GATS-Briefaktion - Musterbrief<
Den Musterbrief gibt es in zwei Varianten und diversen Formaten zum Durchlesen und Herunterladen:
Es folgt der Text des Musterbriefs für Gruppen - die Einzelpsersonen-Version ist sehr ähnlich (s.o.):
Herrn/Frau
< Name des MdB >, MdB
Platz der Republik
11011 Berlin
Sehr geehrter < Name des MdB > !
Wir möchten hiermit unsere große Besorgnis über die laufenden
Verhandlungen zum Allgemeinen Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen (GATS) in der WTO zum Ausdruck bringen.
Als besonders problematisch betrachten wir die darin angestrebte
Öffnung der Märkte auch für öffentliche Dienstleistungen, die der
Grundversorgung der Menschen dienen, wie z. B. das Bildungs- und
Hochschulwesen, das Gesundheitswesen und die Wasserversorgung.
In den Verhandlungen wird die Bundesrepublik durch die Europäische
Kommission vertreten. Trotz oben genannter Bedenken hat die EU von 109
WTO-Mitgliedsstaaten die vollständige Liberalisierung des
Wassersektors gefordert. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass die
Privatisierung lebensnotwendiger Dienstleistungen wie Wasser zu
Qualitätseinbußen und Preiserhöhung geführt hat. In vielen
Entwicklungsländern hatte dies schon fatale Auswirkungen. Hinzu kommt,
dass einmal eingegangene Liberalisierungen im Rahmen des GATS
praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Die Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft -
Herausforderungen und Antworten" des 14. Deutschen Bundestages teilt
in Ihrem Abschlussbericht (Drs 14/9200; s. http://www.bundestag.de/gremien/welt/index.html)
weitgehend unsere Besorgnis.
Sie stellt explizit fest, dass das GATS in die Innenpolitik der
Staaten eingreift und oft zentrale Bereiche staatlicher
Regelungshoheit berührt. Auch ist es ungeklärt, ob Bereiche der
öffentlichen Daseinsvorsorge von der GATS-Liberalisierung ausgenommen
werden können (Drs 14/9200, S. 148).
In ihren Empfehlungen (Drs 14/9200, S. 155f) hat die
Enquete-Kommission daher weitreichende Vorbehalte gegenüber den
laufenden Verhandlungen zum GATS geltend gemacht. So mahnt sie eine
Überprüfung und öffentliche Diskussion der möglichen Folgen vor der
Übernahme weiterer Liberalisierungsverpflichtungen an (Empfehlung
3-12). Eine Evaluierung bisheriger Liberalisierungen, wie im
GATS-Abkommen vorgesehen, erfolgte unrechtmäßigerweise bisher
nicht.
Außerdem empfiehlt die Kommission unmissverständlich, die Leistungen
der öffentlichen Daseinsvorsorge (wie z. B. öffentliche Bildungs- und
Kulturdienstleistungen) aus den Verhandlungen des GATS herauszunehmen
(Empfehlung 3-13).
Weiterhin fordert die Kommission, „alle Verhandlungsvorschläge, seien
es Marktöffnungsforderungen der EU gegenüber Drittstaaten oder
umgekehrt Forderungen von Drittstaaten gegenüber der EU oder auch
entsprechende Marktöffnungsangebote“ frühzeitig bekannt zu machen und
Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Verbände in die
Entscheidungsprozesse einzubeziehen (Empfehlung 3-17). Diesbezüglich
empfiehlt die Kommission auch eine Beteiligung der zuständigen
Fachausschüsse der nationalen Parlamente. Die Empfehlungen der
Enquete-Kommission haben sich jedoch in keiner Weise auf die deutsche
Verhandlungsposition ausgewirkt.
Bis Ende März 2003 sind die Mitgliedstaaten der WTO aufgefordert,
Angebote zu unterbreiten, welche Dienstleistungsbereiche sie im Rahmen
des GATS zu öffnen bereit sind. Auf Grundlage dieser Dokumente werden
anschließend konkrete Liberalisierungsverhandlungen geführt, die bis
Januar 2005 abgeschlossen sein sollen. Angesichts der möglichen
Auswirkungen fortschreitender Marktöffnung und der Nichtbeachtung der
Empfehlungen der Enquete-Kommission sehen wir dringendsten
Handlungsbedarf!
Attac setzt sich für einen Stopp der GATS-Verhandlungen ein, denn in
Bezug auf die sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen
Folgen des Abkommens liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es
muss sichergestellt werden, dass die Bestimmungen des GATS den
Regierungen und Gebietskörperschaften nicht die Möglichkeit nehmen,
ihre Bürger mit den notwendigen Dienstleistungen (Zugang zu
Gesundheit, Wasser, Bildung, Energie und Verkehr) zu versorgen und
darüber demokratisch zu entscheiden.
Mit der Vorlage der Marktöffnungsangebote der EU im März 2003 drohen
richtungsweisende Fakten für den Fortgang der GATS-Verhandlungen
geschaffen zu werden, ohne dass den Bedenken und Empfehlungen der
Enquete-Kommission Rechnung getragen wurde. Auch wurde Ihnen als
gewählte/r Abgeordnete/r bisher nicht die Möglichkeit gegeben, im
Sinne Ihres Wählerauftrages auf die Positionen der Bundesregierung in
den EU-Verhandlungen Einfluss zu nehmen.
Deshalb fordern wir Sie dringend auf, sich für eine rechtzeitige
Veröffentlichung aller relevanten GATS-Dokumente
einzusetzen. In diesem Zusammenhang würden wir uns besonders über
detaillierte Informationen aus Ihrer Hand über die bis Ende März
vorzulegenden Liberalisierungsangebote der Bundesregierung
freuen.
Des Weiteren fordern wir Sie dringend auf, Ihre parlamentarischen
Informations- und Fragerechte in diesem Sinne verantwortlich wahr zu
nehmen und dafür Sorge zu tragen, dass vor Fertigstellung der Angebote
der EU eine öffentliche Anhörung im Sinne der Empfehlungen der
Enquete-Kommission durchgeführt wird. Ferner bedarf es einer
Debatte sowie einer Beschlussfassung des Bundestags über die
Position in den GATS-Verhandlungen.
Wir möchten Sie bitten, uns Ihre Haltung zum Fortgang der
GATS-Verhandlungen und Ihre Sicht der von uns angesprochenen Probleme
mitzuteilen. Weiterhin würden wir uns über eine Einladung zum
persönlichen Gespräch zu diesen Fragen sehr freuen und sehen Ihrer
Antwort mit großem Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
(i.A. < Unterzeichner >, ATTAC < Ort >)
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