Wasser in der Globalisierung:
Ökologische und Politische Aspekten
Süßwasser ist eine natürliche Ressource, die während der Jahreszeiten, aber auch regional sehr unterschiedlich verfügbar ist. Die Notwendigkeit eines integrierten Verständnisses der Wechselwirkungen zwischen Klimaregime, Biosphäre und den konkurrierenden menschlichen Nutzungen (Landwirtschaft, Industrie und Trinkwasserversorgung) wird über Analyse des Wasserhaushalts einer Region erzielt.
Bei dieser Analyse sind mehrere Komponenten zu beachten:
(a) den sich aus Niederschlag erneuernden Vorräten,
(b) der Rückhaltekapazität von Ökosystemen wie Feuchtgebieten und Wäldern,
(c) unterirdisch abfließendes Grundwasser,
(d) Flüsse in und aus den Nachbarländern,
(e) "fossilem Grundwasser"1.
Der Mensch nutzt und beeinflusst alle Komponenten durch: (a, d) Stauung und Dammbau, (b) Entwaldung und Landnutzungsänderungen, (c, e) Tiefbrunnen, was in immer mehr Regionen zu einem Absenken des Grundwasserspiegels führt. In großen Megastädten hat sich der Grundwasserspiegel um bis zu 130 m gesenkt (Peking), während der Bau nicht nachhaltiger Bewässerungspumpen eine großflächigen Entnahme ermöglichen und zum Austrocknen ganzer Landstriche führen kann2.
Die Verschmutzung von Oberflächengewässern durch Industrie- und Stadtabwässer sowie der Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft in Flüsse, Seen und das Grundwasser führen zu einer zusätzlichen Verknappung von sauberem Trinkwasser. Während weltweit die Bewässerungslandwirtschaft 2/3 des Süßwasserverbrauchs ausmacht, dominiert in europäischen Ländern der industrielle Verbrauch. So benötigt die Produktion einer Welt-Durchschnittstonne Weizens 1.000 m³, eines Pkws sogar 200.000 m³.
Die Internationalisierung der Wasserverschwendung hat vielfältige Facetten. Vandana Shiva beschreibt, wie die Weltbank großräumige Bewässerungsprojekte fördert, sich jedoch hauptsächlich auf die Bereitstellung von Wasser durch Brunnen und Staudämme konzentriert, also angebotsorientierter Politik. Vernachlässigt wurden die Effizienzgewinne im Verbrauch. Folgen der oft exportorientierten Intensivbewässerung sind Absenkung des Grundwasserspiegels, Versalzung der Böden und Marginalisierung von Kleinbauern. Dabei gibt es viele preiswerte, lokal angepasste "Low-Tech"-Lösungen: so erlangen Tröpfchenbewässerung3 sowie die Wahl angepasster Pflanzensorten erst heute, in Zeiten sichtbarer Wasserverknappung, bei der FAO4 eine hohe Aufmerksamkeit. Leider hat diese UN-Organisation kaum Gewicht bei den Entscheidungen der Finanzinstitutionen IWF/WB. Die Gen-Industrie versucht, unausgegorene "neue Pflanzen" als großtechnische Lösungen für Nahrungs- und Wasserkrisen zu vermarkten - ein gefährliches Experiment, bei dem die Öffentlichkeit das Risiko trägt und Konzerne die Gewinne einstecken.
Die Vernichtung der regional angepassten Waldökosysteme und die Wiederaufforstung mit schnellwachsenden Holzlieferanten (vor allem dem australischen Eukalyptus mit seinen tiefen Wurzeln und extremen Verdunstungsraten) und anderen Monokulturen5 bringen die lokalen Wasserkreisläufe massiv aus dem Gleichgewicht. Grundwasserabsenkung, verkürzte Feuchtperioden mit plötzlichen Fluten und anschließenden Dürren werden in weiten Teilen der Welt beklagt.
Das Kyotoprotokoll in seiner heutigen Form lädt ausländische Investoren sogar explizit zum wasserverschwendenden Monokultur-Plantagenanbau auf frisch gerodetem (Ex-)Wald ein: Ein Holzfäller-Konzern kann dies als "CO2-Senke" auf dem sich entwickelnden "Emissionsrechte"-Markt versilbern6. Diese Perversion benötigt dringender Nachbesserung zum Schutz von Wäldern, Wasserhaushalt und Biodiversität, und das gleichzeitige Befolgen aller Umwelt- und Wirtschaftskonventionen muss gesichert werden7.
Für die Regierungen der armen Länder addieren sich diese "importierten Wasserverschwendungen" zu den Partikulärinteressen der lokalen Eliten und dem starken Bevölkerungsdruck. Ein sinnvolles Management, wie es viele NGOs fordern, wird so unmöglich.
Der Klimawandel, dessen Auswirkungen heutzutage vor allem auf Wind- und Niederschlagsregime immer deutlicher werden, bringt den Wasserhaushalt massiv durcheinander. Der Trockengürtel der Welt droht noch trockener zu werden, während kältere Gebiete wie Russland und Kanada hoffen, von der Erwärmung zu profitieren. Nach allen Prognosen werden ärmere Länder viel stärker belastet als die nördlichen Industrieländer.
Ökosysteme haben die natürliche Fähigkeit, sich auf langsamen Klimawandel einzustellen. Die gewaltige Geschwindigkeit des Treibhauseffekts in Verbindung zusammen mit den Eingriffen des Menschen in fast alle Ökosysteme der Welt vermindern die Anpassungsfähigkeit der Natur. Nicht Klimawandel, sondern dessen Geschwindigkeit in Verbindung mit der standardisierten Agroindustrie, der Entwaldung und den Kunstlandschaften stellen also die wahre Gefahr des Treibhauseffekts dar.
Die tiefen Zerwürfnisse in Mittleren Osten über die Wasservorräte sind eine nicht zu vernachlässigende Triebfeder auch für politischer Konflikte. So staut die Türkei im Rahmen des "Anatolien-Projektes" mit 22 Staudämmen den Tigris und den Euphrat, welche Wasserquellen für Syriens und Iraks Agrarproduktion sind Auch in den Golanhöhen und auf der Westbank Palästinas klagen Bauern, dass ihre Brunnen trocken fielen seit israelische Tiefenbrunnen die Wasservorräte abschöpfen und in fern gelegene Gebiete leiten. Dort wird das Wasser größtenteils für intensiven Bewässerungslandbau von Exportprodukten verwendet. Der Nahe Osten ist durch die starke Ungleichverteilung von Niederschlägen sowie einem ungleichen Pro-Kopf-Verbrauch charakterisiert, der Misstrauen um die strategische Ressource Wasser zwischen Israel, den Palästinensern, Jordanien und Ägypten bedingt. Die Planung des Toschka-Projekts durch Ägypten könnte Nutzungskonflikte zwischen Äthiopien, Sudan wieder aufflammen lassen.
Neben ökonomischen und strategischen Konflikten darf auch das kooperationsschaffende Potential von internationalen Wasserläufen nicht übersehen werden, welches durch diplomatische Bemühungen und Verträge gefördert wurde. Und neben ökonomischen Interessen spielen also auch strategische Überlegungen eine bedeutende Rolle im Management des Lebenselixiers Wasser: Wenn ein hungriger Mensch schon zu fast allen Schändlichkeiten bereit ist, was ist dann erst mit dem Durstigen?
1 Fossiles Grundwasser wurde zumeist in der Eiszeit eingelagert und ist in vielen arabischen Staaten, der Tschad-Region aber auch im Nord-Westen der USA mit dem Ogallala-Aquifer die wichtigste Wasserquelle.
2 Indien, Palestina, Jordanien, Aralsee, Tschadsee, China, Nordmexiko, ... [3b]
3 Mit Schläuchen wird hierbei das Wasser direkt an die Pflanzenwurzel gebracht, anstatt mit Sprenklern großflächig versprüht zu werden [4].
4 Die "Food and Agricultural Organisation" der Vereinten Nationen hat in einigen Strategiepapieren [4]
5 Durch Tropenwaldrodung hergestellte Palmöl-Plantagen, aus denen das überall verwendete „pflanzliche Fett“ billigst produziert wird, sind in Indonesien neben Bevölkerungsdruck der Hauptgrund für Entwaldung. [5]
6 Dieser Passus ist in der Marrakesh-Verhandlung 2001 unbemerkt integriert worden. Mit Kosten von ca. 3 US$/t CO2 ist diese „Removal Unit“ zehnfach billiger als effizientere Kraftwerke und 100-fach günstiger als Solartechnik [7, 8].
7 Die EU tritt im Kyotoprotokoll als ein Land („Bubble“, Art. VI) mit gemeinsamem Reduktionsziel auf. Intern wird zum Erreichen dieses Ziels ein Emissionshandel etabliert, aus dem Senkenprojekte wie Plantagen explizit ausgeschlossen sind.
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