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               von Claudia von Werlhof   
                Das internationale Dienstleistungsabkommen GATS steht im wahrsten 
                Sinne des Wortes vor der (Haus)Tür. Es hat nichts Geringeres 
                im Visier als neben dem von direkter Kommerzialisierung bisher 
                ausgenommenen öffentlichen Sektor auch die Privatsphäre 
                möglichst restlos zu einem profitablen Geschäft für 
                internationale Konzerne umzuwandeln - und zwar per Gesetz. Das GATS (General Agreement on Trade in Services) ist zusammen mit der Welthandelsorganisation 
  WTO im Jahre 1995 als Nachfolgeorganisation des GATT (General Agreement on Tariffs 
  and Trade) gegründet worden. Es soll dafür sorgen, dass die ganze 
  Welt in eine einzige Freihandelszone verwandelt wird, und dass dabei auch die 
  sog. Dienstleistungen nicht fehlen. Das war zunächst die Idee der US-Coalition 
  of Service Industries, dem größten Dachverband der US-amerikanischen 
  Dienstleistungsindustrien. Auch die Weltbank und die EU betreiben mit allen 
  ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Realisierung des GATS. Unbemerkt 
  von der Öffentlichkeit und unkommentiert von der Presse sind die Verhandlungen 
  vor allen Dingen seit dem Jahr 2000 beschleunigt vorangekommen. Bereits im Juni 
  2002 hat die Österreichische Bundesregierung bei der EU deponieren müssen, 
  welche Dienstleistungsbereiche sie von den anderen Mitgliedern der WTO dem GATS 
  unterworfen sehen möchte, und bis zum März 2003 muß sie festlegen, 
  welche Dienstleistungsbereiche sie selbst, in Österreich, dem GATS öffnen 
  will. Bis 2004 soll alles endgültig beschlossen sein. Es ist also höchste 
  Zeit, dass die Öffentlichkeit erfährt, was hier geplant ist, um diese 
  Pläne zu vereiteln.
 Das GATS beabsichtigt nichts mehr und nichts weniger, als den großen 
  internationalen Dienstleistungsunternehmen "zu erlauben, die öffentlichen 
  Dienstleistungen in aller Welt zu übernehmen - ob die Menschen das wollen 
  oder nicht. Falls es zur Ausführung kommt, wird es den Untergang des öffentlichen 
  Sektors bedeuten" (Maude Barlow: GATS - Die letzte Grenze der Globalisierung; 
  Übersetzung aus The Ecologist, Februar 2001). Das Motiv für eine derartige 
  "unfreundliche Übernahme" ist einzig und allein die Möglichkeit, 
  durch die "Liberalisierung", "Flexibilisierung" und "Privatisierung" 
  auch der Dienstleistungsbranche riesige Geschäfte zu machen. Damit dies 
  im Zweifel auch erzwungen werden kann, soll das GATS völkerrechtlichen, 
  also einen den nationalen Verfassungen übergeordneten Status haben.  Was bedeutet all dies für Frauen? Von der Wiege bis zur Bahre, Frauen haben 
  in unserer Gesellschaft gerade mit der Pflege und Aufrechterhaltung der alltäglichen 
  Lebensbedingungen immer am meisten zu tun. Daher sind sie als Kollektiv vom 
  GATS und den bereits laufenden Privatisierungen bzw. Enteignungen am meisten 
  betroffen. Denn nun soll Schluß sein mit der öffentlichen Versorgung, 
  sozusagen der mütterlichen Seite von Vater Staat. Das bedeutet, dass die 
  Frauen, die sich eine kommerzialisierte Versorgung finanziell nicht leisten 
  können, wieder auf Selbstversorgung angewiesen sind oder eben nicht versorgt 
  werden oder versorgen können. Es kommt damit auf die Frauen insgesamt ein 
  ungeheurer Schwall neuer Arbeit zu, und zwar unbezahlter Arbeit im und ums Haus.
 Krankenpflege, Altenpflege, die Betreuung von Kindern, all dies wird in Zukunft 
  von sehr vielen und zunehmend vielen Frauen in zunehmendem Umfang selber getragen 
  werden müssen. Denn nicht nur, dass generell neue unentlohnte Arbeit auf 
  die Frauen zukommt, sie werden auch generell weniger entlohnte Arbeit und vor 
  allem weniger gut entlohnte Arbeit bekommen. Denn gerade im öffentlichen 
  Sektor machen Frauen einen großen Teil der Beschäftigten aus. Nach 
  dessen Privatisierung werden sehr viel weniger Beschäftige dort zu erwarten 
  sein, und die Arbeitsbedingungen werden sich sehr verschlechtert haben, von 
  einer Arbeitsplatzsicherheit ganz zu schweigen. In den USA nennen sich die Inhaber 
  solcher Arbeitsplätze inzwischen die "neuen Sklaven". Bei McJobs 
  braucht man mindestens drei, um davon zu überleben, und wann dann Alte, 
  Kranke, Kinder und die Frau sich selbst versorgen werden können, bleibt 
  dahingestellt. Es werden Verhältnisse wie in der Dritten Welt entstehen. 
  Die sog. Zweidrittelgesellschaft wird schnell in die Eindrittelgesellschaft 
  münden, in der generell nur ein Drittel der Bevölkerung noch ausreichend 
  versorgt sein wird.
 Aber nicht nur im öffentlichen Bereich wird es zu einem Zusammenbruch 
  der Frauenerwerbstätigkeit kommen, falls das GATS eingeführt wird. 
  Auch bisherige kleinere, mittlere, ja sogar größere Anbieter von 
  Dienstleistungen privater Natur, die neben den öffentlichen Dienstleistungen 
  bestehen, sind gefährdet. Sie werden der übermächtigen Konkurrenz 
  von ausländischen Konzernen zu weichen haben. Restaurantketten, Bestattungsunternehmen, 
  Sportstättenbetreiber und Vergnügungsindustrien, angeboten von ausländischen 
  Konzernen, werden sie in kurzer Zeit geschluckt haben. Und damit wird auch die 
  Beschäftigungsdichte enorm zurückgehen, wie die Erfahrung zeigt. Je 
  größer der Konzern, desto geringer die Anzahl der Beschäftigten. 
 Der so hoch gelobte Fortschritt und eine Modernisierung auf Weltniveau, wie 
  das GATS sie propagieren, sind für Frauen ein einziger Betrug: Sie werden 
  sowohl im Lohnarbeits- wie auch im Hausarbeitsbereich sehr viel mehr zu tun 
  haben bzw. auf mehr Geld angewiesen sein, das sie gerade nun nicht mehr verdienen. 
  Die hausfrauliche Gratisarbeit wird erweitert, die niedrigentlohnte außerhäusliche 
  Arbeit bzw. die Abhängigkeit von ihr aber auch. Damit schreitet die "Hausfrauisierung" 
  der Frauenarbeit noch voran (C. von Werlhof: Frauen und Globalisierung, in: 
  INWO (Hg.): Zukunftsfähige Gesellschaft, Aarau 1999). In einem Schweizer 
  Managermagazin wurde vor einiger Zeit das Lob der "Lebensunternehmerin" 
  gesungen (Christian Lutz: Die Zukunft der Arbeit ist weiblich, in: Der Standard, 
  6.6.1997). Wie zynisch muß man eigentlich noch sein, um zu verstehen, 
  dass die Situation, die mit der neoliberalen Politik und insbesondere dem GATS 
  auf Frauen zukommt, schon kräftemäßig und materiell unlösbar 
  ist, vom Immateriellen, also der Auseinandersetzung mit einer immer erbarmungsloseren, 
  kälteren und liebloseren Welt her gesehen ganz zu schweigen. Was tun? Das GATS kann nicht mehr geheimgehalten werden. Überall in Europa 
  lief die Anti-GATS-Kampagne von ATTAC. Wir in Tirol haben mit den verschiedensten 
  Gruppen der Zivilgesellschaft die "Plattform gegen GATS und für eine 
  gemeinsame Welt" (zu erreichen über das Südwind-Büro/Innsbruck) 
  geschaffen. Anderswo wird zur Gründung von "GATS-freien Zonen" 
  aufgerufen und in Deutschland gibt es sogar eine Stimme die meint, angesichts 
  des GATS könnte vom Widerstandsrecht nach dem Grundgesetz Gebrauch gemacht 
  werden (vgl. Wilhelm Neurohr: Die Welt ist keine Ware, in: Infobrief des Netzwerks 
  gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik, Köln: "GATS, nein 
  danke!", Nr. 9, 2002). Die Frauenbewegung in Österreich ist wie überall auf der Welt dazu 
  aufgerufen, sich endlich mit dem Thema zu befassen und die neue Regierung massenhaft, 
  unaufhörlich und entschieden unter größtmöglichen Druck 
  zu setzen.  "Der Begriff Dienstleistungshandel ist ... ein Euphemismus für Programme, 
  die geschaffen wurden, um die Volkssouveränität zu unterminieren und 
  die demokratischen Optionen zu reduzieren, indem man die Entscheidungen über 
  die wichtigsten Aspekte des Lebens aus der öffentlichen Arena in die unkontrollierten 
  privaten Tyranneien übergibt" (Noam Chomsky: Wähler und Spekulanten. 
  Die Globalisierung der Demokratie. Veto eines "virtuellen Parlaments", 
  Internet, 2.2.2002). Dieser globale Anschlag auf das öffentliche Eigentum 
  und die Demokratie kann einfach nicht zugelassen werden. Man kann nicht sinkende 
  Löhne und Beschäftigungsmöglichkeiten damit vereinbaren, dass 
  immer mehr Geld zum Leben nötig sein soll. Das ist eine quantitative Unmöglichkeit. 
  Und man kann das nackte Leben nicht an Profiteure ausliefern. Das ist eine qualitative 
  Unmöglichkeit. Das Leben, seine Schaffung und Wiederherstellung können 
  nicht noch mehr kommerzialisiert und in eine Warenproduktion verwandelt werden. 
  Hier hat auch die Globalisierung eine absolute Grenze erreicht, an der sie scheitern 
  wird. 
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