Warum ist die Unternehmensbesteuerung ein Problem?
Nahezu alle Unternehmen gehören natürlichen Personen, entweder direkt oder im Fall von Tochterfirmen über mehrere Ecken. Die einzigen Ausnahmen sind Unternehmen die Stiftungen oder dem Staat gehören. Die natürlichen Personen zahlen Einkommensteuern und nach den Vorstellungen von Attac künftig auch wieder Vermögensteuern. Wozu braucht es dann noch Unternehmensteuern?
In einer geschlossenen nationalen Gesellschaft könnte man tatsächlich auf Unternehmensteuern verzichten. In der wirklichen Welt würden dann aber Firmen, die in ausländischer Hand sind, in Deutschland keine Steuern zahlen. Der Zweck der Unternehmensteuern besteht also darin, dass Betriebe die hiesige Infrastruktur mitfinanzieren. Dazu gehören die Straßen und Bahnen, die Versorgung mit Wasser und Strom, die Nutzung der Grundstücke, die Bildungseinrichtungen für ihre qualifizierten Beschäftigten, die öffentliche Sicherheit sowie zahlreiche andere Dienstleistungen. Für Länder, die überwiegend Rohstoffe exportieren, geht es häufig auch darum, dass – in der Regel ausländische – Konzerne, die Lagerstätten mit oft schädlichen Umweltauswirkungen ausbeuten, überhaupt etwas dafür bezahlen und an den Kosten zur Behebung der ökologischen und ökonomischen Schäden beteiligt werden.
Race to the Bottom
In den 1990er Jahren begann mit der Liberalisierung auch das zweite Zeitalter der Globalisierung. Auf der Basis neuer Kommunikationsformen und günstiger Frachttarife konnten Fabriken weltweit verlagert werden und ihre Ansiedlung musste mit Steuernachlässen erkauft werden. Je mehr die Zölle gesenkt wurden, desto umkämpfter wurden die internationalen Märkte und um so mehr nahm der Steuerwettbewerb Fahrt auf. Immer mehr Unternehmensgewinne wurden über Briefkastenfirmen (BKF) in Steuerparadiese verschoben und nicht mehr dort versteuert, wo Rohstoffe gewonnen und Waren produziert oder verkauft wurden.
Der Zauberkasten
Um die Gewinne der Firmen in die „Oasen“ zu schicken, entwickelte die Konzerne einen ganzen Zauberkasten an Tricks – den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, zu Recht mit dem Begriff „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) bezeichnete. Die OECD berichtet, dass die Vielzahl der Tricks die Steuerbeamten völlig überfordern würden und oft auch die Gesetze so gestaltet sind, dass eine vollständige Steuerprüfung kaum noch möglich ist. Hier die wichtigsten Tricks:
Klassischer Verrechnungspreistrick: Die Hälfte des Welthandels findet nicht zwischen Firmen statt, sondern zwischen Subunternehmen innerhalb eines internationalen Konzerns. Dieser legt die Verrechnungspreise beim konzerninternen Handel derart fest, dass die Gewinne dort landen, wo die Steuern am niedrigsten sind.
Lizenztrick: Lizenzgebühren für die Nutzung des Firmennamens, Franchising-Gebühren, Patentgebühren usw. werden an eine BKF-Tochter in einer Steueroase überwiesen und daher dort nur minimal oder gar nicht versteuert.
Zinstrick: Überhöhte Zinszahlungen werden an eine BKF-Tochter überwiesen, bei der die produktive Firma geschickt konstruierte Schulden hat.
Servicetricks: Es werden hohe Gebühren für firmeninterne Services gezahlt – zum Beispiel für IT, Werbung, Steuerberatung, Produktdesign, Firmenstrategie usw.
Versicherungstrick: Es werden hohe Versicherungsgebühren an eine konzerneigene Versicherung in einer Steueroase gezahlt.
Bankentrick: Es werden Bankgebühren und Kosten für Bankservices (zum Beispiel Kundenrabattkarten, Finanzierungskredite für Kunden usw.) an eine konzerneigene Bank in einer Steueroase gezahlt.
Häufig sind die Steueroasen auf bestimmte Tricks spezialisiert. Das bedeutet, dass die Gesetzgebung und die internationalen Verträge dieses Landes (oder Territoriums) gezielt darauf ausgerichtet werden. Zu diesen spezialisierten Oasen zählen nicht nur Karibikinseln und die britischen Kanalinseln, sondern auch eine Reihe von EU-Staaten – an der Spitze der IT-Gigant Irland und die Banken-Oase Luxemburg sowie die EU-assoziierte Schweiz, die den Binnenmarkt geschickt dafür nutzen.
Kampf gegen Steuervermeidung
Als Folge von dieser Entwicklung begannen Ende des letzten Jahrtausends immer mehr Staaten ihre Unternehmensteuern zu senken, um überhaupt noch Steuern zu bekommen oder um Investitionen anzulocken. Später sprach man vom „Race to the bottom“. Seit 2003 regte sich aber zunehmend der Widerstand gegen diese neoliberale Agenda. Mit der Gründung des Tax Justice Network (TJN), zu dem auch Attac gehört, begann der systematische Kampf gegen Steuervermeidung, Geldwäsche und das damit verbundene mehr oder weniger kriminelle Netzwerk von Banken, Firmen und Berater*innen. So aussichtslos das zunächst schien – die permanente Aufklärung über diese Geschäfte hatte beachtliche Wirkung.
2012 erkannten auch die reichen Industrieländer und die großen Schwellenländer, dass es so nicht weitergeht und das Steuerdumping auf Dauer ihre Finanzen ruiniert. Nun beauftragte die G20 die OECD damit, Maßnahmen gegen die Steuervermeidung vorzuschlagen. 2014 legte diese den ersten Action Plan vor.
2021 einigten sich 130 Länder im Rahmen der OECD, nach jahrelangen Verhandlungen auf neue Regeln zur Steuervermeidung, unter anderem beinhalten sie eine Mindestbesteuerung von Konzernen in Höhe von 15 Prozent. Sie sind aber nur ein erster Schritt und sind bereits durch Ausnahmeregelungen aufgeweicht.
Gegenwärtig ruhen die Hoffnungen gerade der Länder des globalen Südens darauf, dass im Rahmen der Verlagerung der Kompetenz für globale Steuerregelungen zur UN in Zukunft effektivere Vereinbarungen zur Konzernbesteuerung getroffen werden.