Für Entwicklungsländer gehen einige spezifische Risiken mit der Liberalsierung
einher. So ist fraglich, ob statliche Regulierungen sinnvoll sind, die sich an
der GATS-Vorschrift orientieren "keine unnötigen Hemmnisse" für den
Dienstleistungshandel zu errichten. Allein aus Gründen des freien Zugangs zu
lebensnotwendigen Diensten wie Bildung, Gesundheit oder Wasserversorgung kann
es sehr wohl geboten sein, staatliche Preisvorgaben zu machen, die die
Handelsmöglichkeiten gegebenenfalls beschränken.
Besonders kritisch können sich schließlich die GATS-Bestimmungen über die
kommerzielle Präsenz auswirken. Das starke Interesse vieler Länder, sich
als attraktiver Investitionsstandort zu präsentieren, schwächt ihre Position, wenn
es darum geht, entwicklungspolitisch kontraproduktive Investitionsregeln in der WTO
zu verhindern. Ungewiss ist ferner, inwieweit die Forderungen einiger Entwicklungsländer
nach Erleichterungen der Arbeitsmigration sich unterm Strich positiv auswirkt. Fraglich
ist, ob die Rücküberweisung der Migranten einen permanenten Mangel an Fachkräften
im Inland kompensieren können. Ein solcher Mangel wirkt sich besonders empfindlich in
den Basisdiensten Bildung und Gesundheit aus und erschwert daher Bemühungen der
Armutsbekämpfung.
Mit der Übernahme weiterer GATS-Verpflichtungen kann sich außerdem das Risiko von
Finanzkrisen erhöhen. Die GATS-Bestimmungen von Zahlungs- und Kapitalverkehr beschränken
grundsätzlich die Möglichkeit der Kapitalverkehrskontrollen. Das GATS entwickelt
sich in gewisser Weise zu einem ergänzenden Transmissionsriemen für Strukturanpasung,
wie sie von IWF und Weltbank vorgegeben werden.
Schließlich gehen besondere Risiken mit der strukturellen Benachteiligung von
Entwicklungsländern einher. Sie verfügen weder über genügend Ressourcen, um in
angemessener Weise an den GATS-Verhandlungen teilzunehmen, noch profitieren sie in
gleicher Weise von dem Schiedsgericht wie die großen Handelsnationen.
Dadurch werden auch künftig GATS-Regelungen in erster Linie den Bedürfnissen der
Exportindustrien des Nordens entsprechen. Daran ändern auch bessere
Beteiligungsmöglichkeiten sowie größere interne und externe Transparenz der WTO
wenig.
Text nach:
Thomas Fritz: 'Die letzte Grenze. GATS: Die Dienstleistungsverhandlungen der WTO -
Sachstand, Probleme, Alternativen.' weed, Berlin Februar 2003.
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