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Das Recht auf Wohnen und die Eigentumsfrage

Über alle politischen Lager hinweg ist unbestritten, dass es in Deutschland einen massiven Mangel an leistbarem Wohnraum gibt. Die Meinungen darüber, wie dieser beseitigt werden kann, gehen auseinander. Während die einen meinen, der Markt solle es richten, argumentieren die anderen, das Recht auf Wohnen für alle ließe sich nur gegen den Markt durchsetzen. Im folgenden Beitrag wird dargelegt, warum der Wohnungsmarkt nicht stimuliert, sondern reguliert werden muss und warum darüber hinaus in der Wohnungspolitik die Eigentumsfrage gestellt werden sollte, wenn dauerhaft leistbare Wohnungen für alle geschaffen werden sollen.

Der Wohnungsmarkt

Der Staat kann auf vielfältige Art in den Wohnungsmarkt eingreifen. Er kann Regelungen für den Mietwohnungsmarkt erlassen, Subventionen und Steuervergünstigungen für den Wohnungsbau vergeben, über Wohngeld Menschen mit geringem Einkommen unterstützen, selbst Wohnungen bauen und bewirtschaften und im Rahmen der Bodenpolitik den Wohnungsmarkt beeinflussen. In Deutschland gelten Eingriffe in den Wohnungsmarkt gemeinhin als Notbehelf: Der Markt soll die Nachfrage nach Wohnungen befriedigen. Und während die Eigentumsförderung eine hohe Bedeutung hat, stellte die Sicherstellung günstiger Mietwohnungen für Menschen mit geringen Einkommen keinen politischen Schwerpunkt dar. 

Die Hans Böckler Stiftung (HBS 2018) stellte 2018 fest, dass in deutschen Großstädten insgesamt rund 1,9 Millionen leistbare Wohnungen fehlen. Seither ist die Situation nicht besser geworden. Mit dem Begriff der „Leistbarkeit“ wird in der Studie der maximal zumutbare Anteil der Wohnkosten am Einkommen definiert. Maßgeblich sind bei Miethaushalten die tatsächlich zu tragenden Gesamtkosten, inklusive der warmen Betriebskosten. Insbesondere Einpersonenhaushalte mit Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, d. h. mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens, sind vom Mangel an leistbaren Wohnungen betroffen. In diesem Segment fehlen über 1,4 Millionen kleine Wohnungen zu Mietpreisen zwischen 4 und 5 Euro pro Quadratmeter. Vor allem in München, in Städten der Rhein-Main-Region sowie im Großraum Köln-Bonn herrscht ein großer Mangel an leistbarem und ausreichend großem Wohnraum für armutsgefährdete Haushalte.

Die Wohnungsnot ist politisch gemacht

Die Ursachen für die aktuelle Wohnungsnot sind vielfältig, haben aber einen gemeinsamen Kern: die Kommodifizierung und Finanzialisierung des Wohnungssektors in den letzten drei Jahrzehnten. Drei wesentliche politische Weichenstellungen sind hier erfolgt: Erstens die Abschaffung der Gemeinnützigkeit 1990, die den Auftakt für die Privatisierung bis dahin öffentlicher Wohnungsbestände einleitete. Zweitens das Wohnraumförderungsgesetz von 2001, das den Schwerpunkt auf den Erwerb von Belegungsrechten und den Erwerb von Wohneigentum zur Eigennutzung legte und den Bau von Mietwohnungen für Geringverdienende vernachlässigte. Drittens die Neuverteilung der wohnungspolitischen Zuständigkeiten durch die Föderalismusreform 2006. Mit dem Abbau der Wohnraumförderung nach 2001 reduzierten sich die Bundesmittel zur Wohn- und Städtebauförderung von 14,8 auf 10,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig wurde die Verantwortung für die Wohnungsbauförderung auf die Länder übertragen, die aber meist nicht die nötigen Mittel zur Verfügung stellten. Infolge dieser Entwicklungen liegt der Umfang des sozialen Wohnungsbaus als Vorsorge derzeit weitaus niedriger als noch vor 30 Jahren. Statt in den sozialen Wohnungsbau flossen Steuergelder in die Bildung von Wohneigentum: 80 Prozent der zwischen 1980 und 2014 insgesamt für den Wohnungsbau aufgewandten Mittel von 98 Milliarden Euro wurden für die Bildung von Wohneigentum ausgegeben.

Finanzialisierung des Wohnungsmarkts

Mit Finanzialisierung des Wohnungsmarkts wird die Integration von Wohnungsbestände in den finanzmarktdominierten Kapitalismus beschrieben. Die Bedeutung von Wohnungen als Ware gewinnt gegenüber ihrer Funktion als Ort des Wohnens dabei erheblich an Bedeutung. Ihr Tauschwert und ihr Potenzial, Renditen zu sichern, wird wichtiger als ihr Gebrauchswert, die Wohnnutzung. 

Die Liberalisierung der Finanzmärkte ab Mitte der 1980er Jahre ermöglichte die Entstehung neuer Geschäftsmodelle. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich am Finanzmarkt ein ausdifferenziertes Gefüge unterschiedlicher auf Immobilien spezialisierter Akteure entwickelt. Ein erheblicher Teil des Kapitals wird durch institutionelle Anleger (Versicherungen, Pensionsfonds, kapitalgedeckte Alterssicherung, Stiftungen, allgemeine Sparfonds etc.) verwaltet. Das Wachstum der Spezialimmobilienfonds, die fast ausschließlich Kapital institutioneller Anleger investieren, veranschaulicht diese Entwicklung. 
Die in die globalen Kapitalmärkte integrierten ‚finanzialisierten‘ Immobilienunternehmen wie die Vonovia SE, die Deutsche Wohnen AG oder die LEG AG verfügten 2018 über rund 1,2 Millionen Wohnungen in Deutschland und verantworten einen wesentlichen Anteil an den Mietsteigerungen. Durch ihre Geschäftspolitik treiben sie die Mieten ihrer Bestände in die Höhe: Sie erwerben sie günstige Wohnungen, bei denen die Sozialbindung ausläuft, was dann unmittelbar für Mieterhöhungen genutzt wird. Auch bei Neuvermietungen werden systematisch Mieterhöhungen durchgesetzt, die nicht selten sogar über dem örtlich zulässigen Durchschnitt liegen. 

Die Bodenfrage

Die Kosten für den Erwerb von Grundstücken sind neben den Baukosten ein wesentlicher Preistreiber. Da der Preis für Boden nichts anderes als der vorweggenommene Ertrag aus seiner Folgenutzung ist, werden die Immobilienpreise wesentlich von den erwarteten Mieten bestimmt. 

Zu Beginn der 1970er Jahre gab es eine Initiative der SPD zur Reform des Bodenrechts: In städtischen Ballungs- und Problemzonen sollte das Verfügungseigentum an Boden – gegen Entschädigung – an die Kommunen übergehen, während dem bisherigen Alleineigentümer nur noch ein Nutzungsrecht bleiben sollte. Die Kommunen sollen über Art der Nutzung und ihre Regeln bestimmen. Die Nutzer*innen hätten dann lediglich ein Nutzungseigentum und damit das Recht zum Gebrauch des Grundstücks im Rahmen der vorgegebenen Regeln und zur Weitergabe der Nutzung an Dritte. 2019 hat Hans-Joachim Vogel diese Debatte wieder aufgegriffen. Grund und Boden sei keine beliebige Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Zudem sei Boden unvermehrbar und unverzichtbar. Deshalb versage in der Bodenfrage auch der Markt. Vogel plädiert für eine öffentliche Verfügungsgewalt über Boden und seine Herauslösung aus dem Wirkungsbereich des Marktes. Er bezog sich dabei auf Artikel 14 Absatz 4 des Grundgesetzes, das die Allgemeinwohlverpflichtung von Eigentum festschreibt. Kommunen sollen Grundstücke suchen, die sich für eine Bebauung mit Wohnungen eignen und mit einem Kaufangebot an die Grundstückseigentümer herantreten. Wenn diese sich weigern, die Grundstücke an die Kommunen zu verkaufen, sollen Enteignungsverfahren eingeleitet werden.  

In Deutschland sind aus Gemeinwohlinteresse durchgeführte Enteignungsverfahren gar nicht so ungewöhnlich: 2019 liefen in Deutschland 200 Enteignungsverfahren wegen Straßenbau. Wenn Grundstücke für den Straßenbau enteignet werden können, warum dann nicht auch für den dringend notwendigen Bau von preisgünstigen Wohnungen durch öffentliche Träger?

Privatisierung öffentlicher Wohnungen

Die nicht nur im Wohnungsbereich in den 1990er Jahren Fahrt aufnehmende Privatisierungswelle hatte mehrere Ursachen. Wesentlich war eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die den ideologischen Hintergrund für einen Rückzug des Staates aus vielen Wirtschaftsbereichen lieferte. Hinzu kam die Finanznot der Kommunen. Im Zeitraum 1995 bis 2010 sollen mehr als eine Million Wohnungen aus öffentlicher Hand privatisiert worden sein. Im Zuge dieser Privatisierungswelle wurden einstmals geschützte Wohnungsbestände Schritt für Schritt für eine profitorientierte Bewirtschaftung geöffnet. Gleichzeitig wurde ein weitgehender Abbau des geförderten Wohnraums eingeleitet. Dadurch ist die Zahl der Sozialwohnungen von 1990 bis 2019 von 2,87 Millionen auf 1,13 Millionen gesunken. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den Verkauf nicht profitorientiert bewirtschafteter Wohnungen von Genossenschaften, Kirchen etc. an profitorientierte Wohnungsunternehmen (allein 98.000 Wohneinheiten zwischen 2003 und 2013)

An vielen Orten regte sich Widerstand gegen die Verkäufe und seit dem erfolgreichen Bürgerentscheid gegen die Privatisierung der Freiburger Wohnungsbestände im Jahr 2006 übten Kommunen mehr Zurückhaltung. In der Folge wurden tendenziell nur noch Teilbestände verkauft und der 2010 gescheiterte Verkauf von etwa 1.500 Wohnungen aus dem Bestand der Rostocker Wohnungsgesellschaft WIRO zeigt, dass die Verkäufe großer kommunaler Wohnungsbestände zunehmend kritischer gesehen wurde.

Wohnungsgemeinnützigkeit

In der jungen Bundesrepublik war die Wohnungsgemeinnützigkeit eine Erfolgsgeschichte. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen konnten von Steuerbefreiungen bei Körperschaft-, Gewerbe-, Grund- und Grunderwerbsteuer profitieren, indem sie dauerhaft preisgünstigen und sozialen Wohnraum für Haushalte bereitstellten, deren Einkommen unterhalb bestimmter Grenzen lag. Zwischen 1949 und 1989 entstanden 4,2 Millionen Wohnungen durch gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften, das waren rund 25 Prozent der Bauleistung in diesen Jahren. 1986, kurz vor Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, verwalteten die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften rund 4,8 Millionen Wohneinheiten, wobei sich rund 60 Prozent davon im Eigentum von Wohnungsbaugesellschaften befand, von denen wiederum mehr als die Hälfte in öffentlicher Hand waren.

Die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit setzt auf einen Gewinnverzicht und die Erfüllung von gemeinnützigen Versorgungsaufgaben. Die Prinzipien für den gemeinnützigen Wohnungsbau sehen dabei eine vorrangige Vermietung an Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen und an besondere Bedarfsgruppen vor und schließen eine dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindung ein. Im Unterschied zu früheren Formen der Gemeinnützigkeit im Bereich Wohnen setzt die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit auf eine stärker regionalisierte Organisation und die Erweiterung von Mitbestimmungsmöglichkeiten für Mieter*innen sowie auf die Einrichtung von Mieter*innenräten. 

Kollektives Wohneigentum

Wohnungsbaugenossenschaften können sowohl als eine kollektive Reaktion auf unmittelbare Wohnungsnot als auch als eine langfristige Antwort in Form von Selbsthilfe und Solidarität, inklusive Mitbestimmung, verstanden werden. Die bundesweit rund 2.000 Wohnungsgenossenschaften unterhalten laut dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) circa 2,2 Millionen Wohnungen. Genossenschaften heben die Trennung von Mieter*innen und Vermieter*innen auf. Die Immobilien der Genossenschaft sind gemeinschaftliches Eigentum, in der Genossenschaftsversammlung hat jedes Mitglied eine Stimme, unabhängig vom Kapitaleinsatz. Genossenschaftliches Wohneigentum ist dauerhaft der Spekulation und der Renditeorientierung entzogen, allerdings kann sich die tatsächliche Art und Weise, wie es bewirtschaftet wird, stark unterscheiden und ist von ihren Vorständen und dem Engagement der Mitglieder abhängig. Insofern sind Genossenschaften nicht per se sozial ausgerichtet.

Das Miethäuser Syndikat ist eine weitere Form, Wohnhäuser als kollektives Eigentum zu verwalten. Im Syndikat sind seit gut 30 Jahren Hausprojekte miteinander verbunden, die sich gemeinsam der Verwertungslogik des Immobilienmarktes entgegenstellen, indem sie solidarische und gemeinwohlorientierte Perspektiven für die Nutzung von Immobilien schaffen. Die Häuser werden entprivatisiert, in Gemeineigentum umgewandelt und in Selbstorganisation wird Platz für bezahlbaren Wohn- und Gewerberaum geschaffen. Bundesweit gibt es mittlerweile über 170 Projekte und Initiativen unter dem Dach des Miethäuser Syndikats. Um die Häuser gegen eine spätere Privatisierung zu sichern, liegen die Eigentumstitel der jeweiligen Immobilie nicht unmittelbar beim Hausverein, sondern bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Über die Enteignung von großen Wohnungskonzernen und die Überführung ihrer Bestände in öffentliches Eigentum könnte ebenfalls kollektives Wohneigentum geschaffen werden. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ hat dazu ein passendes Modell entwickelt.

Bei der Schaffung von kollektivem Wohneigentum kommt den Kommunen eine große Bedeutung zu. Während es Mitte der 1990er Jahre noch ca. 3,2 Millionen Wohnungen im kommunalen Eigentum gab, bewirtschaften Ende 2020 die im Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen organisierten kommunalen Wohnungsunternehmen nur noch rund 2,1 Millionen Wohnungen. Allerdings hat sich in den letzten Jahren der Trend leicht umgekehrt: Inzwischen gründen Kommunen wieder Wohnungsunternehmen, lassen neue Wohnungen bauen und übernehmen Bestände aus dem privaten Sektor. 

Die Eigentumsfrage

Das Grundgesetz schützt nicht nur das Eigentum, sondern definiert auch Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit (Grundgesetz Artikel 14). Die Auseinandersetzung um den Berliner Volksentscheid spiegelt den Konflikt zwischen dem Schutz des Eigentums sowie dem Recht auf seine wirtschaftliche Verwertung einerseits und der Durchsetzung des Gemeinwohls andererseits wider. Es geht dabei nicht allein um die Frage der verfassungsrechtlich richtigen Auslegung des Grundgesetzes, sondern um eine primär politische: Inwieweit haben Renditeerwartungen großer Wohnungskonzerne und deren Anteilseigner*innen Vorrang vor dem Gemeinwohl und dem individuelles Recht auf angemessenen Wohnraum? 
Eigentumsverhältnisse sind gesellschaftlich gemacht und können auch verändert werden; sie sind Ausdruck politischer Machtverhältnisse. Die Zuspitzung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse in Form des Artensterbens und der Klimakrise, die Konzentration von Reichtum, die zunehmende Unsicherheit der Lebensperspektiven vieler Menschen, Wohnungsnot und steigende Mieten haben ein Maß an Unzufriedenheit hervorgebracht, das die Debatte radikalisiert hat. 

Und die Ampel?

Die Ampelkoalition strebt den Bau von 400.000 neue Wohnungen pro Jahr an, wovon 100.000 sozial geförderte sein sollen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jährlich 100.000 neue Sozialwohnungen entstehen sollen, denn „sozial gefördert“ schließt hier auch Wohnungen ein, die im Rahmen von Eigenheimförderung finanziert werden – von dieser profitieren vor allem Menschen mit mittleren bis höheren Einkommen, nicht jedoch Geringverdiener*innen. Immerhin hat sich die Koalition die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit vorgenommen, allerdings unter dem Vorbehalt der Nichtbenachteiligung privater Wohnungskonzerne. Ob dieses Instrument angesichts solcher Rahmenbedingung über überhaupt funktionieren kann, ist offen. Insgesamt sind angesichts der gravierenden Probleme bei der Wohnungsversorgung von Geringverdienenden die in der Koalitionsvereinbarung verabredeten Maßnahmen dürftig. Neubau ist darin zentrales Ziel und die wesentlichen Instrumente versuchen, Marktprozesse zu stimulieren, statt den Wohnungsmarkt stärker zu regulieren und günstige öffentliche Wohnungen zu schaffen. 

Alles eine politische Frage

Ebenso wie die Finanzialisierung und Kommodifizierung des Wohnungsmarkes politisch gewollt waren, könnte auch eine Dekommodifizierung politisch umgesetzt werden. Das Beispiel des erfolgreichen Volksbegehrens für die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co. in Berlin und die Wiedergründung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zeigen ebenso wie das Wachstum des Miethäuser Syndikats, wohin die Entwicklung gehen könnte.

Generell gilt: Hochpreisige Wohnungen können über den Markt zur Verfügung gestellt werden, dafür braucht es weder staatliche Zuschüsse im Rahmen der Eigenheimförderung noch kommunale Maßnahmen. Für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen und hier vor allem solche mit Kindern versagt der Markt. Dies können nur Wohnungen in Gemeineigentum sein. Wohnen als Gemeineigentum kann in Form von kommunalen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften, im Rahmen von Modellen wie dem Miethäuser Syndikat oder in einer Form der Anstalt öffentlichen Rechts organisiert sein. 

Die beschriebene Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit wäre eine wichtige Maßnahme zur Dekommodifizierung des Wohnungsmarkts, die Ampel hat sie in ihrer Koalitionsvereinbarung sogar angekündigt. Hilfreich wäre das Instrument aber nur dann, wenn gemeinnützige Wohnungsgesellschaften gegenüber profitorientierten klar bevorteilt würden. 

Ein weiterer Paradigmenwechsel wäre die Abkehr von der Subjektförderung (Mieter*innen oder „Häuslebauer“) und eine Stärkung der Objektförderung, beispielweise über die Bezuschussung gemeinwohlorientierter Wohnungsgesellschaften. In Bezug auf die sozialpolitische Wirkung ist es sehr viel effizienter, den Bau preisgedämpfter Wohnungen zu finanzieren, als die Wohneigentumsbildung in privater Hand zu fördern oder Mietzuschüsse zu zahlen. 

Letztendlich wird es für die langfristige Lösung der Wohnungsfrage von Bedeutung sein, ob die Eigentumsfrage endlich angegangen wird ¬– und zwar in Bezug auf Boden und auf große Wohnungsbestände. Wie dies für Boden aussehen könnte, wurde von Hans-Jochen Vogel überzeugend dargestellt. Wie die Eigentumsfrage in Bezug auf Bestandsimmobilien gestellt werden kann, hat die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ gezeigt. 

Perspektivisch wird man nicht darum herumkommen, an der Eigentumsfrage anzusetzen und mehr Wohnungen in Strukturen vorzuhalten, die nicht gewinnorientiert arbeiten. Gleichzeitig müssen die gewinnorientierten privaten Wohnungsgesellschaften mit Geboten und Auflagen eingehegt werden. Dies würde eine deutliche Dekommodifizierung des Wohnens und eine Reduzierung seines Warencharakters bedeuten. Ob es gelingt alle Maßnahmen umzusetzen und einen großen gemeinwohlorientierten Wohnungssektor zu schaffen, wird davon abhängen, wie sehr sich der Druck auf die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen erhöhen lässt. 

Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Aufsatzes Das Recht auf Wohnen – Zum Verhältnis von Rendite- und Gemeinwohlorientierung aus: Z'GuG Zeitschrift für Gemeinwirtschaft und Gemeinwohl, Seite 58 – 78


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