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GATS & Wasser >> Hintergrund & Kritik >>

Wasser für alle statt Evian:
Der G8-Gipfel, das Wasser und der Kommerz


Im Jahr 1789 machte der nierenkranke Marquis de Lessert auf einem seiner Spaziergänge durch das französische Evian auf dem Grundstück des Monsieur Cachat Rast. Seinen Durst löschte er an der dort sprudelnden Quelle. Der Geschmack des Wassers sagte ihm ausserordentlich zu, so sehr, dass er beschloss, es regelmäßig zu trinken. Als sich kurz darauf sein Nierenleiden besserte, kannte sein Lob keine Grenzen. Rasch verbreitete sich die frohe Kunde von der heilenden Kraft des Evianer Wassers und auch Ärzte begannen es zu verschreiben. Monsieur Cachat wiederum witterte die Chance seines Lebens, errichtete einen Zaun um den Quell und betätigte sich fortan im Verkauf „seines“ Wassers. Diese innige Verknüpfung von Wasser und Kommerz prägt auch heute noch den am Genfer See gelegenen Kurort Evian-les-Bains.

Gipfel des Kommerzes
Die Privaten: ineffizient, intransparent und unsozial
GATS: Privatisierung forever
Evian: Flasche statt Leitung
Gipfel des Protests

 

Gipfel des Kommerzes

Wenn nun die Gruppe von acht mächtigen Regierungschefs vom 1. bis 3. Juni ihren Weltwirtschaftsgipfel in Evian abhält, wird ein weiteres Beispiel der Kommerzialisierung des Wassers zu bewundern sein, diesmal angereichert um den Filz zwischen hoher Politik und privatem Kapital. Der französische Präsident Jaques Chirac kündigte an, seine Regierung werde die Menschheitsfrage des Wassers auf die Tagesordnung des Gipfels setzen. Dem Versprechen des Johannesburg-Gipfels, die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bis zum Jahr 2015 zu halbieren, müssten Taten folgen. Zu diesem Zweck solle jedes Land „einen aggressiven Aktionsplan entwickeln“, so Chirac.

Dazu bedarf es nach Ansicht des Präsidenten vor allem der Förderung von „Partnerschaften“ mit „Herstellern und Investoren“. Schließlich gebe es einen immensen Investitionsbedarf, der von den öffentlichen Händen unmöglich geschultert werden könne. Die Freunde der „public private partnerships“ finden sich mittlerweile in fast allen politischen Lagern, vom „schwarzen“ Jaques bis zur „roten“ Heidi. Dass gerade Jaques Chirac sie propagiert ist nicht etwa philantropischen Neigungen geschuldet, sondern vitalen nationalen Interessen. Von Frankreich aus betreiben die beiden größten Wasserversorger der Welt das Geschäft mit dem „blauen Gold“: Suez und Vivendi. Während Suez weltweit bereits 115 Millionen Kunden mit Wasser versorgt, kassiert Vivendi bei 110 Millionen Leuten ab. Schon an dritter Stelle rangiert die deutsche RWE, deren Wassersparte seit der Übernahme der britischen Thames Water rund 43 Millionen Kunden zählt.


 

Die Privaten: ineffizient, intransparent und unsozial

Immer zahlreicher jedoch werden die Beispiele gescheiterter Privatisierungen. Als besonders hohl erweist sich dabei die Phrase von der Effizienz der Privatwirtschaft. Beispiel Großbritannien: Statt zu investieren, verringerten die dortigen Versorger nach der Privatisierung einfach den Wasserdruck in den Rohren. So konnten die Wasserverluste reduziert werden, ohne die vorhandenen Lecks zu stopfen. Genauso fragwürdig ist die Behauptung, „public private partnerships“ in Entwicklungsländern nützten vor allem den Armen. Investiert wird vornehmlich in Städten mit vorhandener Infrastruktur, und dort am liebsten in den wohlhabenderen Stadtvierteln. Das private Profitmotiv verlangt nun einmal nach zahlungskräftiger Nachfrage. Auch RWE kaufte sich hauptsächlich in die Wasserwerke großer Städte wie Izmit, Jakarta oder Bangkok ein. An den Bedürftigen gehen diese Investitionen aber weitgehend vorbei. Vernachlässigt bleiben die Armensiedlungen, die Landbevölkerung und die aufwendigere Klärung von Abwässern.

Als Farce entpuppt sich zudem die Rede von der Mobilisierung privater Mittel. Nach wie vor investieren Konzerne nur dann im Süden, wenn ihnen die Geschäftsrisiken z.B. durch Gewinngarantien weitgehend abgenommen werden. Gerne greifen sie dabei auch die öffentlichen Gelder ab, die dann womöglich für die Finanzierung kostengünstigerer Alternativen fehlen. Beispiel Berlinwasser International (BWI): 10 Millionen DM investierte BWI in die Wasserversorgung der albanischen Stadt Elbasan. Der Löwenanteil kam jedoch vom deutschen Entwicklungsministerium, das einen Kredit an Albanien in Höhe von 23 Millionen DM beisteuerte. Der Nebeneffekt: Sollte Albanien in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, schnappt die Schuldenfalle zu. Wieviel überhaupt investiert wird bleibt meist völlig im Dunkeln, denn die Firmen bestehen auf Geheimhaltung der Privatisierungsverträge. Wohlgemerkt: Obwohl beträchtliche Steuermittel in diese Vorhaben fließen, wird öffentliche Kontrolle bewusst unterbunden.


 

GATS: Privatisierung forever

Die höchste Stufe des Privatisierungswahns erklimmen die politisch Verantwortlichen nun in der aktuellen Neuverhandlung des WTO-Dienstleistungsabkommens GATS. Wie erst vor wenigen Wochen bekannt wurde, fordert die EU von 72 Staaten die radikale Öffnung ihrer Wassermärkte. Sollten die betroffenen Entwicklungsländer den EU-Forderungen Folge leisten, geriete ihr Wassersektor nicht nur unter weiteren Privatisierungsdruck, sie müssten darüber hinaus auf wichtige staatliche Regulierungen verzichten. Ressourcenschutz, Preisobergrenzen, Mindestanforderungen für Instandhaltungsinvestitionen, Quersubventionierungen, gestaffelte Tarife oder Auflagen zum Anschluss der Armenviertel: Jegliche staatliche Maßnahme liefe Gefahr, einem sogenannten „Notwendigkeitstest“ der WTO-Richter zum Opfer zu fallen. Schlimmer noch: die Vertragskündigung nach einer gescheiterten Privatisierung würde als illegale Enteignung begriffen und könnte empfindliche Handelssanktionen nach sich ziehen.

Angesichts dessen erweisen sich die entwicklungspolitischen Bekenntnisse von EU-Kommission und Bundesregierung als pure Rhetorik. So behauptete Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul, der „Kernbereich staatlicher Daseinsvorsorge kann und darf im Verhandlungsprozess nicht zur Disposition gestellt werden“. Nun gehört die Trinkwasserversorgung aber zweifelsfrei zum Kernbereich der Daseinsvorsorge und war zudem bisher noch gar nicht als eigenständige Kategorie im GATS erfasst. Die nun von der EU in der WTO forcierte Wasserliberalisierung wäre ein Dammbruch, der so bisher noch nicht einmal im Europäischen Binnenmarkt erfolgte.


 

Evian: Flasche statt Leitung

Manche Unternehmen haben sogar ein dezidiertes Interesse daran, dass die Wasserversorgung in vielen Ländern schlecht und mangelhaft bleibt. Eines davon lernt kennen, wer die Webseite des Städtchens Evian anklickt (www.evian.fr). Besucher werden dort mit dem Logo der gleichnamigen Mineralwassermarke begrüßt und können sich über „10 Gründe, Evian zu trinken“ informieren. Links verweisen auf den Besitzer dieses meistverkauften Mineralwassers der Welt, den französischen Lebensmittelmulti Danone. Im Jahr 2001 verdrängten die Franzosen ihren schärfsten Konkurrenten Nestlé von seinem Spitzenplatz bei abgefülltem Wasser. Der Weltmarktanteil Danones liegt bei 13%, Nestlés Anteil bei 12%. Aufschlussreich ist die Lektüre der Wasserstrategie Danones. Dort heißt es, dass der wesentliche Grund für den Kauf von Flaschenwasser die Sorge um die Qualität des Leitungswassers sei. Die einfachste Möglichkeit, den Absatz von Evian und anderen Marken anzukurbeln, bestehe folglich darin, die KonsumentInnen weg von der Leitung und hin zur Flasche zu locken. Naheliegend also, dass die Produktwerbung mehr oder minder suggestiv Zweifel an der Qualität des Leitungswassers streut.

Seit 1996 ging Danone international auf Einkaufstour und beteiligte sich an zahlreichen Wasserherstellern. In Asien und Lateinamerika ist die Firma seither die Nr. 1, in Nordamerika und Europa die Nr. 2. Mit besonderem Stolz blicken die Franzosen auf ihre dominante Stellung im Wachstumsmarkt China. Kehrseite der sprudelnden Gewinne aber: Die Wasserkrise spitzt sich besonders in den Entwicklungsländern weiter zu. Denn mit der Ausbreitung von Flaschenwasser droht nicht nur eine weitere Vernachlässigung der öffentlichen Versorgung, sondern auch eine Überausbeutung der Quellen durch die Abfüller. Und die ärmsten Menschen sitzen weiter auf dem Trockenen. Sie können sich auch die verpackten Wässer nicht leisten.


 

Gipfel des Protests

Wie kaum ein anderer Ort symbolisiert Evian die Kommerzialisierung des Wassers. Mit der Entscheidung, die acht „Herrscher der Welt“ ausgerechnet hier über die Lösung der Wasserkrise parlieren zu lassen, hat Frankreich sich einmal mehr als Wiege der Aufklärung empfohlen. Aufklärung darüber, dass im globalisierten Kapitalismus einfach jedes Gut zur Ware wird. Wer sich damit aber nicht abfinden will, sollte sich den Protesten gegen die G8 anschließen. Und das nicht nur in Evian, sondern auch im wenige Kilometer entfernten Genf, dem Sitz der WTO, wo die GATS-Verhandler just dabei sind, die letzten Grenzen der Privatisierung des Wassers einzureißen.

Thomas Fritz, Attac AG Welthandel und WTO



Letzte Aktualisierung am Sa, 26.07.03 von Todd - Druckversion