintensiver ist.

Es ist deshalb zu erwarten, dass die Arbeitsproduktivität in Zukunft nicht mehr steigt, es ist sehr gut möglich, dass sie sogar sinkt.

Sollte es widererwarten doch Phasen mit Produktivitätssteigerungen geben, dann kann dies bei Bedarf durch Arbeitszeitverkürzung ausgeglichen werden. Wenn durch die Überwindung des kapitalistischen Denkens keine Gewinne mehr für das Kapital erwirtschaftet werden müssen, dann fällt die Arbeitszeitverkürzung wesentlich leichter, als dies heute der Fall ist.

Sind diese Vorschläge utopisch oder gar illusorisch?

Nein, ganz und gar nicht - sie sind nur ungewohnt, weil wir in der Vergangenheit von den Nutznießern des alten Denkens von Jugend an ganz gezielt anders beeinflusst und belehrt wurden, und ihre Drohungen haben uns beeindruckt und eingeschüchtert.

Es ist allerhöchste Zeit, dass wir uns von diesem Denken befreien und mit dem neuen Denken die Möglichkeit schaffen, dass die Bewohnbarkeit der Erde für uns Menschen erhalten bleibt.

Dieses neue Denken wird uns auch ermöglichen, ein ganz neues Zusammenleben zu praktizieren. Es gibt keine Konkurrenz mehr um das größte Wachstum. Es gibt keinen Wettstreit mehr darum, wer sich das größte Auto leisten kann. Wir werden wieder mehr die Schönheit der Natur genießen und die gute Nachbarschaft pflegen. Vielleicht bekommen auch Vereine wieder mehr Zulauf, und es ist auch gar nicht auszuschließen, dass wir uns wieder stärker in politischen Organisationen engagieren, um die Zukunft selbst zu gestalten, vor allem zum Nutzen unserer Kinder und Enkelkinder.

Ich möchte von meinen Enkeln nicht gefragt werden: Opa, hast du diese Fehlentwicklung nicht gesehen? Oder: Warum hast du nichts dagegen unternommen?

Noch haben wir die Chance Schlimmstes zu verhindern – aber nicht mehr lange.


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