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Aus der Krise lernen: Eine schnelle und tiefgreifende Verkehrswende ist nötig und möglich!

Einer der Auswirkungen der Corona-Pandemie war die deutliche Reduzierung des Autoverkehrs vor allem in den Städten und der Einbruch beim Flugverkehr. Fahrten von und zur Arbeit, zur Kita, zur Schule und zur Uni fielen aus. Geschäfts- und Urlaubsflüge wurden storniert.

Weniger Verkehr

Mit Beginn des bundesweiten Kontaktverbots brach der motorisierte Individualverkehr um 60 Prozent ein und betrug in den folgenden sieben Wochen im Schnitt minus 55 Prozent des sonstigen Aufkommens. In den Städten gab es plötzlich Platz für Fahrrad- und Fußverkehr, die Luft wurde besser, der Lärm nahm ab. Der Güterverkehr reduzierte sich deutlich: Das Minus beim LKW-Verkehr belief sich in dieser Zeit auf durchschnittlich 26 Prozent. Aller Voraussicht nach wird der Güterverkehr in Folge der Wirtschaftskrise vorerst auf einem niedrigeren Niveau als vor Corona verbleiben. Laut Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaft von Mitte Mai 2020 trägt dazu vor allem die Automobilindustrie bei, deren Transportbedarf sich je nach Verkehrsträger um bis zu 90 Prozent reduziert hat. Der Seeverkehr ist im März im Vergleich zu den Vormonaten um 48 Prozent eingebrochen. Der Schienengüterverkehr reduzierte sich bis Anfang April um etwa 20 Prozent und auch die Luftfracht verzeichnete Rückgänge von etwa 23 Prozent. Der Flugverkehr ist im März 2020 weltweit so rapide eingebrochen wie nie zuvor. Der Passagierflugverkehr ist mit mehr als 90 Prozent Flug-Streichungen beinahe zum Erliegen gekommen. Inzwischen wurde der Flugverkehr zwar wieder aufgenommen, allerdings wird damit gerechnet, dass er zunächst auf einem niedrigeren Niveau verbleibt als in Zeiten vor Corona.

… heißt bessere Luft in den Städten

Weniger Autos in den Städten führen zu weitaus weniger gesundheitsschädlichen Stickoxide, das zeigen erste Analysen des Umweltbundesamtes. Während des Lockdowns ging der Straßenverkehr in den Städten um 30 bis 50 Prozent zurück. Die an verkehrsnahen Messstationen gemessenen Schadstoff-Konzentrationen sanken im gleichen Zeitraum um 15 bis 40 Prozent. Teilweise wurden die niedrigsten Werte im Monatsmittel seit Messbeginn festgestellt.

… bringt weniger CO2-Emissionen

Auch die CO2-Emissionen sind im Zuge des Lockdowns deutlich gesunken. Auf das gesamte Jahr 2020 gesehen werden die Verbesserungen allerdings eher gering ausfallen. Eine Studie aus dem Mai der Universität von East Anglia im britischen Norwich geht davon aus, dass die CO2-Emissionen 2020 im Schnitt nur um etwas mehr als fünf Prozent unter dem Wert von 2019 liegen werden.

Vertane Chancen

Wenn aus der Krise nicht Schlüsse für eine rasche Mobilitätswende gezogen werden, steigen CO2-Emmissionen und Luftverschmutzung wieder an. Die Erfahrungen mit Homeoffice und mobilem Arbeiten, das heißt Video- und Telefonkonferenzen statt Besprechungen, arbeiten von Zuhause, statt im Büro könnten dazu genutzt werden, arbeitsbedingte Verkehre zu reduzieren. Städte haben den Rückgang des Autoverkehrs dazu genutzt, zusätzliche provisorische Fahrradwege einzurichten. Die positiven Erfahrungen damit sollten helfen, den Ausbau der Fahrradinfrastruktur zu beschleunigen. Nicht immer sind jahrelange politische Auseinandersetzungen und Planungsprozesse notwendig, um den Straßenraum neu zugunsten von Fahrrad- und Fußverkehr aufzuteilen. Auf Flugreisen konnte über Monate ohne Schaden verzichtet werden. Videokonferenzen ersetzten reale Meetings und viele Menschen haben die nähere Umgebung als Raum für Erholung neu entdeckt. Warum soll sich nicht an diesen Erfahrungen anknüpfen lassen?

Die Bundesregierung hat ein 150 Milliarden schweres Konjunkturpaket aufgelegt. Immerhin enthält es keine Abwrackprämie für Verbrenner, auch wenn die Senkung der Mehrwertsteuer indirekt den Absatz von Autos fördern wird. Ansonsten bleibt es aber weit hinter dem zurück, was möglich und nötig wäre. Die jetzt mobilisierten öffentlichen Gelder sollten unter anderem dafür eingesetzt werden, das Verkehrssystem sozial und ökologisch umzubauen. Ziel sollte es nicht sein, die Absatzzahlen für (E-)Autos immer höher zu treiben, sondern in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu investieren und diesen zukunftsfähig zu machen. Während die Autokonzerne zurzeit hunderttausende nicht absetzbare Autos auf Halde stehen haben, blockieren lange Lieferzeiten bei Schienenfahrzeugen und E-Bussen die Verkehrswende. Konjunkturmittel sollten dafür eingesetzt werden, diese Schieflage zu beseitigen. Gleiches gilt für den Luftverkehr. Die Bundesregierung hat – ohne jede ökologische oder soziale Auflage – neun Milliarden Euro in die Lufthansa gesteckt und unterstützt damit offensiv und ohne Not Klimazerstörung.

Den öffentlichen Verkehr stärken

Der öffentliche Nahverkehr hat durch die Folgen der Corona-Pandemie besonders gelitten. Nicht allein der Rückgang des Verkehrsbedarfs hat die Fahrgastzahlen einbrechen lassen. Die Sorge vor Ansteckung hat zusätzlich Menschen von der Nutzung von Bussen und Bahnen abgehalten. Bereits vor der Corona-Pandemie war der öffentliche Nahverkehr massiv unterfinanziert. Die Einnahmenverluste durch coronabedingte Fahrgastrückgänge werden auf fünf bis sieben Milliarden Euro geschätzt. Kommunen und Verkehrsunternehmen können die daraus erwachsenden finanziellen Einbußen nicht auffangen. Nun droht die Gefahr, dass Leistungen reduziert werden, um die Defizite auszugleichen. Damit würde der ÖPNV noch unattraktiver werden – deshalb muss der Bund die Defizite ausgleichen und die notwendigen Finanzen zur Verfügung stellen.

Guter öffentlicher Nahverkehr wird nur funktionieren, wenn es dort gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gibt. Die von Verdi und Fridays for Future initiierte Kampagne ÖPNV braucht Zukunft braucht Klimaschutz braucht ÖPNV… ist ein gutes Beispiel dafür, wie soziale und ökologische Aspekte verknüpft und Gewerkschafts- und Klimabewegung gemeinsame Kämpfe führen können.

Mehr Geld und Platz für Fuß- und Radverkehre

In Deutschland besteht immer noch eine starke Orientierung des Verkehrs auf das Auto. Das wird unter anderem an der Höhe der öffentlichen Gelder, die in die jeweilige Verkehrsinfrastruktur fließen, deutlich, aber auch am Raumbedarf, den die verschiedenen Verkehrsteilnehmer*innen in den Städten beanspruchen. In den meisten Städten heißt es immer noch: Autos first! Wenn sich daran nichts ändert, werden die Städte immer weniger lebenswert und auch die Klimakatastrophe wird sich nicht aufhalten lassen.

Die Klimakrise und die soziale Schieflage weltweit und auch in Deutschland sowie die Corona-Pandemie haben gezeigt, was wirklich wichtig ist! Diese Erkenntnisse müssen nun dazu genutzt werden, den dringend notwendigen sozial-ökologischen Umbau zu starten. Der Verkehrsbereich wird dabei ein wichtiges Aktionsfeld sein.

Attac-Kampagne einfach.umsteigen - Klimagerechte Mobilität für alle!

 


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