Menü

Die Bandbreite: Geschichtsrevisionismus goes POP

Links, rechts, einfach nur vorne? Über das Hip-Hop-Duo „Die Bandbreite“ aus Duisburg wird immer mal wieder heftig gestritten. Sei es anlässlich ihrer Auftritte bei den Friedensmahnwachen 2014 oder bei der Veranstaltung zur geplanten Verleihung des alternativen Karlspreises an Ken Jebsen im Dezember 2017[1]. Der Beitrag will am Beispiel des Liedes „Für den Widerstand“ von „Die Bandbreite“ aufzeigen, wie Geschichtsrevisionismus in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus funktioniert.

„Die Bandbreite“ besteht aus Torben Eckhoff alias DJ Torben und dem Sänger und Songwriter Marcel Wojnarowicz, der unter dem Künstlernamen Wojna auftritt[2]. Das Duo versteht sich selbst als politische Band und viele seiner Texte nehmen zu aktuellen politischen Themen Stellung. Bei der letzten Bundestagswahl hat sich „Die Bandbreite“ explizit auch parteipolitisch engagiert und für die Partei „Deutsche Mitte“ einen Wahlkampfsong[3] veröffentlicht. Diese fordert in ihrem Wahlprogramm ein „neues Ausländergesetz“ mit klaren Einwanderungsregeln und „mit niedrigen Obergrenzen!“ sowie „mehr und besser bezahlte Polizisten, die wir persönlich kennen.“ Die „Deutsche Mitte“ will „Massenzuwanderung“ an den Außengrenzen unterbinden und lehnt „eine deutsche Staatsräson für die Sicherheit Israels“ ab[4]. Sie hat also einiges zu bieten, was das deutsche Herz erfreut.

Die Bandbreite, eine politische Band

Ansonsten gibt sich „Die Bandbreite“ bei ihren Auftritten parteipolitisch sehr flexibel. 2011 trat sie beim Pressefest der DKP-Zeitung UZ auf und auch bei der rechtspopulistischen „Schweizer Volkspartei“ war sie schon zu Gast[5]. Ihre Nähe zu Verschwörungsideologen[6] zeigt das Duo nicht nur durch seine Teilnahme an deren Treffen, beispielweise 2014 beim Quer-Denken-Kongress in Neu-Isenburg[7], sondern auch durch Lieder wie „Selbst gemacht“ zum 11.9.2001. Die Band stellt im Lied die nur rhetorisch gemeinte Frage, ob die USA die Anschläge nicht selbst inszeniert habe: „Habt ihr dat vielleicht selbst gemacht? Habt ihr dabei an dat Geld gedacht? Habt ihr dafür die eigenen Leute getötet, weil ihr dat Öl da drüben so dringend benötigt?“[8]

Dass das Duo der Meinung ist, dass nicht Al-Qaida, sondern die USA selbst die Anschläge vom 9.11.2001 verübt haben, wird im Lied deutlich. An keiner Stelle wird davon gesprochen, dass Al-Qaida oder eine andere islamistische Gruppe die Anschläge gemacht haben könnte, sondern der gesamte Text zählt nur Hinweise für eine Täterschaft der USA auf. Es findet also keine Abwägung verschiedener Argumente für und wider einer Täterschaft der USA statt, sondern es wird nur in eine Richtung formuliert.[9]

Das Lied

Das Lied „Für den Widerstand“ ist auf der neuen CD des Duos “Die letzten Linken“ von 2016 enthalten und beschäftigt sich vordergründig mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Beim kurzen Einleitungstext zum Lied auf der Homepage der Gruppe wird allerdings deutlich, worum es ihr eigentlich geht. Nicht um die deutschen Verbrechen zwischen 1939 und 1945, nicht um die Vernichtung der europäischen Juden und die Überfälle auf Frankreich oder die Sowjetunion. Zumindest werden diese im Text nicht erwähnt. Angesprochen wird nur die angebliche Schwächung des „deutschen Widerstands“ gegen das Naziregime durch die Alliierten: „Der deutsche Widerstand um Claus Schenk Graf von Stauffenberg hätte bereits viel früher gegen Hitler intervenieren können. Eine Hilfe aus dem alliierten Ausland blieb allerdings – trotz zahlreicher Kontakte mit den Amerikanern und Briten – nicht nur aus. Viel mehr verriet der britische Rundfunk in einer Ausstrahlung zwei Tage nach dem Attentat die Namen vieler Beteiligten an der Verschwörung gegen Hitler, die den Nazis bis dahin noch gar nicht namentlich bekannt waren.“[10] Die Alliierten sind nach dieser Lesart also schuld daran, dass Hitler nicht früher gestürzt wurde und die Briten hätten auch noch den Widerstand verraten. Nun kann man sicher in einem langen Text zum Widerstand gegen das Naziregimes auch erwähnen, dass die Akteure zum Teil auf Skepsis bei den Alliierten gestoßen sind. Wenn allerdings der gesamte Text zum Thema 20. Juli 1944 nur von der Schuld der Alliierten handelt, ist dies der Sachlage zumindest nicht angemessen. Noch deutlicher wird der Songtext selbst. Das Video zum Lied beginnt mit einem Schnitt auf den Bendlerblock, die Gedenkstätte für den Widerstand in Berlin. Vor dieser Kulisse wird in der ersten Strophe beschrieben, wie Staufenberg im Juli 1944 die Bombe im Führerhauptquartier ablegt, Hitler aber das Attentat überlebt. Dann Schnitt und der Sänger Marcel Wojnarowicz erscheint an der Atlantikküste, Assoziation zur Landung der Alliierten werden aufgerufen. Dazu der Liedtext der zweiten Strophe: „Schon am nächsten Tag starb der Widerstand wie Fliegen. Zwei Tage später halfen gar die Alliierten.“ Hier bezieht sich der Sänger wohl auf die im Kurztext genannte Radiomeldung der BBC zwei Tage nach dem Attentat, mit dem die Briten dem Naziregime bei der Ermordung der Widerständigen geholfen haben sollen. Und weiter geht es: „Ja, sie (gemeint sind die Alliierten TEK) haben damals den Widerstand verraten. Wir hätten uns die letzten Kriegsjahre sparen können“ – Jahre? Das Attentat auf Hitler fand 1944 statt. Kein Jahr später, am 8. Mai 1945, hat Deutschland kapituliert. Hat sich hier jemand verrechnet oder wird hier bewusst von Jahren gesprochen, um die angebliche Schuld der Alliierten zu vergrößern? Oder ist der Sänger der Meinung, Staufenberg und andere hätten das Regime deutlich früher gestürzt, wenn die Alliierte sie nur richtig unterstützt hätten? Dann nimmt der Liedtext Bezug auf die Feiern der Alliierten zum Kriegsende: „Und heute feiern sie den D-Day in der Normandie. Es hätte niemals soweit kommen müssen.“ Wozu es nicht hätte kommen dürfen, bleibt offen. Zum Krieg? Zur Invasion an der Normandie? Zur Kapitulation Deutschlands? Und dann folgt der Refrain: „Es ist an der Zeit, dass wir aufstehen. Das ist für den Widerstand. Damit nicht wieder Tausende draufgehen. Das ist für den Widerstand. Zusammen können wir’s mit denen aufnehmen.“ Gegen wen der Widerstand sich hier richten soll, bleibt auch hier zunächst offen. Gegen das Naziregime? Gegen die Alliierten, die den Widerstand gegen diese angeblich verraten haben? Oder gegen beide? Im Text geht es auf alle Fälle erst mal weiter nur gegen die Alliierten. Der britische Außenminister Eden wird dafür gerügt, dass er Bonhoeffer Kontaktversuche nicht ernst genug nahm und daraus geschlussfolgert, es habe zu keiner Zeit Bereitschaft gegeben „Support zu leisten für den Widerstand.“ Und von Dohnanyi habe von den USA für seine Bemühungen nur einen „Arschtritt“ erhalten. Dem amerikanischen Präsidenten Roosevelt sei es wichtiger gewesen Deutschland „zu brechen“, als den Widerständlern zu helfen. Denn Kriegsanleihen seien halt nur dann etwas wert, „wenn der Feind am Boden liegt“. Und die Vernichtungslager wollten „sie“, gemeint sind vermutlich die USA, gar nicht unbedingt schnell befreien, denn, er diente ihnen „für ihre Propagandaschlacht“. Marcel Wojnarowicz wirft den Alliierten vor, es sei gegen das Naziregime „nichts“ passiert, obwohl diese 1941 gewusst hätten, was in den Vernichtungslagern passiere. Und auf diesen Vorwurf folgt wieder der Refrain: „Es ist an der Zeit das wir aufstehen. ...“ Wer ist als Adressat des Widerstandes gemeint? Er bleibt allgemein gehalten: „Gleich in welchem Kleid sich der Teufel zeigt“. Die Nazis scheinen es allerdings nicht mehr zu sein: „Unser Feind hat sein Braunhemd lange abgestreift.“ Und endlich wird es zum Ende des Lieder hin wieder etwas konkreter. Der Feind wird beim Namen genannt: „Gauck“ wird in seiner Funktion als Bundespräsident ins Visier genommen. Und um anschlussfähig zu sein wird eine populäre Forderung aufgegriffen: „Wir sagen nein zu jedem Auslandseinsatz“.[11] Nicht fehlen darf zu guter Letzt die Lügenpresse in Form von „Tagesschau und 3Sat“, die beide „Lügen“ streuen.

Geschichtsrevisionismus

Der Liedtext ein gutes Beispiel dafür, wie Geschichtsrevisionismus[12] in seiner populären Spielart funktioniert: Von Geschichtsrevisionismus wird dann gesprochen, wenn das gesellschaftlich anerkannte oder dominant Geschichtsbild über die Zeit des Nationalsozialismus revidiert wird, indem wesentliche geschichtliche Ereignisse anders eingeordnet werden. In diesem Sinne wird von Geschichtsrevisionismus dann gesprochen, wenn für eine Neuinterpretation von geschichtlichen Entwicklungen entweder Fakten geleugnet oder erfunden oder Nebenaspekte einer Entwicklung zu Hauptursachen umgedeutet werden. Es geht also nicht darum zu kritisieren, dass Geschichte immer wieder neu untersucht und interpretiert wird, sondern zu kritisieren, wenn dies in der vorliegenden Art und Weise geschieht. Dass das Naziregime ein Gewaltregime war, das für die Ermordung von sechs Millionen Juden und den 2. Weltkrieg verantwortlich war, ist im gängigen Geschichtsbild unbestritten Weitgehende Einigkeit gibt es auch darüber, dass wichtige Teile des deutschen Kapitals das Regime maßgeblich gefördert haben, dass es aber auch, zumindest bis in die ersten Kriegsjahre hinein, eine breite Basis in der deutschen Bevölkerung hatte. Daraus folgend wird eine Verantwortung ‚der Deutschen’ für die Verbrechen des Regimes angenommen.

Wie geht nun der Text vor? Die oben genannten gängigen wesentlichen Einschätzungen zum Naziregime tauchen im Liedtext nicht auf. Im ersten Schritt wird am positiv besetzten Symbol des Widerstands der Gruppe um Staufenberg angesetzt und diese positive Besetzung bejaht. Aus der positiven Bezugnahme wird abgeleitet, dass Widerstand gut und wichtig ist und man selbst Teil dessen ist. Im zweiten Schritt wird über das Scheitern des Widerstands und die Ermordung der Attentäter gesprochen. Als dabei Aktive werden im Liedtext nicht die Nazis genannt, was ja naheliegend wäre, sondern die Alliierten. Diese allerdings als Helfer und nicht als Haupttäter. Das Problem ist hierbei nicht, dass über ein tatsächliches oder vermeintliches Versagen der Alliierten gesprochen wird, sondern, dass NUR darüber gesprochen wird und es so als einzige Ursache für das Scheitern des Widerstandes benannt wird. Wie auch an den anderen Stellen immer nur von der mangelnden Unterstützung des Alliierten die Rede ist und keine anderen Ursachen genannt werden. Zudem wird behauptet, die Alliierten hätten die Vernichtungslager nicht früher befreit, weil sie den Holocaust als Propaganda nutzen wollten. In diesem zweiten Schritt hat die Umdeutung stattgefunden: Schuld haben nicht mehr die eigentlichen Täter des Regimes, nicht mehr diejenigen Deutschen, die es unterstützt haben, sondern die Alliierten. Zumindest findet eine entscheidende Relativierung statt.

 

[1] www.neues-deutschland.de/artikel/1073553.preisverleihung-an-ken-jebsen-aluhuete-und-erleuchtete.html Angesehen: 2.1.2018

[2] de.wikipedia.org/wiki/Die_Bandbreite Angesehen: 30.12.2017

[3] www.diebandbreite.de/wahlkampfsong-fuer-die-deutsche-mitte/ Angesehen 30.12.2017

[4] deutsche-mitte.de/downloads/pdf/DM-Kurzprogramm-2017.pdf Angesehen 30.12.2017

[5] www.neues-deutschland.de/artikel/200683.bandbreite-zu-gross-bemessen.html Angesehen 30.12.2017

[6] Ich benutze hier den Begriff der Verschwörungsideologie statt des sonst meist verwandten Begriffs der Verschwörungstheorie, da es sich aus meiner Sicht bei den kritisierten Argumentationsmustern eher um Ideologien im Verständnis von falschem Bewusstsein als Theorien handelt. Zum Begriff der Ideologie in diesem Zusammenhang siehe ....

[7] www.fr.de/rhein-main/alle-gemeinden/offenbach/verschwoerungstheorien-treffpunkt-der-anti-aufklaerer-a-561199 Angesehen 30.12.2017

[8] www.diebandbreite.de/selbst-gemacht-3/ Angesehen: 30.12.2017

[9] Hier der gesamte Text des Liedes: www.songtexte.com/songtext/die-bandbreite/selbst-gemacht-1bba213c.html Angesehen: 7.1.2018

[10] www.diebandbreite.de/fuer-den-widerstand/ Angesehen: 30.12.2017

[11] Nun ist es als Einzelaussage völlig richtig, sich gegen die Militärpolitik der Bundesregierung zu positionieren und Gauck in diesem Zusammenhang zu kritisieren. Im Kontext der Liedstruktur, wird es aber schräg.

[12] www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/173908/glossar Angesehen am 2.1.2018


Download als PDF