Legale Proteste
"Der Attac-Gruppe in Münster nachzusagen, sie sei spießig, wäre nicht nur
böswillig, sondern auch einigermaßen unzutreffend. Dennoch haben wir die
Infotische, die wir vor Lidlläden in Münster aufgebaut haben, formell
angemeldet, Ordnung muss sein. Einen der beiden Infotische haben wir auch auf
unserer Internetseite beworben – und das war wohl ein Fehler: am 18. November
waren nicht nur wir mit Tapetentisch, Plagiat, Einkaufswagenchip und
Sondernutzungserlaubnis vom Ordnungsamt ausgestattet zu Besuch beim Lidlmarkt
an der Hammer Straße, auch zwei als Gärtner verkleidete Handwerker oder als
Handwerker verkleidete Gärtner waren dort und liefen auffällig unauffällig
über den Parkplatz hin und her, bis wir unseren Tisch aufgebaut hatten, um
dann eine ganz tolle Maschine auszupacken. Formell offenbar dazu gebaut,
festgepappte Kaugummireste von der Straße zu fräsen, machte diese Kiste in
erster Linie Gestank, Lärm und Funken – aber selbstverständlich hatte die
Pflasterreinigung nichts mit unserem Infotisch zu tun, reiner Zufall.
Reiner Zufall selbstverständlich auch, als die Putztruppe spontan wieder
auftauchte, nachdem ein paar Leute nach unserem Lärm und Gestank geschuldeten
Rückzug sich mit einem Infotisch an einem anderen Lidlmarkt aufbauten:
Kaugummi fräsen.
 (Globalisierungskritik auch hinterm Einkaufswagen. Klick aufs Bild = Vergrößern)
Auch die Proteste von Passanten halfen nichts, und selbstverständlich konnte
die von Lidl zum Schutz ihrer Filiale vor der Globalisierungskritik
herbeigerufene Polizei nichts gegen die Fräsen tun, die waren schließlich auf
Lidls Grund und räumten dort auf.
Dass Lidl nervös geworden war und durchaus Mittel aufwendet, um die nervenden
Insekten zu verscheuchen, zeigte sich aber nicht nur an den Barrikaden,
sondern auch am grünen Tisch. Am 8. November informierten Bärbel Rudat von
Verdi, Berit Thomsen von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft,
Ortrud Harhues von der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung und Johannes
Willms von Attac über die Arbeitsbedingungen bei Lidl und den Zulieferern.
 (Protest und Diskussion gehen gut zusammen. Klick aufs Bild = Vergrößern)
Die große Nervosität von Lidl zeigte sich aber bei der Veranstaltung am 24.
November, bei der Chris Methmann für Attac darauf hin wies, dass Lidl an
Attac einen Brief geschickt hatte mit dem Hinweis, dass bei ihnen doch
eigentlich alles gar nicht so schlimm sei – Aldi und Schlecker würden ihre
MitarbeiterInnen auch nicht besser behandeln. Diese Veranstaltung war
deutlich anders besetzt und zeigt damit auch klar die Breite der Kampagne.
Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero und Heiko Thiele vertraten
Gruppen, die auf die Macht der Verbraucher setzen – hatten aber in diesem
Bereich schon deutliche Meinungsdifferenzen. Maik Pflaum, für die CIR mit der
Kampagne für Saubere Kleidung befasst, versuchte auf Nachfrage aus dem
Publikum einige Hersteller zu benennen, die Textilien in nachhaltigen und
fairen Zusammenhängen herstellen – während Heiko Thiele zum Konsumverzicht
riet, allerdings bezogen auf den Verzehr von Shrimps. Die gewerkschaftliche
Sicht vertrat an diesem Abend die Freie ArbeiterInnenunion, die zuvor
MitarbeiterInnen von Lidl zu einer Informationsveranstaltung eingeladen hatte
– leider ohne Ergebnis.
Dennoch waren die Veranstaltungen allesamt ausgesprochen erfolgreich: an den
Infotischen waren KundInnen ausgesprochen interessiert, abgesehen von einigen
wenigen fühlte sich wohl niemand auf den Schlips getreten oder ertappt.
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