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Roland Süß: Die richtigen Fragen stellen

Altmaiers Industriestrategie tut das nicht (Gastwirtschaft in der Frankfurter Rundschau)

Im Februar hat Wirtschaftsminister Altmaier einen Bericht mit dem Titel „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgelegt. Sie stellt fest: Industriepolitische Strategien erleben in vielen Teilen der Welt eine Renaissance, es gibt kaum ein erfolgreiches Land, das zur Bewältigung der Aufgaben ausschließlich und ausnahmslos auf die Kraft des Marktes setzt.“  Wesentlicher Beweggrund der neuen Industriestrategie: „Ein industriepolitisch besonders erfolgreiches Land ist die Volksrepublik China, die 2015 die Agenda ‚Made in China 2025’ beschlossen hat.“

Altmaier spricht in ihr von „einen völlig anderen Ansatz“. Denn: „Sie definiert, in welchen Fällen ein Tätigwerden des Staates ausnahmsweise gerechtfertigt oder gar notwendig sein kann, um schwere Nachteile für die eigene Volkswirtschaft und gesamtstaatliche Wohl zu vermeiden.“ Schränkt jedoch umgehend ein. „Grundsätzlich gilt: Wir brauchen mehr, nicht weniger Marktwirtschaft, wenn wir die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft bewahren wollen.“

Doch werden hier die drängenden Herausforderungen beschrieben, die anstehen um ein „gesamtstaatliches Wohl“ zu fördern? Es findet sich kein Wort in der Strategie von den drängenden Problemen einer Wirtschaftspolitik, die eine Ungleichheit weiter vorantreibt, in der immer weniger Menschen in der Lage sind, durch ihre Arbeit, ein ausreichendes Einkommen für ein gutes Leben zu erzielen. Umwelt und Klimakrisen werden nicht als Herausforderung einer zukunftsfähigen Wirtschaft gesehen, sondern „staatliche Eingriffe zum Beispiel aus Gründen des Umweltschutzes, des Klimaschutzes, der Energiewende oder der Sozialpolitik“ haben „die Kosten und damit die Wettbewerbsposition“ verschlechtert. Daher müsse die Wirtschaft bei den Strom- und Energiepreisen, bei der Höhe der Unternehmensbesteuerung und der der Sozialabgabenquote entlastet werden.

Solche Entlastungen gehen zu Kosten der Allgemeinheit. Das Eingreifen des Staates ist in Altmaiers Strategie ausschließlich zur Erhöhung der Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt zulässig. Mit dem Ziel weiterhin auf Wachstum zu setzen und die Exportquote noch weiter zu steigern. Eine solche Industriestrategie ist von Vorgestern. Sie ist weder nachhaltig noch klimagerecht oder sozialverträglich. Die entscheidenden Fragen einer zukunftsfähigen Industriepolitik werden erst gar nicht gestellt.

Der Autor ist Handelsexperte des globalisierungskritischen Netzwerks Attac.


Veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau am 3. April 2019